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Lesejahr 2011 (A)

Predigt am Karfreitag in Hetzles St. Laurentius

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Ohne Karfreitag kein Ostern - das Gericht der Liebe
1.0 Die Qual und das Leid des Gekreuzigten

  • Seine Demütigung und Verlassenheit, der Spott der Mächtigen, die herzlose Neugier der Menge, die Hilflosigkeit der Seinen: All das weckt unsere Gefühle am Karfreitag.
1.1 Das vierte Gottesknechtslied der ersten Lesung trägt Züge, die sich im Leben Jesu wieder erkennen lassen:
  • Es gibt nichts, das an diesem Knecht faszinieren könnte; das was ins Auge springt ist sein unmenschliches Aussehen, sein verworfenes Schicksal, seine gequälte Gestalt.
  • So sind und bleiben wir Menschen letztlich alle: die Gestalt wird uns zum Zeichen für das Schicksal eines Menschen.

 1.1.1 Wir gehen dem ausgemergelten Krebskranken aus dem Weg.

  •  Viele von uns können Blut nicht sehen, ohne dass es ihnen schlecht wird. Uns graut vor den zerfetzten Leibern der Verkehrstoten und Schwerverletzten.
  • Und sagen nicht viele: hört doch endlich auf uns diese schrecklichen Bilder aus den Konzentrationslagern mit Bergen von Leichen zu zeigen. Oder: ich kann das Grauen von Fukoschima nicht mehr mit ansehen.

 1.1.2 Das Leiden des Gottes Knechtes rückt ihn in unsere Nähe.

  • Er kennt und erfährt das menschliche Geschick am eigenen Leib.
Ein Schriftsteller unserer Zeit sagt es so:
  • Er war keine eindrucksvolle Gestalt,
  • kein Olympiasieger, kein Publikumsstar,
  • kein Machtpolitiker, von dem alle reden.
1.1.3 Er wurde, was wir sind.
  • Er scheute sich nicht, ein Schwächling zu werden. In Wirklichkeit war er, was wir eigentlich sind. Die Wunden unseres Menschseins, die Zerrissenheit unserer Seele, die trug er. – Er trägt sie unaufhörlich.
  • Der Hass der Mächtigen schlägt ihm ins Gesicht. Die Nägel der Welt durchbohren ihn. Kriegsknechte erhängen ihn auf Golgatha. SS – Schergen vergasen ihn in Auschwitz.
  • Selbst Christen ermorden ihn – heute – morgen – wo?
1.1.4 Unsere Schuld wird an ihm offenbar
  • Er lässt sie an sich geschehen. Er trägt sie schweigend und ohne Widerspruch. Er nimmt die Strafe auf sich, die wir verdient haben. Wie kann Würde aus solcher Entblößung wachsen? Die Zusage Gottes steht im Widerspruch zur eigenen Wahrnehmung und dem eigenen Urteil. Gott bewahre, dass das unser Schicksal werde.
  • Die Gestalt des gerichteten und gekreuzigten Jesus bleibt vielen bei uns so fremd, im besten Fall bemitleidenswert. Denn für die Mehrzahl der Menschen vor allem in den reichen Ländern ist der Erfolg das Maß und die Rechtfertigung aller Dinge.

1.2 Die Gestalt des Gekreuzigten setzt alles am Erfolg ausgerichtete Denken außer Kraft.

Darum fragen wir nicht, warum geschieht das an Christus, sondern wozu?

1.2.1 Nicht warum, sondern wozu
  • Es ist für uns schier unverständlich, es will uns einfach nicht in den Kopf, dass Gott seinen Gesalbten, den Gerechten, den Sündelosen in die Hände der Sünder ausliefert. Es geht uns gegen den Strich, dass dies sein Wille sein soll, in den sich Jesus zitternd und zagend, doch wieder vertrauend und bereit hinein gibt. Wie kann Gott ein solches Gericht über Jesus verhängen?
1.2.2 Gott zeigt uns im Gekreuzigten: Wir alle stehen  unter seinem Gericht.
  • Dem Gericht Gottes kann keiner entrinnen, auch der noch so Erfolgreiche nicht. Er muss seinen ganzen Erfolg und Misserfolg eines Tages zurücklassen.
  • Dietrich Bonhoeffer schrieb einmal „weder der Triumph der Erfolgreichen noch auch der bittere Hass der Gescheiterten gegen die Erfolgreichen wird zuletzt mit der Welt fertig.“
  • Jesus ist gewiss kein Anwalt der Erfolgreichen in der Geschichte, aber er führt auch nicht den Aufstand der gescheiterten Existenzen gegen die Erfolgreichen.
  • Es geht bei ihm nicht um Erfolg und Misserfolg, sondern um das willige Annehmen des Gerichtes Gottes. Nur im Gericht gibt es Versöhnung mit Gott und unter den Menschen. Nur er kann alles so richten, wie es für unsere Erlösung und für unser Heil gut ist.
1.2.3 Der gerichtete Christus ist unser Gegenüber
  •  Allem um Erfolg und Misserfolg kreisenden Denken steht der gerichtete Christus gegenüber. Weil Gott den Menschen vor sich bestehen lassen will aus lauter Liebe, darum stellt er seinen gerichteten Sohn vor uns hin. Der Gekreuzigte ist das Gerichtsurteil, das den Erfolgreichen genauso trifft mit den Erfolglosen.
1.2.3.1 Dem Erfolgreichen zeigt Gott
  •  durch seinen gekreuzigten Christus, dass er den Schmerz, die Niedrigkeit, das Scheitern, die Armut, die Einsamkeit, die Verzweiflung heiligt, dass er sie in sich aufnimmt durch Christus. Und er bestätigt dies durch die Auferweckung von den Toten.
  • Nicht als hätte das alles einen Wert in sich, als sei es etwas Erstrebenswertes, aber es empfängt seine Heiligung durch die Liebe Gottes. Gott nimmt im Gericht das mit Jesus Geschehene in sich auf und wendet es zum Sieg.
  • Das Ja Gottes zum Kreuz ist das Gericht über die Erfolgreichen und Mächtigen. Der Erfolg und der Sieg der Macht verlieren ihren absoluten Wert, sie werden vor Gott bedeutungslos.
1.2.3.2 Der Erfolglose
  • Darf erkennen, nicht seine Erfolglosigkeit und sein Scheitern lassen ihn vor Gott bestehen, sondern die Annahme des Gerichts der göttlichen Liebe, Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.[1]
  • Weil Christus gehorsam und freiwillig die Erfolglosigkeit und das Scheitern auf sich nahm, darum ist gerade der Erfolglose und Gescheiterte gerettet und angenommen. Weil ER, der Mächtige, freiwillig ohnmächtig wurde, darum sind auch die Ohnmächtigen erlöst.

