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Lesejahr 2012 (B)

Homilie am 4.Advent in Rödlas »Regina Pacis«

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Menschwerdung Gottes auch heute [1]
Ein Haus für Gott?
  • Der König David hatte anscheinend Gott gegenüber ein schlechtes Gewissen. Er selber wohnte in einem Plast aus Zedernholz, während das Zeichen des mitten unter seinem Volk gegenwärtigen Gottes die Bundeslade noch wie bei der Wüstenwanderung in einem Zelt untergebracht war.
  • Wie ein Vorwurf klingt die durch den Propheten Natan an David gestellte Frage des Herrn: "Du willst mir ein Haus bauen, dass ich darin wohne?" Gott lässt sich nicht auf einen Ort festnageln. Er ist an allen Orten für alle Menschen da.
  • Jesus wird dies später in seinem Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen bestätigen, als er zu ihr sagt, dass eines Tages die Menschen weder im Heiligtum der Samariter auf dem Garizim noch im Tempel von  Jerusalem Gott anbeten werden. Denn mit Jesus bricht eine nicht mehr an einen bestimmten Ort gebundene Zeit der Anbetung Gottes an. "Aber die Stunde kommt und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden."[2]
  • Nicht wir Menschen geben Gott Wohnung, sichern gleichsam seinen Bestand bei uns, sondern er schenkt dem seine Nähe und Gegenwart, der ihn als den allgegenwärtigen Geist an allen Orten sucht und anbetet.
  • Und doch am Ende der Lesung teilt der Prophet Natan dem David die Zusage Gottes mit, dass sein Haus und Königtum ewig bestehen bleibt. Äußerlich gesehen war dieser Bestandsschutz nicht von Dauer.
Was also ist mit der ewigen Herrschaft?
  •  In der Botschaft des Engels greift das Lukasevangelium die Verheißung an David auf und wendet sie auf den aus dem Geschlecht Davids kommenden Jesus, den Sohn Mariens, an. Nicht irdische Herrschaft ist mehr gemeint, sondern die Herrschaft des von den Toten auferweckten und von Gott zum Herrn über Lebende und Tote, zum Herrn über das All eingesetzten Christus.[3]
  • So versteht die Urkirche und die Kirche bis heute die Zusage des Engels an Maria. Dieses Handeln Gottes an und in Jesus Christus preisen wir heute mit dem Sänger des Psalms 89 im Antwortgesang: "Deine Huld besteht für immer und ewig; deine Treue steht fest wie der Himmel."[4]
  • Gottes Macht zeigt sich in seiner Treue, die in Jesus an unserer Seite ist bis hinein in den Tod und jenseits des Todes. Seine Liebe und Treue ist die einzige Bestandsgarantie für unser Leben, unsere gegenwärtige und zukünftige Existenz. Wenn wir ihn in uns regieren lassen, dann ist sein Reich in uns gegenwärtig. Wohnt seine Herrschaft in uns, dann haben wir teil an seinem Königtum und seiner ewigen Herrschaft. Und wir werden nie und nimmer verloren gehen.
  • In der Taufe hat die Einwohnung Gottes durch seinen Heiligen Geist in uns begonnen. Im "Gehorsam des Glaubens" wird sich, wie Paulus im Römerbrief schreibt[5], die Einwohnung Gottes durch den Heiligen Geist in uns vertiefen und festigen.
  • Sein Reich wird für uns und die uns begegnenden Menschen  erfahrbar, wenn wir den Namen Gottes des Ich-Bin-Da leben. Indem Du für andere da bist, sie ernst nimmst in ihrer von Gott geschaffenen Einmaligkeit und Würde, wirst du zum wahren Bild Gottes.
Maria  - die Hörende und Fragende
  • An Maria fasziniert mich, dass sie nicht einfach nur Befehlsempfängerin Gottes ist. Zunächst erschrickt sie, als sie von Gott durch seinen Boten angesprochen wird, und das mit Recht. Von Gott begnadet, also in seiner besonderen Zuneigung und Liebe zu stehen, ist einmal etwas sehr Großes uns bis in die Tiefe unseres Seins hinein Erschütterndes, es wird aber damit auch Verantwortung übertragen für den Heilsplan Gottes für Welt und Menschen. Zugleich ist solche Berufung auch vielfach mit der Durchkreuzung unserer eigenen Pläne verbunden.
  • An Maria fasziniert mich, dass sie Gott nicht blind gehorcht, sondern nachfragt. Sie will Klarheit. "Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne." Sie weiß, ohne Geschlechtsgemeinschaft mit einem Mann gibt es keinen Nachwuchs. Sie war zwar mit Josef verlobt, aber nicht verheiratet. Und geschlechtliche Gemeinschaft war damals vor der Ehe undenkbar und ist es im gesamten islamischen Orient bis heute. Sie erwartet also vom Boten Gottes eine Antwort auf ihre Frage.
