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Lesejahr 2011 (A)

Homilie zu Matth 26,57-68

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Der Tod Jesu ist beschlossene Sache[1]
1. Wo der Hahn kräht.

  •  Bei unserer Pilgerreise im Februar dieses Jahres mit dem »Deutschen Verein für das Heilige Land« verbrachten wir allein sechs Tage in Jerusalem. Am Morgen des ersten Tages gingen wir an der westlichen Stadtmauer entlang nach St. Petro in Gallicantu. Hier befand sich einst der Palast des Hohenpriesters Kaiaphas mit einem herrlichen Blick zum Ölberg und zur Altstadt mit dem islamischen Felsendom. Hier stand einst der Tempel der Juden.
  • Umfangreiche Ausgrabungen haben bis in die Tiefe alles freigelegt. In zwei Kirchen des Obergeschosses feierten gerade Christen aus aller Welt die heilige Messe. Von dort stiegen wir hinunter in die mehrere Stockwerke umfassenden aus dem Felsen herausgehauenen Kellerräume, Kerker und einer Zisterne.
  • Nach seiner Gefangennahme brachte man Jesus von Gethsemani durch das Kidrontal und die Davidsstadt auf steilem Weg zum Palast des Hohenpriesters Kajaphas. Wir sehen die freigelegten Treppenstufen von damals.
  • Aus der Matthäus Fassung der Passion greife ich deshalb das Verhör durch Kajaphas mit dem Todesurteil heraus. "Nach der Verhaftung führte man Jesus zum Hohenpriester Kaiaphas bei dem sich die Schriftgelehrten und die Ältesten versammelt hatten."[2]
  • Der Ort wo dies geschah, trägt den Namen »St.Petro in Gallicantu«, zu deutsch »St.Peter im Hahnenschrei«. Es ist eine der Stätten, wo man der Passion Jesu ganz nahe ist.
  • Petrus ist dem verhafteten Jesus gefolgt. Es gelingt ihm, in das Innere des hohenpriesterlichen Palastes zu kommen. Er gesellt sich zu den Dienern, die Jesus verhaftet hatten. Dem Evangelisten ist es wichtig, Petrus als Zeuge des Geschehens, aber auch seines Verrats darzustellen. Diese Nachfolge »von weitem« könnte eine Anspielung sein auf ein hebräisches Targum: „Meine Freunde und meine Nachbarn meiden mich, meine Gefährten stehen von weitem.“ Wir spüren: Es ist einsam geworden um Jesus.

