PredigtenÜbersichtLesejahr 2012 (B) Homilie zu Joh 6,1-15 am 17.So. im Altenheim St. Elisabeth
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Jesus stillt unseren Lebenshunger 1."Wo sollen wir Brot kaufen"?
- Brot kaufen ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Notfalls backen wir es selber. Selbst wenn einer zu einem Hungerlohn arbeiten müsste, könnte er sich von dem Lohn einer Stunde zwei bis drei Pfund Brot kaufen.
- Ganz anders sieht es aus, wenn Brot als Abkürzung steht für Sachen, die wir haben möchten; für Zustände, nach denen wir uns sehnen; für Menschen, deren Nähe und Liebe wir für lebensnotwendig empfinden. In der Bitte des Vaterunsers, »unser tägliches Brot gibt uns heute«, kann also vieles mitschwingen. Es kann durchaus sein, dass einer satt wird, aber sein Lebenshunger dennoch nicht gestillt ist.
2. Essen allein macht noch nicht satt.
- Es genügt nicht, dass eine Mutter, ein Vater ihren Kindern zu essen geben. Genau so wichtig ist, dass sie ihnen Zeit, Verstehen und Geborgenheit schenken.
- Wem das Heim fehlt, der Freund, der Mensch, der zuhört und versteht, wem das Lebensziel fehlt, der hat mitten im Überfluss an Brot - Mangel an Allem.
- »Ich muss hungern, ich kann nicht anders«, sagt der Hungerkünstler in der gleichnamigen Erzählung von Franz Kafka.[1] »Warum kannst du denn nicht anders? «, wird er gefragt, und der Hungerkünstler flüstert dem Fragenden ins Ohr: »Weil ich nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt. Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle. «
- Kafkas Hungerkünstler[2] hat die Nahrung verweigert, weil sie seinen Hunger nach Leben nicht gestillt hat. Magersucht, Essstörungen können hier ihren Ursprung haben.
- Wie steht es um unseren Hunger? Haben wir Hunger nach einer Speise mit dem »Geschmack fürs Unendliche« oder sind wir so selbstzufrieden, dass wir diesen Hunger nicht mehr empfinden?
3. In der Brotvermehrungsgeschichte
- des Johannesevangeliums geht es nicht nur um körperliches Sattwerden. Brot wird hier zum Heilszeichen schlechthin.
- Jesus gibt Brot. Er gibt es bevor er redet. Er lässt die Menschen nicht verhungern, aber er gibt mehr, als sie zum körperlichen Sattwerden brauchen, er gibt im Überfluss "soviel sie wollten".
- Jesus selber als Person ist gekommen, den Hunger der Menschen zu stillen. Ihn brauchen sie, mit weniger dürfen sie sich nicht zufrieden geben. Am anderen Tag wird er zu ihnen sagen: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wir von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben"[3]
4. Was wollen denn die Menschen, was wollen wir, wonach hungern wir?
Sehr viele wollen von Gott nur Brot und Fische, Brot und Spiele zum Leben, nicht mehr. Sie erkennen nur die Oberfläche dessen, was vor sich geht. Sie wollen ihre Erwartungen und Wünsche befriedigt wissen.
4.1 Jesus sagt ihnen und uns: Ihr braucht mehr, ihr braucht mich.
- Dann erst habt ihr das Leben in Fülle, hier und jetzt und ewig. Ihr braucht mich, mit weniger dürft ihr euch nicht zufrieden geben. Das nur Brot-Wollen ist die starke Versuchung für Viele. Der Satan versuchte auch Jesus zu dieser falschen Haltung zu verführen: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird.“[4] Jesus wehrt diese Versuchung mit einem Wort aus der Bibel ab: „In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“[5]
- Jesus entzieht sich darum der Menge in dem Moment, als diese Versuchung handgreiflich wird. Als sie ihn zu ihrem Brotkönig machen wollen.
- Jesus gibt also Brot, aber nicht nur um satt zu machen, im Gegenteil er will Appetit machen auf mehr.
4.2 Auch sonst im Leben kommt es auf dieses Mehr an:
- Wenn ein Kind von seiner Mutter, von seinem Vater sagen kann, du warst nicht nur meine Gebärerin, mein Erzeuger, mein Ernährer, sondern du hast dich selber geschenkt, du hattest immer Zeit für mich, du hast mich ernst genommen, dann ist das genau dieses Mehr, das der Mensch braucht.
- Kann ein Mann von seiner Frau sagen: "Du hast mich nicht nur bekocht und meine Wäsche gewaschen, sondern du hast dich selber mit dem Reichtum deines Lebens und deiner Liebe mir geschenkt. Bei dir bin ich daheim, finde ich Verständnis, schöpfe ich neue Kraft,“ dann ist das dieses Mehr, das der Mensch braucht.
