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2010 (A)

Homilie in der Christmette in Rödlas und im Hirtenamt in Neunkirchen

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Pfarrer Dennert singt das Weihnachtsevangelium - Daniela und Tobias Dummert versehen den Dienst am Atlar
Pfarrer Dennert singt das Weihnachtsevangelium - Daniela und Tobias Dummert versehen den Dienst am Atlar
Die Menschwerdung Gottes und der Friede


1 Voller Erwartung

Fast vier Wochen dauerte in diesem Jahr der Advent. Ich fand es angenehm, vom 4. Advent noch 5 Tage bis zum Heiligen Abend Zeit zu haben. Aber wofür? Weihnachtspost zu erledigen, Geschenke zu besorgen? Für die Feiertage einzukaufen? Das natürlich auch.

Doch die Adventszeit wollte in uns die Hoffnung erneuern. Hoffnung worauf? Dass es ein harmonisches Fest wird? Wir dem Weihnachtsteufel keine Chance geben, auf dem Glatteis unserer Empfindlichkeiten den Halt verlierend auszurutschen?

Advent - die Zeit der Erwartung will mehr. "In ihr wird unser sehnliches Verlangen offengelegt und vertieft: die Sehnsucht nach endgültiger Geborgenheit, zu der sich jeder Mensch mit seinem ganzen Sein - Leib, Seele und Geist - hingezogen fühlt, den Durst nach Liebe, der vom Säugling bis zum Greis in jedem Menschen brennt, und den selbst größte menschliche Nähe nicht ganz stillen kann." (Frére Alois)[1]
  • Es ist gut und schön, wenn wir an diesem Fest dies in unseren Familie und menschlichen Beziehungen erfahren dürfen; aber es gibt viele Menschen, die voller Angst auf dieses Fest zugegangen sind, weil sie sich einsam fühlen oder eine bergende Beziehung fehlt. Es geht ihnen wie Maria und Josef, die in einem Stall bei den Tieren Herberge suchen, weil bei den Menschen kein Platz für sie war.
  • Was in dieser Erwartung oft als Mangel oder niederdrückende Leere erfahren wird, ist kein Gebrechen, sondern gehört zum Menschsein. Diese scheinbare Leere, dieser uns bedrängende Mangel bewegt uns dazu, uns zu öffnen und unser ganzes Sein auf Gott auszurichten. "Herr, du hast mich ins Leben gerufen. Fülle meine Leere mit deiner Gegenwart." So betend werden wir das Wehen des Heiligen Geistes verspüren. Er flüstert uns zuinnerst zu: "Du bist von jeher geliebt; und selbst die größten Enttäuschungen und schlimmsten Anfechtungen können diese Liebe nicht auslöschen."
  • "Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten."[2] Alle dürfen und sollen sich angesprochen fühlen von der unbedingten Liebe Gottes, die in Jesus Mensch geworden ist. Diese Liebe hat erzieherische Kraft. Sie zieht den unter seiner Gottlosigkeit und Begierden leidenden Menschen weg von dem, was ihm den Sinn des Lebens und seine Würde raubt.[3] Paulus erinnert die Christen in Rom an die von heidnischer Lebensart befreiende Liebe Gottes. Er fragt sie: "Verachtest du etwa den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass Gottes Güte dich zur Umkehr treibt?"[4]

2 Weihnachten - ein Fest des Friedens?

  • In Taizé wurden Jugendliche gefragt, welche Stichwörter ihnen zu Weihnachten einfallen. Fast alle nannten zuerst das Wort "Frieden". Selbst Jugendliche, die vorher kaum mit dem christlichen Glauben vertraut gemacht wurden, meinten schon das Schriftwort gehört zu haben: "Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen, die er liebt!"[5]

2.1 Frieden auf Erden, ist das nicht eine Utopie?

Sie kennen die zynischen Worte: »Willst du den Frieden, so rüste dich für den Krieg!« "Aber Nachgiebigkeit, die um des lieben Friedens willen jeden Preis zu zahlen bereit ist, lockt die Wölfe an und handelt statt des Friedens die Totenstille des Friedhofes ein!"[6] Alle reden von Frieden, aber jeder versteht darunter etwas anderes.

