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2007

Homilie am Fest der Heiligen Familie Lk 2,21-32 in der Filialkirche Rödlas

97-12 Fest d. hi. Familie (C) unter den Lehrern' (Lk 2,46) röm. Mosaik, 6. Jh
97-12 Fest d. hi. Familie (C) unter den Lehrern" (Lk 2,46) röm. Mosaik, 6. Jh
Gott zuerst – auch in unseren Familien


1 Wie ging es mit Jesus weiter,

nachdem er in einem Stall zur Welt gekommen war? Wie verlief seine Kindheit, seine Jugend? Wir wissen wenig darüber, denn die Evangelien berichten darüber nur zurückhaltend. Matthäus und Lukas erzählen zwar von Jesu Geburt, doch dann schweigen auch sie bis zum ersten öffentlichen Auftreten Jesu.
Eine einzige Geschichte unterbricht diese Stille, die über nahezu drei Lebensjahrzehnte Jesu liegt: die Geschichte des zwölfjährigen Jesus im Tempel. Nur Lukas erzählt ein Ereignis aus der Jugendzeit Jesu, das, wie wir hörten, so beginnt: ”Die Eltern Jesu gingen jedes Jahr zum Paschafest nach Jerusalem. Als er zwölf Jahre alt geworden war, zogen sie wieder hinauf, wie es dem Festbrauch entsprach.”

2 Maria und Josef – fromme Leute

Darin erweisen sich Maria und Josef, die beide wie selbstverständlich Jesu Eltern genannt werden, als fromme Leute: dass sie jedes Jahr die Hauptstadt Jerusalem besuchen, um dort das Paschafest zu feiern, das bis heute seinen festen Platz in den jüdischen Familien überall auf der Welt hat.
Sieben Tage dauert das Fest, an dem man auf die Anfänge des Volkes Israel, seine Bewahrung und Errettung aus Ägypten zurückblickt. Man isst und trinkt zusammen, und wenn das jüngste Kind, dem Brauch entsprechend, den Vater gefragt hat: ”Worin unterscheidet sich diese Nacht von den anderen Nächten des Jahres?”, so erzählt dieser die alte Geschichte vom Auszug der Kinder Israel aus Ägypten; jene Geschichte, die bis heute daran erinnert, dass der lebendige Gott ein Gott der Befreiung ist. Ein Gott, der Not und Unterdrückung sieht und aus allem herausführen kann.

3 Christliche Eltern heute

Können wir uns vorstellen, was es bewirken würde, wenn Eltern auch bei uns so ihren christlichen Glauben erklärten - den Inhalt unserer christlichen Traditionen, unserer Feiertage? Die Kirche, ja der christliche Glaube selbst befindet sich gegenwärtig bei uns in einer Krise, besonders Jugendliche gehen auf Distanz. So gaben etwa 82 % der befragten Männer und Frauen zwischen 21 und 24 Jahren an, niemals einen Gottesdienst zu besuchen; 50 %, niemals zu beten. Nur noch 34 % bezeichnen sich als religiös.
Die Folge dieses Ausstiegs aus der Kirche ist für viele eine radikale Diesseitsorientierung. Man glaubt an Wissenschaft und Technik, strebt vor allem nach Ruhm und Unterhaltung und hat den letzten Beurteilungsmaßstab dieser Welt von Gott auf das eigene Ich übertragen.
Anfang der 90er Jahre war in einer von der evangelischen Kirche im Rheinland und Westfalen folgendes mit einem Fragezeichen versehene “Credo der Jugend?” abgedruckt:

4 Credo der Jugend?

Ich glaube an mich,
an nichts Übernatürliches,
an Gott und Satan, die sich in mir und im Kosmos zeigen,
an die experimentelle Wissenschaft,
an die Wiedergeburt,
an paranormale Phänomene,
daß ich mich von anerzogenem Traditionsballast erst freimachen muß, um zu mir selbst zu finden,
daß alle Religionen wahr und unwahr sind und sich jeder seine eigene Religion
zusammenzimmern muß,
nur, wenn ich was davon hab’.

