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2011 (A)

Homilie am 4.So.i.JK im Alten- und Pflegeheim St.Elisabeth

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Einem demütigen und armen Volk schenkt Gott Zukunft[1]
1  Naturkatastrophen machen nachdenklich

  • Die Wochen dauernde über Australien hereingebrochene Flut, die ein Gebiet so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen überschwemmte, zeigt uns augenfällig: Wir Menschen sind nicht die Herren der Erde. Die Erdteile und Landschaften sind das Ergebnis eines seit vielen Millionen von Jahren andauernden Schöpfungsprozesses. Als winziger Teil dieser Schöpfung Gottes sind wir hineinverwoben in das der Schöpfung inne wohnende Werden und Vergehen. Da verbietet sich jegliche Überheblichkeit und jedes Herrschaftsgebaren.
  • Nach den Aussagen des Propheten Zefanja haben nur die im Volk Gottes eine Zukunft die ihre Armut und ihr Kleinsein demütig anerkennen und ihre Zuflucht beim »Namen des Herrn« suchen. Ja das Himmelreich, dort wo ganz und gar Gottes Gerechtigkeit und Liebe herrschen, gehört nach dem Evangelium Jesu denen, die arm sind vor Gott.
  • Naturkatastrophen zeigen uns Menschen unser Klein- und Ohnmächtigsein. Die Erwärmung der Erdatmosphäre und ihre Folgen für das Klima bringen auch bei uns viele zum Nachdenken.
  • Auch die Zukunft der Religion wird unter dem Eindruck der Ereignisse zum Teil neu bewertet. Der Anteil derjenigen steigt, die sagen, Glaube und Religion würden in Deutschland in Zukunft wichtiger werden, als sie heute sind.

2  Gott ist der einzig tragende Grund

  • Die Menschen sind durch die zunehmenden Katastrophen sensibler geworden für die Grundlagen unserer menschlichen Existenz. Weder Wissenschaft noch technischer Fortschritt können unser Leben sichern.
  • Im Gegenteil! Der Glaube an sie kann uns verführen, unvorsichtig zu werden und die warnenden Stimmen der Schöpfung nicht mehr wahrzunehmen. So werden wir dümmer als die Tiere, welche die kommende Flut des Tsunami in Südostasien wahrnahmen und sich in Sicherheit brachten, während die Menschen dem zurückweichenden Wasser nachliefen und so ins Verderben stürzten.
  • Die Zusage Gottes sollte uns nicht mehr loslassen: "Ich lasse in deiner Mitte übrig ein demütiges und armes Volk, das seine Zuflucht sucht beim Namen des Herrn."[2]

 

2.1 Was ist mit dem demütigen und armen Volk gemeint?
  • Würde heute ein Wettbewerb ausgeschrieben, das schönste deutsche Wort zu finden, würden sie da an demütig denken? Wohl kaum. Würde ich als Priester dieses Wort vorschlagen, dann würde es heißen: ”Typisch Kirche, die hat nichts anderes als ein frommes, antiquiertes, überholtes Wort zu bieten. Was ist von der Kirche auch anderes zu erwarten? Als sich klein und schuldig zu fühlen und alles mit sich machen zu lassen!” Wer Demut so versteht irrt sich.
  • Die heutige Lesung aus dem Buch des Propheten Zefanja knüpft eine Verbindung zwischen den Demütigen und den Gedemütigten im Land. Gedemütigt werden wir nur von Menschen nicht von Gott. Im Gegenteil! „Gott tritt den Stolzen entgegen, den Demütigen aber schenkt er seine Gnade.“[3] Gott kommt seinen Geschöpfen mit großen Geschenken entgegen. Er hat seinen Geist durch Jesus Christus in reichem Maß über uns angegossen, „damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen.“[4]
  •  Demut hat nichts, aber auch gar nichts mit passivem Erdulden zu tun, sondern ist ein aktives, ja, ich möchte fast sagen »revolutionäres« Verhalten. Wahre Demut stellt all das, was ist und besonders wie es ist - die tägliche Sorge um das eigene Ich, das Rennen um Ansehen und Akzeptanz, die Regeln des Wettbewerbs, nach denen unsere Gesellschaft so oft (zu oft) funktioniert -, auf den Kopf. Oder besser gesagt: auf die Füße, denn wir haben längst die Bodenhaftung verloren. Denn nur Gott ist der tragende Grund unseres Lebens.
2.2 Die Demut lädt mich ein, schwach zu sein, nichts zu sein.
  • Die sich stark dünken, brauchen Gott nicht. Die ihre Schwachheit Wahrnehmenden und daran Leidenden brauchen Nachsicht und Hilfe. Die kommt von den Starken nur selten. Jesu Verhalten und Evangelium ernst nehmend werde ich mich ganz für Gott und seine erbarmende und heilende Liebe öffnen. Mein Schwachsein wird zur Tür, durch die Gottes Gnade zu mir kommt.
  • Am Beispiel eines Erkrankten macht der Psalm 41 deutlich, was mit einem Menschen geschieht, der in der Krankheit seine Zuflucht zu Gott nimmt „Auf dem Krankenbett wird der Herr ihn stärken; seine Krankheit verwandelst du in Kraft.“[5] Nach dem Besuch einer Krebskranken, sagte mir eine Besucherin: „Ich dachte, ich müsste die Kranke trösten. Es kam ganz anders, ich ging getröstet nach Hause.“
  • Paulus bekommt auf seine Bitte an Gott, ihn von seiner belastenden Schwachheit zu befreien, die Antwort: „Meine Gnade genügt Dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit.“[6] So kommt der Apostel zu der Einsicht, „Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“[7] Ja, stark durch Gottes Kraft spendende und liebende Nähe, durch Gottes Gnade.

