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Lesejahr 2012 (B)

Homilie zuGen 22,1-18 am 2. Fastensonntag im Altenheim und in St. Michael Neunkirchen/Br.

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Macht das Hören auf Gott unmenschlich?

1. Macht Religion unmenschlich?
  • Es gibt Menschen, die allen Ernstes behaupten: Religiosität, die Bindung an Gott, das Hören auf ihn, mache unmenschlich. Man verweist dabei auf Kriege, die im Namen der Religion geführt wurden. Auf die Inquisition des Mittelalters oder die Vertreibung und Ausrottung Andersgläubiger im Lauf der Kirchengeschichte.
1.2 Verlangt Gott unmenschliches Verhalten?
  • Die Lesung aus dem Buch Genesis kann bei oberflächlichem Hinhören missverstanden werden.
  • Gott verlangt von Abraham, ihm seinen einzigen Sohn zu opfern. Dieser ist keineswegs ein unerwünschtes Kind, sondern ein langersehntes, Abrahams ganze Zukunft. Und Abraham ist zu diesem Opfer bereit. Grausam! So empfinden wir dies.
  • Es gibt viele Beispiele dafür, wie religiöse Menschen aus allen Religionen große Grausamkeiten begingen und begehen, und sich dabei auf Gott beriefen und berufen.
  • Denken wir nur an die islamischen Selbstmordattentäter. Von solchen Verirrungen berichtet die Bibel, sie begegnen uns auch in der Geschichte des Volkes Israel, der Christen und der Muslime.
  • Papst Johannes Paul II. hat im Jubeljahr 2000 öffentlich vor der ganzen Welt Gott um Vergebung gebeten für alle Verbrechen, Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten, die von Menschen der Kirche begangen wurden. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Religionen.
1.2  Schauen wir auf Abraham
  • Er ist ganz auf Gott hin orientiert und so offen für eine neue Zukunft. Auf Gottes Geheiß verlässt er seine Heimat, gibt er den Schutz auf, den ihm die Großfamilie bietet. Er zieht in das Land, das Gott ihm zeigen wird.
  • Dort in Kanaan erlebt er, dass man der Gottheit Menschen opfert. Sei es aus Dankbarkeit, sei es aus Angst, die Erstlingsgabe wird der Gottheit zurückgegeben, auch die erstgeborenen Kinder.
  • Abraham, ganz offen für Gott, ist voller schaudernder Bewunderung über so viel Hingabe und Opferbereitschaft. Er fühlt sich von Gott angesprochen: »Bist du bereit, mir alles zu geben, dein Liebstes, deine ganze Zukunft?«
  • Der Text aus der Bibel qualifiziert diesen Vorgang so: "Gott stellte Abraham auf die Probe." Wie jeder Mensch ist er von Gott gefragt, "bin ich, ist mein Wille für dich das Wichtigste oder sind es Menschen und geschaffene Dinge? Erwartest du deine Zukunft von mir oder von deinen Nachkommen"?
2. Echte und falscher Religiosität

Die Abrahamsgeschichte zeigt den

2.1 Unterschied zwischen echter und falscher
      fehlgeleiteter Religiosität

  • Abraham ist ganz offen für Gott und ganz hörbereit für ihn. Er ist bereit all seine von der Umwelt geprägten Vorstellungen und Lebensentwürfe umwerfen zu lassen.
  • Deshalb kann ihn Gott im entscheidenden Moment durch seinen Engel ansprechen indem er ihn bei seinem Namen ruft: "Abraham, Abraham!" Und Abraham antwortet: "Hier bin ich". Und der Engel spricht: "Streck deine Hand nicht nach dem Knaben aus. Denn jetzt weiß ich, dass du Gott fürchtest; du hast mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten."[1]
  • Als ganz und gar Hörbereiter kann ihn Gott ansprechen und ihm zeigen, dass ihm zwar alles gehört und er auf alles Anspruch hat, dass der Mensch aber bei seinem Gehorsam und bei seiner Hingabe an Gott nicht unmenschlich werden darf.
  • Das Ende der Geschichte zeigt: Gott will von denen, die ihm ganz gehören und gehorchen keine Menschenopfer, kein unmenschliches, grausames Verhalten.
  • Eine Religiosität, die grausam und unmenschlich wird, ist immer eine falsche, irregeleitete.
  • Echte Bindung an Gott, macht menschlich. Jesus ist dafür der Garant Gottes.
  • Niedrige Instinkte können unter der Maske der Religion sich zu verheerender Unmenschlichkeit auswachsen.
2.2 Dieser Gefahr sind aber auch Menschen ausgesetzt,
      die ungläubig sind oder jede Religion ablehnen.