5 Fehlendes Vertrauen in die Kraft des Christentums

Diese Entwicklung weg vom Christentum ist nicht zufällig so gekommen. Sie hängt zusammen mit dem fehlenden Vertrauen in die Kraft des Christentums. Was uns fehlt, sind Menschen, die nicht nur in der Kirche sind, sondern, die den christlichen Glauben auch leben. Menschen, die von ihren tiefsten Überzeugungen, ihrem Glauben zu sprechen wagen.
Es fehlt an Väter und Mütter, die nicht nur bei der Taufe die christliche Erziehung ihrer Kinder versprechen, sondern die in einem guten Sinn ”fromm” sind – also auf Gott ausgerichtet leben, wie es offensichtlich Maria und Josef waren.

6 Lebenshaltung Gottesfurcht

Wenn die Bibel Menschen ”fromm” nennt, dann unterstellt sie ihnen nicht unbedingt, ”vollkommen” und ”untadelig” zu sein. Wohl aber wird die Lebenshaltung frommer Menschen beherrscht von Gottesfurcht. Fromme Eltern - das wären heute solche, denen die Kinder anmerken, dass sie an den glauben, der mehr ist als dieses Leben und diese Welt.
Fromme Eltern wissen, dass Glaube nicht von selbst entsteht, sondern geweckt werden muss - von Anfang an. Bei dem kleinen Jesus geschah das auch dadurch, dass seine Eltern die Vorschriften ihrer Religion hielten und jedes Jahr eine Pilgerreise nach Jerusalem unternahmen. Und am Sabbat zum Gottesdienst in die Synagoge gingen.
Viele gingen diesen Weg und schlossen sich in Karawanen zusammen. So ist es selbstverständlich, dass man Jesus, der mit seinen zwölf Jahren kein kleines Kind mehr war, auf der Rückreise erst einmal nicht vermisste. ”Er wird bei unseren Verwandten sein”, denken seine Eltern, bis sie schließlich nach langem Suchen erkennen, dass ihr Kind nicht bei den Heimkehrenden ist, und nach Jerusalem zurückkehren. Doch auch dort finden sie ihn erst nach drei Tagen.
Wir können uns vorstellen, was Maria und Josef in dieser Zeit durchgemacht haben; wie sie hofften und bangten. Sicher auch beteten! Die reine Hölle ist es, was Eltern durchmachen, deren Kinder verschwinden.
Jesus lief seinen Eltern nicht weg, weil er Schwierigkeiten mit ihnen hatte oder sie mit ihm. Seine Begeisterung für die Religion, für Gott war so groß, dass er darüber alles andere vergaß - selbst seine Eltern und den Zeitpunkt des gemeinsamen Rückmarsches.

7 Gott Mittelpunkt des Denkens und Handelns Jesu

Natürlich, normal ist Jesu Verhalten seinen Eltern gegenüber nicht und auch nicht zu entschuldigen. Der Vorwurf Mariens ist berechtigt: “Kind warum hast du uns das angetan?”
Es zeigt aber auch, wie sehr doch Gott im Mittelpunkt allen Denkens und Handelns Jesu stand. So sehr, dass er bisweilen selbst Menschen, die ihn liebten und die er liebte, vor den Kopf stieß. Jesus war offensichtlich schon in seiner Jugend eine außergewöhnliche Erscheinung und wohl selbst seinen Eltern immer wieder rätselhaft und unbegreiflich.
Gott über alles - verstehen wir das? Vielleicht ahnen wir manchmal, dass diese Welt weiterhin radikale Menschen braucht, um aufmerksam gemacht zu werden auf den, den Jesus hier seinen ”Vater” nennt, bei dem er ”sein muss”. O würde doch in uns allen dieses: »bei Gott sein müssen« den ersten Platz in unserem Denken und Bemühen einnehmen. Von dem jugendlichen Jesus lernen wir, was für unser Leben wichtig ist: Immer auf Gottes Wort zu hören und miteinander nach Gott zu fragen, vor seinem Angesicht zu leben. Gebe Gott, dass wir darin nicht nachlassen.

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