2.  Was sind die Gründe für das bevorstehende Todesurteil?
2.1 Die Tempelfrage

  • Für das oberste geistliche Gericht der Juden ist es wichtig, den längst beschlossenen Tod Jesu, rechtskräftig zu machen. Dazu waren Zeugen nötig. Im Vorfeld hatte man sie präpariert. Doch sie widersprechen sich. Am Schluss tritt ein ernst zu nehmender Zeuge auf. Jesus habe vom Niedereißen und Aufbauen des Tempels in drei Tagen gesprochen.
  • In der Zeit Jesu war der herodianische Tempel noch im Bau. Viele Menschen in Jerusalem fanden dort Arbeit und Verdienst. Das Tempelwort Jesu vom "Niedereißen und Aufbauen des Tempels in drei Tagen" soll die vom Tempelbau abhängigen Menschen in Jerusalem gegen Jesus aufbringen. Die brauchte man für das »Kreuzige ihn« vor Pilatus.
  • Nach damaliger Jüdischer Auffassung errichtetet der Messias einen neuen Tempel: „er wird das Heiligtum bauen, das wegen unserer Verfehlungen verwüstet und wegen unserer Bosheit preisgegeben worden war.“ So steht es in einem Targum, einer Erklärung zu Js 53,5.
  • Wenn Jesus von der messianische Vollmacht spricht „den Tempel niederzureißen und aufzubauen“[3], klingt das für jüdische Ohren durchaus bedrohlich. Zu bedenken ist: das Judentum blickte zur Zeit der Abfassung unseres Evangeliums bereits auf die Ruinen des Tempels zurück. Darum ist seine Zerstörung mit dem Geschick Jesu in Verbindung zu bringen.
  • Kurz vor seinem umjubelten Einzug in Jerusalem klagt Jesus weinend, vom Ölberg auf Tempel und Stadt blickend „Jerusalem, Jerusalem du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind. Wie oft wollte ich deine Kinder um mich sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt. Darum wird euer Haus (von Gott) verlassen.“ Oder wie Luther übersetzt: „Siehe, »euer Haus soll euch wüst gelassen werden«.[4] Jesus erinnert damit an das Gotteswort beim Propheten Jeremia „Ich verlasse mein Haus. Ich verstoße mein Erbteil. Meinen Herzensliebling gebe ich preis in die Hand seiner Feinde.“[5]
  • Auf dem Hintergrund biblischer Drohworte und nach dem vom Evangelisten nicht als lügnerisch in Frage gestellten Zeugenauftritt wird der Hohepriester aktiv. Er fordert Jesus auf, Stellung zu nehmen zu dem nach seiner Meinung ungeheuerlichen Vorwurf. Und Jesus, wie reagiert er? Er schweigt.
  • Das Schweigen Jesu gegenüber den Anschuldigungen der Gegner hat ein Vorbild im Psalm 39 „Ich bin verstummt. Ich tue den Mund nicht mehr auf... Nimm deine Plage weg von mir“[6] oder bei Jesaja, wo der Knecht Gottes mit dem zur Schlachtbank geführten verstummenden Lamm verglichen wird.[7]
  • Das Schweigen Jesu verhindert zunächst seine Verurteilung. Sein längst beschlossener Tod, die Zeugenaussage und die damit angedeutete messianische Vollmacht Jesu fordern den Hohenpriester heraus:

2.2 Er stellt alles entscheidende Frage

„Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: bist du der Messias, der Sohn Gottes?"[8]
  •  Mit Kaiaphas befragt das offizielle Judentum den christlichen Glauben. Da Jesus schon in der Bergpredigt die eidliche Einvernahme als Verstoß gegen Gottes Willen sieht, gibt er dem Hohenpriester auch keine direkte Antwort,  sondern er bejaht die Frage des Hohenpriesters in dem er sagt: „Du hast es gesagt.“
  • Jesus legt in seiner Antwort den Schwerpunkt auf die deutende Zukunfts-Aussage. “Doch ich erkläre euch: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“[9]
  •  Die Situation, in der sich Jesus in größter Erniedrigung darstellt, bedarf der Deutung. Diese geschieht durch das kombinierte Zitat aus Psalm 110,1 und Daniel 7,13.
  • Das Psalmwort „setze dich zu meiner Rechten“ betrifft die Erhöhung beim Vater. Daniel 7,13 spricht von seiner Wiederkunft bei der „der Menschensohn auf den Wolken zum Gericht kommen wird.“ „Zur Rechten der Macht“ ist die Umschreibung des Gottesnamens. Das „Ihr werdet sehen“ klingt bedrohlich und verweist auf Sacharja 12,10: „Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben“. Der erniedrigte Christus ist auch der erhöhte Christus.
  • Die Verurteilung und irdische Beseitigung Jesu wird also keineswegs das Ende seines Wirkens sein. Aber damit rechnen die Verantwortlichen nicht. Jesus muss weg. Aber sie haben die Rechnung ohne Gott gemacht.

 2.3 Das Todesurteil

  •  Das Einreisen des Gewandes, das der Hohepriester vornimmt, geschieht nicht aus Erregung, sondern ist für den amtierenden Richter beim Anhören einer Gotteslästerung als Zeichen der Empörung vorgeschrieben.
  • Der Tatbestand der Gotteslästerung im Alten Testament auf die Schmähung des Gottesnamens eingeschränkt, wird später ausgeweitet auf die Inanspruchnahme der messianischen und der Gottessohn Würde.
  • Man kann davon ausgehen, dass auch nach dem Tod Jesu das christliche Bekenntnis zu Jesus als den Messias und Gottessohn von den Juden als Gotteslästerung angesehen wurde.
  • Jesus gilt als überführt, seine Aussage als Geständnis. Der Ausruf des Kajaphas „siehe, jetzt habt ihr die Lästerungen gehört“ zeigt, dass der nunmehr vorliegende Tatbestand schon lange vom Hohenpriester vermutet worden war. Auf Gotteslästerung aber steht der Tod. Das einhellige Urteil lautet: „Er ist schuldig und muss sterben.“[10]