2.2 Was meint dieses Sehnsuchtswort Frieden wirklich?
  •  Der große Kirchenvater Augustinus hat es prägnant so formuliert: "Der Frieden ist ausgewogene Ordnung." Der Friede um jeden Preis zerstört die Ordnung. Die Pax Romana - der durch militärische Macht erzwungene Frieden der damaligen Weltmacht Rom war ein Scheinfriede.
  • Der bei der Geburt Jesu von Roms Gnaden in Palästina regierende König Herodes war ein brutaler Machtmensch. Wer immer seinen Argwohn erregte, war des Lebens nicht mehr sicher. Flavius Josephus schildert den blutigen Weg dieses Emporkömmlings. Er ließ seine Widersacher köpfen. Er verfügte über ein Heer von Spitzeln und dezimierte die Elite des Volkes. Er tötete seine Frau Mariamne und seine Söhne Alexander und Aristobul. –
  • Dieser Mann ließ kein Idyll aufkommen um das Kind Jesus, nachdem ihm zu Ohren gekommen war, dass über das Neugeborene sonderbare Voraussagen zirkulierten. Jesus wurde in alles andere nur nicht in friedliche Umgebung hineingeboren.
  • 730 Jahre vor seiner Geburt verkündet der Prophet Jesaja dem verwüsteten Land, einem verängstigten Volk eine Zukunft an, in der es Gerechtigkeit, Frieden und Freude gibt. Jetzt schon leuchtet ein Licht in die Finsternis herein: die Geburt des königlichen Kindes, des Retters. Übergroße Namen und Eigenschaften werden ihm zugesprochen; der Blick weitet sich: in dem neugeborenen Kind liegt die Hoffnung der Menschheit beschlossen.

2.3 Frieden auf Erden durch die Menschwerdung Gottes in Jesus

  • Bei der Geburt Jesu verkündet der Himmel der Erde jene „überaus große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll."[7] Den unter Terror und Krieg leidenden Menschen, den unter Verfolgung stöhnenden Christen in vielen Ländern der Erde, den kranken und einsamen Menschen damals wie heute gilt diese gute Nachricht: "Heute ist euch der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr." Der Messias Gottes kommt als "Kind, in Windeln gewickelt, in einer Futterkrippe liegend." Der Kleinste, Ärmste und Erniedrigte ist der Herr. In ihm ist Gott verherrlicht. Zeigt Gott seine Größe, seine Gnade, seine liebende Nähe.
  • Ein Jahr vor der Revolution der 68er sagte in Köln der Dominikanerpater Rochus Spiecker in einer Predigt: "Der Frieden ist kein »Zustand«, der in sich selbst ausreichende Sicherheit böte, sofern nur eine bestimmte Methode angewandt oder ein gewisser, allgemeiner Wohlstand geschickt verwaltet wird! Der Frieden ist, wenn er dauern soll, eine beständige Leistung des Herzens."
  • Angesichts der Menschwerdung Gottes in Jesus ruft uns der heilige Augustinus zu: "Erwache, o Mensch; denn für dich ist Gott Mensch geworden!“[8]
  • Wir beklagen den Geburtenrückgang und die damit verbundene Überalterung unseres Volkes. Wir sollten darüber klagen, dass jährlich über 200 000 abgetriebenen Kindern der Zugang zum Leben und die Chance der Gotteskindschaft verwehrt wird.
  • Die Menschwerdung Gottes zeigt uns, gerade im Kleinsten und Wehrlosesten will Gott bei uns sein und verherrlicht werden. Doch Herodes wütet auch bei uns. Als Christen dürfen wir solche Praktiken nicht schweigend hinnehmen.