  • Schnell können an die Stelle Gottes Götzen treten, denen alles geopfert wird.
  • Gottlose Ideologien wie der Nationalsozialismus mit seinem Rassenwahn und der Kommunismus mit seinem Gleichheitswahn, haben im vergangen Jahrhundert Millionen von Menschenopfern gekostet. Noch heute wird Stalin in Russland von vielen verehrt, weil er Russland zur Weltmacht geführt hat. Heute ist es der Götze Geld, durch den Macht ausgeübt und dem alles geopfert wird.
2.3 Macht kann zum Götzen werden, der über Leichen geht
  • Es sind nicht nur die großen, sondern auch die kleinen Machthaber und Machthaberinnen, die oft mitten unter uns ihr Unwesen treiben.
  • Romano Guardini beklagte 1952 nach einem halben Jahrhundert des Machtmissbrauchs durch die Diktaturen in seinem Buch »Die Macht«: „Es gibt keine richtig durchdachte und wirksam geprägte Ethik des Machtgebrauchs, noch weniger eine Erziehung dazu..“[2]
  • Jede Macht braucht eine unabhängige und wirksame Kontrolle. Dies gilt für Politik und Wirtschaft, für den Bereich der Banken und der Medien, für die weltlichen und kirchlichen Einrichtungen, für politische und kirchliche Gemeinde. Jeder muss diese Kontrolle bei sich zulassen und sich ihr stellen.
Guardini fordert daher ein

2.4 Denken und Urteilen aus Verantwortung[3]
  • Er erinnert daran „dass ohne Askese nie etwas Großes geworden ist.“
  • Wie viel Glück und Lebensqualität wird beim egoistischen Streben nach Selbstverwirklichung nach Unabhängigkeit und Freiheit zerstört? Zerstörte Ehen und Familien, zerstörte Schöpfung sind die Folgen. Alle missbrauchte Macht im Großen wie im Kleinen verlangt ihre unmenschlichen Opfer. Ganz besonders schlimm ist es, wenn dies »im Namen Gottes« geschieht.
  • Deshalb forderte Guardini 7 Jahre nach Kriegsende Askese. Dieses aus den Griechischen kommende Wort bedeutet, sich aus religiösen oder politischen Gründen einüben »in die Disziplinierung sowohl hinsichtlich des Denkens und Wollens als auch hinsichtlich des Verhaltens.«[4]
  • Was Guardini 1952 schrieb ist aktueller denn je: „Askese bedeutet, dass der Mensch sich selbst in die Hand bekomme. Dazu muss er das Unrecht im eigenen Innern erkennen und es wirksam angreifen. ...Er muss seine physischen wie geistigen Triebe ordnen was ohne Selbstüberwindung nicht möglich ist. ...Er muss sich erziehen, seine Habe in Freiheit zu besitzen und das Geringere um des Höheren willen zu opfern. ...Er muss um die Freiheit und Gesundheit seines Inneren kämpfen: gegen die Maschinerie der Reklame, gegen die Flut der Sensationen, gegen den Lärm in allen Formen, wie sie von allen Seiten her auf ihn eindringen.“
2.4 Es geht um Freiheit oder Versklavung
  • Guardini hat aus der bitteren Erfahrung der Propagandamaschinerie des Nationalsozialismus erkannt, welche Gegenkräfte der Mensch entwickeln muss, um seine Freiheit vor jeder Versklavung zu schützen.
  • Deshalb fährt er fort: „Er muss sich zur Distanz erziehen. Zur Unabhängigkeit des Urteils; Zum Widerstand gegen das, was »man« sagt. Straße, Verkehr, Zeitung, Rundfunk, Kino – wir fügen heute hinzu Fernsehen und Internet - stellen Aufgaben der Selbsterziehung, ... ja der elementarsten Selbstverteidigung, die weithin nicht einmal geahnt, geschweige denn klar gestellt und in Angriff genommen sind. ... überall kapituliert der Mensch vor den Mächten der Barbarei - Askese bedeutet, daß er nicht kapituliere, sondern kämpfe, und zwar an der entscheidenden Stelle, nämlich gegen sich selbst-... Dass er durch Selbstzucht und Selbstüberwindung von innen heraus wachse, damit das Leben in Ehren stehe und seinem Sinn gemäß fruchtbar werde.“[5]
3. Gott selber weist uns den Weg zu wahrer
    Menschlichkeit und gutem Gebrauch der Macht


Jesus nennt Abraham "den Vater des Glaubens".