 2.4 Jesus wird mit Spott und Hohn überhäuft

  • Die Verhandlung schließt mit der Verspottung Jesu. Das Anspeien in das Gesicht galt als Ausdruck tiefster Verachtung. Jesus wird mit Fäusten und in das Gesicht geschlagen. Die Schilderung lehnt sich an das dritte Gottesknechtslied bei Jesaja 50,6 an „Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen, und denen, die mir den Bart ausrissen, meine Wangen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel.“
  • Wer beim Sport einen Gegner anspuckt oder ins Gesicht schlägt wird vom Platz gestellt und für die nächsten Spiele gesperrt. Die Peiniger Jesu aber machen sich über dieses entwürdigende Verhalten noch lustig. Solche Schmähung war nach jüdischer Auffassung ein Beweis dafür, dass Gott den Menschen verlassen hat.

2.5 Jesus reagiert schriftgemäß

  • Beim Propheten Jesaja kommt zum ersten Mal eine neue revolutionäre Leidensinterpretation zum Vorschein. Der Knecht Gottes nimmt Angriffe, Schläge und Schmähungen auf sich, gibt sich geschlagen und damit äußerlich seinen Widersachern recht. Er tut es in der Gewissheit, dass Gott sich auf seine Seite stellen wird.
  • Jesus höhnisch mit »Christus« also »Messias« anredend wollen sie die vom Messias erwartete prophetische Begabung lächerlich machen. Deshalb fordern sie Jesus auf, den Namen der Schlagenden kundzutun.
  • Jeder der andere schlägt oder verspottet oder verhöhnt hat einen Namen, ist also eine bestimmte Person, die zur Rechenschaft gezogen wird. Jesus, der Messias, kennt ihre Namen. Er wird bei seinem Kommen ihr Richter sein.
Auf dem Weg der Passion des Herrn begegnen uns

3 Niederlage und Sieg

  • Nicht der kurz zuvor bei der Tempelreinigung geschehene öffentliche Tempelprotest Jesu führt zu Verurteilung Jesu (21,12ff), sondern vor allem sein damit verbundener messianischer Anspruch, der mit einer scharfen Kritik an der überkommenen Religiosität einhergeht.
  • Die Repräsentanten der jüdischen Religion wissen, nur der messianische Anspruch, der als ein politischer gewertet werden konnte, würde den römischen Präfekten Pontius Pilatus beeindrucken, so dass er Jesus hinrichten lässt.
  • Das irdische Leben und Wirken Jesu endet also mit einer Niederlage, die an Ostern durch die Auferweckung Jesu von den Toten zum Sieg wird.
  • Der Exeget J.Gnilka gibt zu Bedenken „Deshalb sollten wir nicht immer nach dem Siege trachten. Wir sollten nicht jeder Niederlage ausweichen. Johann Baptist Metz nennt es ‚die Berührungsangst gegenüber dem Leiden, in die wir geraten sind‘.
  • „Die Geschichte ist stets als die Geschichte der Sieger geschrieben worden. Die messianische Jesusgeschichte ist eine Geschichte des Leidens. Sie sieht es vom Standpunkt der Unterlegenen aus und ist ein Protest gegen den Versuch das Leben für die Endsieger zu reservieren.“[11]
  • Diese im unbedingten Vertrauen auf Gott gründende Lebenssicht fasst Paulus im Brief an die Römer so zusammen; Wir haben Anteil am Sieg Jesu Christi  „wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm verherrlicht zu werden.“ Dann sind wir nämlich nicht nur Kinder Gottes, sondern auch „Erben Gottes und Miterben Christi.“[12]


[1] Homilie zu Mt26,57-68 Verhör und Todesurteil
[2] Mt 26,57
[3] Mt 26,61
[4] Mt 23,38
[5] Jer 12,7
[6] Ps 39,10
[7] Jes 53,7
[8] Mt 26,63
[9] Mt 26,64
[10] Mt 26,66
[11] J. Gnilka, Das Matthäusevangelium, Teil 2, S.433
[12] Röm 8,17

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