2.4 Das Geschenk des Friedens

  • Der Friede wird dort geschenkt, wo Menschen trotz Verleumdung und Bedrängnis mutig betend dem Unrechtssystem Widerstand leisten. Der Zusammenbruch des kommunistischen Gewaltsystems 1989 und die friedliche Widervereinigung Deutschlands waren die Frucht ausdauernden Gebetes um den Frieden und des Mutes unter Lebensgefahr friedlich und gewaltlos zu demonstrieren.
  • Augustinus nennt dies die »kluge, wohlgeordnete Eintracht«. Wer in der Menschwerdung Gottes verankert in sich fest steht, wird zu unterscheiden wissen, wo Anpassung und wo Widerstand geboten ist. Er wird auch ermessen können, welcher Preis mit der Würde des Menschen vereinbar ist und an welcher Grenze das Unveräußerliche beginnt, das keine Nachgiebigkeit mehr gestattet. Auch nicht um des »lieben Friedens willen«.
  • "Verherrlicht ist Gott in der Höhe", wenn wir uns wie die Hirten aufmachen und in einem kleinen hilflosen Kind das Licht der Welt und das Heil für unser Leben entdecken. Wir sind in seinem Wohlgefallen, in der Gnade Gottes, in seiner Liebe, wenn wir uns an Jesus halten, in dem Gott Mensch geworden ist.
  • Lassen wir unser Herz von ihm bilden. Entdecken wir neu die Würde des werdenden Lebens vom Augenblick der Empfängnis an. Der weihnachtlich lebende Mensch hält sich an Jesus. Versucht das Leben und die Welt mit den Augen und dem Herzen Jesu zu sehen und zu verstehen.
  • Gottes Geschenk der Rettung kommt meist nicht groß daher, sondern in kleinen Zeichen und Erlebnissen - dafür stetig und in reichem Maß.
  • Jesus kennt keinen »Frieden«, der die Überzeugung entmannt und gefügig macht. Wie ein Bogen aber, wie eine Brücke, die zwischen den scheinbar widersprüchlichen Aussagen vermittelt, wirkt jenes Jesuswort, das uns Johannes überliefert hat: »Meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt ihn gibt! Euer Herz soll nicht verzagen!«
  • Der Philosoph Sartre verstand sich als der große Auslöscher Gottes aus den Herzen der Menschen. Er hatte intuitiv die Bedeutung von Weihnachten begriffen: Wir Menschen können Gott vielleicht achten, aber wir könnten ihn niemals lieben, wenn unser Ureigenstes - unser Leib, unser Leben, unsere Liebe, unsere Hoffnung - für den Orkus (Untergang) bestimmt wäre, wenn jeder Einzelne von uns eine letztlich nutz- und sinnlose Veranstaltung eines ebenso nutz- und sinnlos sich reproduzierenden Universums wäre.
  • Ja, ohne Gott verfällt der Mensch der Sinnlosigkeit, verliert er seine Würde, ist er ohne Zukunft.

3 Jesus Christus ist unser Friede

  • Die heilige Hildegard von Bingen steht für den an den Gott und Vater Jesus Christi glaubenden Menschen. Sie sagt uns: „In der Menschwerdung hat Gott sein tiefstes Geheimnis offenkundig gemacht. Gott ward Mensch und machte den Menschen zu seinem Tempel. Gottes Sohn ward Mensch, damit der Mensch seine Heimat habe in Gott.“
  • Ja, Weihnachten - Die Menschwerdung Gottes ist eine Ermutigung für alle, die sich nach dem Frieden des Herzens sehnen. Dieser Friede kehrt bei uns ein, weil in Jesus Christus Gott vom ersten Augenblick unseres Daseins an gezeugt im Leib unserer Mutter mit uns ist.
Er geht mit uns durch dieses Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Er trägt mit uns das Kreuz des Lebens, das was wir nicht ändern können. Er geht mit uns durch den Tod hindurch zur Auferstehung von den Toten. Er gibt uns Anteil an der Fülle des Lebens beim Vater. Diese vom christlichen Glauben gewirkte Einsicht schenkt uns den Frieden den die Welt nicht geben kann. Jesus Christus, in dem Gott Mensch wurde, ist unser Friede.[9]

 

[1] Frére Alois in Anzeiger für die Seelsorge 12/2010 Vertrauen auf Erden ist der Anfang des Friedens
[2] Tit 2,11
[3] Tit 2,12
[4] Röm 2,14
[5] Lk 2,14
[6] Rochus Spiecker, die wachsamen Kreise des Adlers S. 204-209
[7] Lk 2,10f.
[8] Augustinus, Reden, 185
[9] Eph 2,14

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