3.1 Juden, Christen und Muslime berufen sich auf Abraham.
  • Allein das schon sollte alle drei Weltreligionen veranlassen, sich nicht als feindliche Geschwister zu begegnen, sondern als Freunde. Das wird aber erst möglich, wenn auch der Islam toleranter wird.
  • Bei uns, ja sogar in Rom baut der Islam mit Geldern aus Saudi Arabien prächtige Moscheen. Er würde das nie in Ländern zulassen, wo sein Gesetz gilt, schon gar nicht in Mekka. Nach Saudi Arabien dürfen sie nicht einmal eine Bibel mitnehmen. In etlichen islamischen Staaten steht heute noch auf die Konversion vom Islam zum Christentum oder anderen Religionen die Todesstrafe.
  • Mit welchem Recht nennt der Koran, dessen endgültige Fassung etwa 900 Jahre nach Christus zustande kam, die Juden und Christen „die Schriftverfälscher“?
  • Im heutigen Evangelium von der Verklärung Christi offenbart der Vater im Himmel uns Jesus "Dies ist mein geliebter Sohn auf ihn sollt ihr hören."
3.2 Gott beglaubigt Jesus "als seinen geliebten Sohn".
  • In Jesus ist also das wahre Wesen Gottes, seine Liebe gegenwärtig. An ihm können wir im Original ablesen wie der ganz auf Gott ausgerichtete Mensch denkt, redet und handelt. Er sagt von sich am Jakobsbrunnen zu den Jüngern "Meine Speise ist es den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen."[6]
  • Die ganze Person Jesu, sein Leben, Reden und Handeln ist menschgewordenes Wort Gottes. Gott will von uns nicht Opfer, er opfert sich in Jesus für uns. "Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle hingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken."[7]
  • Jesu Gottesbeziehung geht nie auf Kosten anderer, sondern er heilt, vergibt, nimmt an und nimmt auf, verschenkt sich bis zuletzt. Er gibt sich hin an die wahre Wirklichkeit Gottes, die Liebe und Erbarmen für alle ist. So wird an der Person Jesu alle falsche Religiosität entlarvt.
3.3 Alle müssen umdenken und umkehren
  • Der Islam nennt Gott den ALLERBARMER. Würde er diesen Namen Gottes ernst nehmen, müsste er sein vielfach aggressives Verhalten ablegen.
  • Aber wir Christen haben vor der eigenen Tür zu kehren. Am 1. Fastensonntag 2000 hat Papst Johannes Paul II. im Petersdom in Rom beim Schuldbekenntnis über die Verfehlungen gegen den Frieden bekannt "Doch oft haben die Christen das Evangelium verleugnet und der Logik der Gewalt nachgegeben."
  • Dabei haben gerade wir Christen in der Person Jesu das Maß echter Menschlichkeit vor Augen. Wie er dürfen wir uns herschenken, opfern für andere. Das macht die wahre Größe des Menschen aus.
  • Viele Christen haben in den 2000 Jahren Christentum für die in Jesus Christus erschienene Wahrheit Gottes ihr Leben hingegeben bis herauf in unsere Tage. Ja im 20. Jahrhundert haben mehr Christen das Martyrium erlitten als je zuvor.
  • Viele Christen setzten und setzen im Dienst an den Armen und Kranken bis heute ihr Leben ein. Sie weichen dem Kreuz nicht aus, wie auch Jesus dem Kreuz nicht ausgewichen ist.
  • Jesus wusste, was ihm in Jerusalem blüht. Auf dem Weg dorthin nahm er drei seiner engsten Freunde mit auf den Berg der Verklärung. Sie sollten gestärkt werden für die schweren Tage, die ihn und sie in Jerusalem erwarteten: Seine Liebe, die bis zum letzten Atemzug und Blutstropfen geht und seinen gewaltsamen Tod. Was sie auf dem Berg der Verklärung erlebten, werden sie an Ostern nach der Auferstehung Jesu neu begreifen.
  • Noch rätseln sie, was das heißt "von den Toten auferstehen". Darüber rätseln auch heute viele Menschen, auch viele Christen. Auferstehung wird Verwandlung sein, so wie Jesus auf dem Berg vor den Augen seiner drei Jünger verwandelt wird. Auferstehung wird lichte Reinheit und Schönheit, von der Herrlichkeit Gottes ganz durchdrungene Existenz sein. Wie Jesus bis zum letzten Atemzug lieben kann nur wer an die Auferstehung glaubt.

[1] Gen 22.11f.
[2] Romano Guardini, Die Macht, Werkbund Verlag 1952
[3] ebd. S. 126
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Askese
[5] ebd. S.126 f.
[6] Joh 4,34
[7] Röm 8,32