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Lesejahr 2011 (A)

Homilie am 16.Sonntag in St. Johannes Großenbuch

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Langmut Gottes und Menschenfreundlichkeit

1 Die Langmut Gottes als Problem
  •   Die Langmut Gottes ist nicht erst ein Problem seit dem Holocaust der Nazis, den Menschen vernichtenden Gulags Stalins und der Kulturrevolution Maos in China.
  •   Die Langmut Gottes war schon ein Problem für die in der Diaspora Ägyptens im 1. Jahrhundert vor Christus lebenden Juden, die unter einer heidnischen sich als überlegen gebärdenden Kultur lebten und unter Verfolgung und Benachteiligung litten.
  •   Wenn es um uns selber geht, um unser Versagen und unsere Sünden, sind wir ganz froh, dass Gott langmütig, erbarmend und vergebend zu uns ist.
  •   Wenn es aber um die anderen geht, die uns ungerecht behandeln, die Lebensfreude rauben, uns das Leben schwer machen, uns überlegen und hinterlistig gegenübertreten oder gar schlimme unmenschliche Verbrechen begehen, dann schmeckt uns die Langmut Gottes gar nicht. Da wünschten wir uns, dass Gott dreinschlüge, die Übeltäter auf der Stelle bestraft oder - wie ein Frommer in Israel im Psalm 104 betet - dafür sorgt, dass  "die Sünder von der Erde verschwinden und keine Frevler mehr da sind."[1]
2 Die Langmut Gottes gegenüber Israel
  • Der Verfasser des Weisheitsbuches weist daher die in Ägypten lebenden Juden eindringlich auf die Langmut Gottes hin, die Jahwe seinem Volk immer wieder gezeigt und durch die Propheten verkündet hat.
  • Diese Erfahrung Israels ist im Antwortgesang nach der Lesung aus dem Psalm 86 angeklungen "Du Herr bist ein barmherziger und gnädiger Gott, du bist langmütig, reich an Huld und Treue."
  • Der Psalm 89 spricht von der Untreue der Nachkommen Davids. Gott nimmt das nicht einfach hin. Ihre Untreue hat schlimme Folgen für sie. Der Herr spricht „Wenn sie meine Weisung verlassen, nicht mehr leben nach meiner Ordnung, wenn sie meine Gesetze entweihen, meine Gebote nicht mehr halten, dann werde ich ihr Vergehen mit der Rute strafen und ihre Sünde mit Schlägen.“[2] Aber im gleichen Atemzug versichert Gott seine Treue: „Doch ich entziehe ihm nicht meine Huld, breche ihm nicht die Treue.“[3]

 

3 Die Langmut Gottes gegenüber allen
  • Im Buche der Weisheit wird die Langmut Gottes nicht mehr auf das Bundesvolk beschränkt. Sie wird auf alle Menschen ausgedehnt.
  • Da aber die Menschen außerhalb des Bundesvolkes nicht im Bundesverhältnis stehen, werden sie im Verhältnis des Geschöpfes zum Schöpfer betrachtet; denn auch die Schöpfung begründet ein Gemeinschaftsverhältnis Gott und Mensch. Durch die Schöpfung gehört Gott die Weltherrschaft, die nie aufhören kann. Sie ist auch das Unterpfand der Fürsorge Gottes für alle Menschen: »Denn es gibt keinen Gott außer dir, der für alles Sorge trägt«[4].
  • Auf Grund dieses Gemeinschaft begründenden Verhältnisses kann der Verfasser des Buches der Weisheit die Langmut Gottes auch auf alle Menschen erweitern: »Deine Herrschaft über alles lässt dich gegen alles Nachsicht üben«.

 

4 Die Stärke Gottes
  • Gottes Langmut und Liebe ist keine Schwäche, sondern seine Stärke. Wir Menschen meinen immer, Stärke zeige sich im Durchsetzungsvermögen und im Siegen - koste es noch so viele Opfer.
  •  Die Geschichtsschreiber nennen den Mazedonier Alexander den Großen, weil er sein Reich bis nach Indien ausdehnte. Wer aber denkt an die Opfer? Gott gedenkt ihrer. Wenn Gott die Ernte einbringt, dann wird es offenbar werden, was im Leben der Kirche und im Leben der Völker, was in unserem eigenen Leben Weizen und was Unkraut war.

 

5 Auf die Ernte hin leben
  •   Am Schluss der Lesung wird uns der Weg gewiesen wohin uns die allen geltende Milde und Nachsicht Gottes führen soll "Durch solches Handeln hast du dein Volk gelehrt, dass der Gerechte menschenfreundlich sein muss, und hast deinen Söhnen die Hoffnung geschenkt, dass du den Sündern die Umkehr gewährst."[5]
  •   Die Lehre, die der Verfasser aus dem Verhalten Gottes gegenüber den Menschen zieht, verlangt also vom Gerechten, bzw. vom Juden und erst recht vom Christen, dass er menschenfreundlich sei, bis hin zu dem Gebot Jesu, auch die Feinde zu lieben.
  •    Diese jede menschliche Erfahrung übersteigende Menschenfreundlichkeit Gottes werde ich nur dann bejahen können, wenn ich mich vom Freund-Feinddenken verabschiede. Wenn ich aufhöre, die anderen als Unkraut und mich als Weizen, die anderen als die Bösen und uns als die Guten zu sehen.
  • „Wir sind die Terroristen,“ so hat ein Engländer nach einem Anschlag in London in der FAZ geschrieben. Er weist darauf hin, dass die Völker des Westens von vielen Menschen in anderen Teilen der Welt, besonders des Islam, so gesehen werden. Die furchtbaren Terroranschläge zeigen wohin dieses Freund-Feinddenken führt.
  •   Auf die Ernte Gottes hin leben, bedeutet für mich: Ich werde mich und jeder wird sich als Acker Gottes verstehen, auf dem mitten im Weizen auch Unkraut wächst. Und das wird trotz allem Bemühen zum Guten bis an ans Ende so bleiben. Ich bin also auch auf die Langmut Gottes angewiesen, wie jeder andere auch.
  • Ich vertraue darauf, dass er allein bei der Ernte unterscheiden kann, was in mir Weizen und was Unkraut ist. Auch ich - wie jeder von uns - werden auch dann ganz auf seine Liebe und sein Erbarmen angewiesen sein.
  • Weil ich zu Jesus gehöre und bis zum letzten Atemzug zu ihm gehören möchte, darf ich darauf hoffen, dass Gott in mir ein paar Stellen entdeckt, wo ich diesem geliebten Sohn Gottes ein bisschen gleichgestaltet, also Weizen bin.
Ich hoffe darauf und bete darum, dass er dann um Jesu willen durch das Feuer seiner Liebe alles aus mir herausbrennt und verbrennt, was Unkraut in mir ist. Damit ich ihn schauen kann, wie er ist[6]: mehr als väterliches Erbarmen und mütterliche Liebe, grenzenlose Fülle der Liebe, mir und allen Erlösten ganz persönlich zugewendet.


[1] Ps 104,35
[2] Ps 89,31-33
[3] Ps 89,34
[4] Weish 12,13
[5] Weish 12,19
[6] 1 Joh 3,2