Der Kraft des heiligen Geistes vertrauen
  • Die Antwort des Engels verweist Maria auf die Kraft Gottes, auf Gottes Heiligen Geist: "Der heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten."
  • Für unsere sexualisierte westliche Welt, in der mehr von Verhütung als  von Zeugung menschlichen Lebens die Rede ist, wo der Nachwuchs nach langem Abwägen geplant wird, seine Existenzberechtigung von vorgeburtlichen Untersuchungen abhängt, ist solches Denken für die meisten Zeitgenossen nicht nachvollziehbar.
  • Und doch hat Gott auch unserer Generation eine Brücke gebaut, um  seiner schöpferischen Macht zu trauen. Wir bewundern die Weite des Kosmos, das Geheimnis der Evolution des Lebens, das in seiner Tiefe und Komplexität für das menschliche Auge unsichtbar ist. Sollte der Gott, der diesen gewaltigen Kosmos mit alle Wundern geschaffen hat, nicht kraft seines Geistes das Wunder seiner Menschwerdung im Schoß Mariens wirken können?
  • Der Engel fasst diesen Glauben an die schöpferische Macht Gottes in die wenigen Worte zusammen: "Denn bei Gott ist nichts unmöglich."
  • Diese Macht Gottes preist Paulus am Ende seines Römerbriefs in hymnischer Sprache "Ehre sei dem, der die Macht hat, euch die Kraft zu geben...zum Gehorsam des Glaubens."[6]
  • Weil die Kraft Gottes von oben wie Tau und Regen herabkommt und in Maria die Erde sich auftut, so dass Gott in ihr das Wunder seiner Menschwerdung wirken kann, ist dieses in ihr wachsende Kind Gott und Mensch zugleich. Deshalb, sagt der Engel, "wird das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden."
Der Himmel verbindet sich mit der Erde
  • Erst nachdem geklärt ist, wie sich die Menschwerdung Gottes ereignen wird, sagt Maria ihr Ja zum Plan Gottes: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe, wie du es gesagt hast."
  •  Das sich in diesem Augenblick eignende große Wunder besteht darin, dass sich im Schoß Mariens der Himmel mit der Erde verbindet und versöhnt. Dies geschieht nicht in Glanz und Herrlichkeit, sondern ganz einfach im lebendigen warmen und bergenden Schoß dieser noch jungen Frau. Klein, unscheinbar, dem menschlichen Auge verborgen, hilfsbedürftig und doch zielstrebig wächst die durch Gottes Heiligen Geist gezeugte Frucht des Marienleibes Jesus heran; Tritt in Jesus an Weihnachten der  Gott-Mensch in unsere Welt.
  • Darum berührt dieses Fest, wo es auf dieses Geheimnis konzentriert gefeiert wird, den Grund unserer Seele; bricht die Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung unter den Menschen, nach Liebe und Geborgenheit in vielen Herzen auf.
Menschwerdung Gottes und Christsein
  • Christsein heißt demnach, wie Maria offen sein für Gott und seinen Heilswillen, der allen Menschen und der ganzen Schöpfung gilt. Die Menschwerdung Gottes soll uns beflügeln, wie Maria ein Gespür für die Boten und Botschaften Gottes zu entwickeln, wie sie genau hinzuhören und zu fragen. Durch Gottes Wort wird uns Klarheit zuteil. Im Vertrauen auf Gott können wir unser Ja wagen zu der von Gott aufgetragenen und zugemuteten Aufgabe; „Denn bei ihm ist nichts unmöglich.“
  • Von der Menschwerdung Gottes durchdrungenes Christsein wendet sich im Bewusstsein der eigenen Schwäche und Grenzen gerade darum den Kleinen, den Armen und Schwachen, den in jeder Hinsicht Hilfsbedürftigen zu.
  • Die Adveniat Aktion an Weihnachten jährt sich dieses Jahr zum 50.mal. Sie ist eine gute Möglichkeit mit Gott am Heil und Leben unserer Welt mitzuwirken. Adveniat ist der lateinische Anfang der Vaterunser Bitte: „Dein Reich komme.“ Wir können durch unsere Solidarität und unser Opfer mithelfen, dass bei den Armen Lateinamerikas Gottes helfende Liebe erfahrbar wird.
  • Wo solche Hinwendung zu den im Dunkel Lebenden geschieht, beginnt Gott zu regieren, wird auch heute sein Reich erfahrbar, wird begriffen, was Menschwerdung Gottes in Jesus Christus auf Erden bewirken will: Dass alle menschenwürdig leben können.
  • Die ganze Erde soll zum Haus werden in dem Gott mit seiner Solidarität und Liebe zu uns Menschen wohnt.

[1]  L 2Sam 7,1-5.8b-12.14a.16; 2. L Röm 16,25-27; Ev Lk 1,26-38
[2] Joh 4,20-24
[3] vgl. Röm 14,9; 2 Kor 6,19
[4] 89,3
[5] Rom 16,25-27; vgl. Röm 5,5
[6] Röm 16,24.26