Startseite | Predigten
Boxbild
  Druckversion   Seite versenden

Predigten

Übersicht

Lesejahr 2012 (B)

Homilie zu Mk 2,1-12 am 07.So.B2012 in Rödlas »Regina Pacis«

===>> zu den liturgischen Texten
===>> Gottesdienstvorlage
===>> Predigt im Orginalformat lesen oder herunterladen
===>> Predigt als Podcast nachhören oder herunterladen


Jesus heilt ganzheitlich[1]

 

1 Ein Faschingsscherz

  • Stellen Sie sich vor: Beim Schneeräumen gleiten sie aus. Sie fallen hin und brechen sich ein Bein. Sie rufen um Hilfe. Der Notarzt wird verständigt. Man bringt sie ins Krankenhaus. Sie haben starke Schmerzen. In der Notaufnahme sagt man ihnen: Bevor wir das Bein behandeln brauchen sie erst einen Psychotherapeuten. "Was", werden sie sagen, "das soll wohl ein Faschingsscherz sein. Mein Bein ist gebrochen. Ich brauche keinen Seelendoktor."

    1.2 Ein peinliches Missverständnis?
  • Der Evangelist Markus, der sich sonst in seinem Evangelium eher kurz fasst, erzählt im heutigen ausführlich von einem ähnlichen peinlichen Missverständnis. Ein Gelähmter lässt sich zu Jesus bringen, um von seinem Gelähmtsein geheilt zu werden. Die ihn bringenden Freunde lassen sich durch keine Schwierigkeit abhalten. "Weil sie ihn aber wegen der vielen Leute nicht bis zu Jesus bringen konnten, deckten sie dort, wo Jesus war, das Dach ab, schlugen die Decke durch und ließen den Gelähmten auf seiner Tragbahre durch die Öffnung hinab."[2]
1.3 Jesus sagt etwas Unerwartetes
  • Er sagt zu dem Gelähmten, worum dieser gar nicht gebeten hatte: "Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!" Sowohl er wie auch wir hätten doch erwartet, dass er diesem armen Menschen wieder auf die Beine hilft.
  • Jesus aber redet an ihm vorbei. Er redet von der Sünde. Die anwesenden Pharisäer sind schockiert: "Wer kann Sünden vergeben als Gott allein?"[3] Und sie haben sogar Recht.
1.4 Die unerwartete Antwort Jesu löst das Problem.
  • "Damit ihr aber wisst, dass der Menschensohn Macht hat, auf Erden Sünden zu vergeben - sprach Er zu dem Gelähmten -: ich sage dir, steh auf, nimm deine Tragbahre und geh nach Hause!" [4]
  • Die Vergebung der Sünden und die Heilung von der Lähmung werden so miteinander verknüpft, so dass das eine als der Grund des anderen ausgewiesen wird. Die Heilung bewirkt Jesus durch sein Machtwort Ich sage Dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause!
2  Jesus heilt ganzheitlich