 

2.3 Kann man Demut lernen?
  • Ich weiß es nicht. Ich kann aber darum beten. Ich kann still werden vor Gott. Ich kann versuchen, ihm zu vertrauen, meine Sorgen, meine Verwundungen ihm zu geben, ihm hinzuhalten. „Herr lass daraus Segen werden!“ Dies wagend kann ich in der Stille die Größe und die Liebe Gottes erfahren, werde ich als Empfangender demütig, aber nicht gedemütigt. Denn bei Gott fühle ich mich nicht zuerst schwach oder schuldig, sondern angenommen und geliebt. Dies erfüllt mich mit großer Gelassenheit, die zur tiefen inneren Freude wird. Das wird mir vor allem dann zuteil, wenn ich nichts mehr machen und ändern kann.
Ein Zweites macht »Demut« zu einem wunderschönen Wort:

 

 2.4 Demut kommt von »Dien-Mut«, dem Mut zu dienen.
  • Ein wirklich aufbauender Gedanke. Dieser Mut besiegt die Angst in mir, die mich davor zurückschrecken lässt, meinem Nächsten zu dienen; die Angst, ausgenutzt zu werden; die Angst, zu kurz zu kommen; die Angst, schlecht auszusehen.
  • Sieh doch, Gott selber dient dir, einem jeden von uns. Er rief uns ins Leben. Hauchte uns den Odem des Lebens ein. Mit Leib und Seele sind wir nach seinem Bild geschaffen. In der Taufe nahm er uns als seine geliebten Kinder an. Durch das Evangelium Jesu zeigt er uns unsere Berufung zur Fülle des Lebens bei sich im Himmel. Ganz gleich was geschieht, wir sind in seinen guten Händen.
  • Liebe und Vertrauen überwinden die Angst. Sie muss mich nicht quälen. Gott möchte sie mir abnehmen. Im ersten Petrusbrief steht es ”Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes damit er euch erhöht wenn die Zeit gekommen ist. Werft alle eure Sorgen auf ihn, denn er kümmert sich um euch”.[8]
2.5 Kann auch ein Volk demütig sein?
  • Ist das nicht eher eine Eigenschaft des Einzelnen? Kann ein Volk so sein, wie es der Prophet beschreibt? Ich denke schon. Vielleicht würden wir heute nicht mehr »Volk« sagen, sondern »Gesellschaft«. Ich glaube sie stimmen mir zu, dass es für eine Gesellschaft erstrebenswert und auch erreichbar ist, gerecht und friedfertig, ehrlich und solidarisch zu sein.
  • Gerade der 30. Januar mahnt uns, dieses Ziel nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn vor 78 Jahren ging unser Volk in Fackelzügen einen ganz anderen Weg. Hitler und seine Parteigenossen verführten es in die Gewalt, in die Ungerechtigkeit, in die völkische und rassistische Überheblichkeit, in die Unehrlichkeit. Da war von Demut keine Spur.
  • Nationalistische Überhöhung und rassistische Verblendung ließen keinen Blick frei für die eigenen Fehler und Schwächen und erst recht nicht für die Vorzüge und das Liebenswerte der Anderen. Viele Menschen suchten ihre Zuflucht nicht bei Gott, sie hatten sich einen anderen Herrn und Führer gewählt, der nur seinem eigenen Gesetz folgte.
  • Die Folgen der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 sind bekannt. Um in den Worten des Propheten Zefanja zu sprechen: Anstatt friedlich auf die Weide zu gehen, wurden Millionen zur Schlachtbank geführt.

 

3  Demut - Mut zum Lieben, Mut zum Dienen.

  • Nur aus Vertrauen und Liebe wachst wahre Zukunft. Die sich arm und klein wissen vor Gott ihrem Schöpfer und Erlöser, die so zu Empfangenden und Schenkenden geworden sind, werden vom Herrn selig gepriesen. In Ihnen ist der Himmel anwesend.
  • Sie brauchen sich nicht zu fürchten, weder vor den Menschen noch vor Naturkatastrophen; denn sie sind zu jeder Zeit und in jeder Lage in Gottes liebenden und erbarmenden Händen geborgen.


[1] Homilie zu Zefanja 3,12
[2] Zef 3,12
[3] Jak 4,6
[4] Tit 3,7
[5] Ps 41,4
[6] 2 Kor 12,9
[7] 2Kor 12,10
[8] 1 Petr 5,6-7

 

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