- Kann eine Frau von ihrem Mann sagen: „Du hast mich nicht nur geheiratet und Kinder gezeugt, sondern du bist wie ein einfühlsamer, zärtlicher Bruder und Freund zu mir, in dessen Liebe ich geborgen bin,“ dann ist das dieses Mehr, das wir Menschen brauchen.
- Können Alleinstehende und Neuzugezogene von uns als Pfarrei sagen: „Hier in Neunkirchen, hier in dieser Pfarrei fühle ich mich als Person angenommen, begegnet man mir mit aufmerksamer Freundlichkeit, interessiert man sich, wie es mir geht,“ dann ist das dieses Mehr, das ein Mensch braucht.
- Kann ein von Sorgen und Ängsten niedergedrückter Mensch von uns sagen: „Bei ihnen finde ich ein offenes Ohr für meine Sorgen und Probleme, ein tröstendes, aufrichtendes Wort, vielleicht auch die Zusage meine Not vor Gott zubringen,“ dann ist das dieses Mehr, das ein Mensch braucht.
5. Gott bietet uns in Jesus sein unerschöpfliches Mehr an Leben an.
- Nur er ist fähig er dieses Mehr an Leben zu geben, weil er Gott und Mensch zugleich ist. Er bietet uns seine Freundschaft an. "Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde.“[6] Seine Freundschaft zeigt sich darin, dass er seinen Freunden den ganzen Reichtum Gottes mitteilt. „Denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“
- Er bietet uns seine heilende Nähe an, die immer und überall, bei Tag und bei Nacht möglich ist, weil der Auferstandene nicht mehr an Raum und Zeit gebunden ist, weil er in seiner Gottheit überall gegenwärtig ist.
5.1 Er begegnet uns auf vielfache Weise:
- In seinem Wort, in der Feier der heiligen Eucharistie. Sie ist die Vergegenwärtigung seiner Hingabe und Liebe, seines erlösenden Todes und seiner selig machenden Auferstehung.
- Er begegnet uns in den Menschen, denen wir Gutes tun und unsere Liebe schenken. Er hat selber gesagt: »Geben ist seliger als Nehmen«.[7] Im Endgericht zählt „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“[8]
- Er zieht uns an sein Herz, wenn wir ihn in der Tiefe unserer Seele suchen und das vertraute Gespräch mit ihm wagen. Er verheißt uns ein Frucht bringendes Leben: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“[9]
- Jubelnd dürfen wir singen: „Wir sind getauft, Christus, wir gehören zu dir." [10]Es ist ein großes Geschenk, dem zu gehören, der die Fülle des Lebens schenken kann und will.
5.2 Er will und kann unseren Lebenshunger stillen.
- Ob wir das glauben? Ob wir im alltäglichen Leben, wenn wir von Unruhe erfasst werden, gehetzt, überfordert sind, daran denken werden?
- Womit stillen wir unseren Lebenshunger? Schon bei Kindern erleben wir: Jeder erfüllte Wunsch bekommt Junge. Alles Irdische scheint nur für eine kurze Zeit satt zu machen.
- Vielleicht stimmt es doch, was wir frühere Generationen in einem Lied zur Vorbereitung auf die Begegnung mit Jesus in der heiligen Kommunion sangen: „Keine Lust ist in der Welt, die mein Herz zufrieden stellt; Deine Liebe, Herr, allein kann mein ganzes Herz erfreun.“[11]
- Jesus sagt im Johannesevangelium: „Wer zu mir kommt, wird nicht mehr hungern; und wer an mich glaubt, wird nicht mehr durstig sein.“[12]
- Versuchen wir in der Stille in uns hineinzuhorchen und zu fragen: Wonach hungere ich? Wonach sehne ich mich? Gerade in der heiligen Messe, besonders wenn wir den Herrn in der heiligen Kommunion empfangen haben dürfen wir Christus unsere Sehnsucht nach dem wahren Leben hinhalten.
- Bitten wir ihn: Herr, stille Du meinen Hunger, meine Sehnsucht.
[1] Kafka, Hungerkünstler [2] In Laacher Messbuch 2009 S.657 [3] Joh 6 [4] Mt 4,3 [5] Mt 4,4 [6] vgl Joh 15,15 [7] Apg 20,35 [8] Mt 25,40 [9] Joh 15,5 [10] Bei der Tauferneuerung der Kinder der Erstkommunion bis 2002 [11] Lobt den Herrn Nr. 58-3 [12] Joh 6,35
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