2.1  Das Elend der menschlichen Existenz
  • Das körperliche Gebrechen ist das, was ins Auge springt. Ursächlich aber ist es die Sünde, die den Menschen lähmt. Jesus zeigt in seinem Vorgehen, dass er Macht hat über die Ursache und deren Wirkung. Daher vergibt er zuerst die Sünde als Ursache der körperlichen und seelischen Leiden, wie wir an den Dämonenaustreibungen sehen. Solche gehen dem heutigen Evangelium voraus.[5]
  • Es entspricht jüdischem Empfinden, besonders in den Kranken die zerstörerische Wirkung der Sünde zu erkennen und eine Heilung als Bestätigung der erfolgten Sündenvergebung zu verstehen. Was der Psalm 103 von Gott verkündet, wird hier durch Jesus menschlich erfahrbare Wirklichkeit: "Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt." [6]
2.2  Sünde meint den Gesamtzustand des Menschen
  • Seine Ichsüchtigkeit, seine Selbstbehauptung, seinen Unglauben. Sünde und Leid stehen in einem organischen Zusammenhang. Weil die Sünde, die Trennung von Gott, da ist, darum ist auch das äußere Leben voll Leid.
  • »Jeder ist versehrt in dieser so beschaffenen, aber so nicht geschaffenen Welt: Keiner ist heil, keiner ist ganz, keiner ist frei! Umgekehrt gilt dann auch: jeder hat Angst, jeder sucht Heilung, jeder ist mit Zorn und Verzweiflung aufgefüllt.”[7]
2.3  Der Neue Zustand aller Dinge
Die von Jesus verkündete Herrschaft Gottes bedeutet den »neuen Zustand aller Dinge«. Wunder und Frohbotschaft gehören zusammen. In der Antwort an die Johannesjünger hat dies Jesu deutlich gesagt "Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet."[8]
Beides ist Gottes Vollmacht, Sünden zu vergeben und „alles neu zu machen“. Darum sagt Jesus, „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Von Gott vergeben! Dann aber sagt er: „Ihr sollt aber erkennen, dass der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben.“
Gott ist es, der zur Endzeit kommt und sein Volk besucht.[9] In Jesus ist er gekommen. Jetzt vergibt Jesus die Sünden „hier auf Erden, damit nicht nur droben im Himmel uns verziehen sei, wo wir nichts davon wissen, sondern hier auf Erden, wo wir es sehen und daran glauben können.“[10]
2.4 Das eigentlich Wort der Gottesherrschaft heißt Vergebung.
„So hat Jesus es selbst gemeint, wenn er die Armen selig preist, die von sich nichts erwarten können, alles von Gott erwarten müssen; wenn er den Zöllner vor den Pharisäer stellt, die umkehrenden Gottlosen vor die Frommen; wenn er wie ein Arzt zu den Kranken geht, der »Freund der Sünder«, denn so ist es Gottes Art.“[11]
Dies war die Erwartung des Gottesvolkes Israel: Messiaszeit ist Vergebungszeit; die Verkündigung des Täufers, des Wegbereiters des Messias, nahm dies Erwarten auf, und die zur "Umkehr " Bereiten verstanden ihn.[12] Die Heilungen sind Anzeichen dafür, dass der eine erschienen ist, der mit Gottes Vollmacht, endgültig und gewiss, die Sünde vergibt. [13]
2.5  Stellvertretender Glaube
Aufschlussreich ist die Bemerkung des Evangelisten: "Als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!"[14] Die Tat der Träger ist ihre wortlose Bitte und Willensäußerung. Es ist also der stellvertretende Glaube der Träger des Gelähmten, der Jesus zum Kranken vergebend und heilend sprechen lässt.
2.6  Die Sendung in ein neues Leben
Den an Leib und Seele Geheilten entlässt Jesus in ein neues Leben, das Gottes Heilshandeln durch Jesus verkündet. Die Vollmacht Jesu, den durch die Sünde geschädigten Menschen ganzheitlich wiederherzustellen, wird am Ende des Evangeliums auf zweifache Weise bestätigt.
Der Geheilte kann sogar Lasten tragen; er nimmt sein Krankenbett unter den Arm und geht ohne fremde Hilfe. Und die Augenzeugen „priesen Gott“ – Das ist der Höhepunkt der bisherigen Offenbarung Jesu bei Mk. Allerdings haben auch seine Gegner sich bereits positioniert.
3 Kein Faschingsscherz, aber Grund zur Freude
Nur vier Wochen war Albino Luciani als Johannes Paul I Papst. Ich erinnere mich bis heute an seinen Charme und sein Lächeln.
3.1 Dieser Papst hält der Kirche und jedem einzelnen von uns einen Spiegel vor
 Sind der mangelnde Charme und das fehlende Lächeln in unserem Alltag und in der Kirche letzten Endes Ausdruck einer massiven Glaubensschwäche? In einem seiner fiktiven Briefe an berühmte Persönlichkeiten der Geschichte, schreibt er zuerst lobend dann tadelnd an den französischen Schriftsteller Charles Peguy:
"Deine Begeisterung, Deine Leidenschaft, die Menschen aufzurütteln und zu führen, haben mir immer gefallen; etwas weniger einige Deiner literarischen Erzeugnisse, die bald bitter ironisch, bald übertrieben feurig gegen die irrenden Menschen Deiner Zeit kämpfen."[15]
3.2 Mit freundlichen Worten führt Albino Luciani den Schriftsteller Peguy auf den Weg der Barmherzigkeit:
"Lieber Peguy, Du weißt, das richtige Warten stützt sich auf die Güte Gottes, die vor allem in der Haltung Jesu zum Ausdruck kommt, der im Evangelium "Freund der Sünder" genannt wird.
Die Dimension dieser Freundschaft ist bekannt: Bei Verlust eines Schafes macht sich der Herr auf die Suche, bis er es findet. Hat er es gefunden, legt er es sich vor Freude über die Schultern, bringt es nach Hause zurück und sagt zu allen: "Im Himmel wird mehr Freude sein über einen einzigen Sünder, der seine Fehler bereut, als über neunundneunzig Gerechte, die der Umkehr nicht bedürfen."
Die Samariterin, die Ehebrecherin, Zachäus, der Schächer zu seiner Rechten am Kreuz, der Gelähmte und auch wir werden von ihm gesucht, wiedergefunden und genauso behandelt. Auch das ruft Verwunderung hervor.
Nicht Verurteilung, sondern Barmherzigkeit ist die Art Gottes, die uns in Jesus entgegentritt. Heil und Gesundheit des ganzen Menschen liegen ihm am Herzen.
Das ist kein Faschingsscherz, sondern Wirklichkeit, die froh macht.

[1] Homilie zu Mk 2,1-12 gehalten in Rödlas »Regina Pacis«
[2] Mk 2,4
[3] Mk 2,7
[4] Mk 2,10-11
[5] Mk 1,34
[6] Ps 103,3
[7] vgl.Dominicas Trojahn, Der Antichrist - Legende oder Wirklichkeit? S. 49 - 52 Sankt Ulrich Verlag 2010
[8] Mt 11,5
[9] Mal 3,1; Lk 1,68.76
[10] Schlatter
[11] Das NT Deutsch, Das Evangelim nach Markus, Julius Schniewind S.59
[12] ebd. S.61
[13] ebd. S.61
[14] Mk 2,5
[15] Albino Luciani, Briefe an Persönlichkeiten  S.29-31, Verlag Neues Stadt 1997