2  Jesu gehorsame Liebe rettet uns

Angelus Silesius hat das so ausgedrückt:
„Dass Gott gekreuzigt wird, dass man ihnen kann verwunden!
Dass er Schmach verträgt die man ihm angetan!
Dass er solche Angst aussteht und dass er sterben kann!
Verwundere dich nicht, die Liebe hat's erfunden."
2.1 Diese Liebe wird immerzu gegenwärtig,
jedes Jahr, jeden Tag aufs Neue.
  • An diesem Tag dem Karfreitag will sie neu bei uns ankommen. Denn in unserer liturgischen Feier wird sie nicht nur erinnert, sondern sie wird gegenwärtig durch Christus. Er hat uns ja verheißen, dass er mitten unter uns ist, wenn wir uns in seinem Namen versammeln.
  • Wir können uns Ostern nicht schenken lassen, ohne den Karfreitag vorher anzunehmen. Gerade weil ich mir und anderen Ostern wünsche, muss ich ehrlich zum Karfreitag stehen.
  • Das Karfreitagsgeschehen zeigt uns, was im Menschen ist. Es zeigt uns aber auch, dass es einen gibt, der all dies auf sich nimmt und an sich geschehen lässt aus Liebe. Nun ist es wirklich vollbracht das Werk Gottes, seiner Liebe.
  • Die Gegner Jesu glauben Erfolg gehabt zu haben: der unbequeme Mann ist beseitigt. Die Anhänger Jesu aber stehen vor einem totalen Misserfolg: alle Hoffnungen sind zerstört, aus! Vorbei! Jesus zeigt bis zum letzten Atemzug, worauf es in jeder auch der schlimmsten Lage ankommt:
2.2 Sich Gott anzuvertrauen
  • Jesus Christus aber bleibt bis zuletzt der Handelnde. Er ist bis zuletzt Liebe. So vollbringt er das Werk Gottes.
  • Der neue erlöste Mensch ist nicht mehr auf Erfolg oder Misserfolg fixiert, sondern kann sich vertrauensvoll Gott anvertrauen. Zu ihm kann Jesus auch angesichts des Zerbrechens aller irdischen Wirklichkeit, angesichts des Todes sprechen, flüstern, vielleicht auch nur noch hauchen: „Vater in deine Hände empfehle ich meinen Geist.“
  • So ist er für uns zur Quelle geworden aus welcher der erlöste Mensch geboren wird. Bild dafür ist die geöffnete Seite des Herrn.

2.3  Der Sieg der Liebe

2.3.1 Die über Erfolg und Misserfolg triumphierende Liebe Gottes im Alltag erfahren.
  • Am Palmsonntagabend rief mich eine Bekannte, die in einer südbayerischen Stadt eine Freundin besuchte, unter Tränen an: „Mein Geldbeutel mit 400 € mit Scheckkarte, Führerschein und Personalausweis sind verschwunden.“ Sie war ohne tröstlich. Ich versuchte sie zu beruhigen und Hoffnung zu machen, Vielleicht werde sie wenigstens ihre Papiere wieder bekommen. Die Polizei hatte sie verständigt. Ich konnte nur noch beten.
  • Am Montag rief sie mich an „Der Geldbeutel samt Inhalt sei gefunden und bei der Polizei abgegeben worden. Sie hatte ihn in einer Tiefgarage verloren. Der Finder hinterließ weder seinen Namen, noch wollte er einen Finderlohn. Leider so sagte die Polizei würden von 10 verloren Geldbörsen nur eine abgegeben.
  • Die Liebe Gottes siegte im Finder. Er wollte sich an fremdem Gut nicht bereichern. Ich betete für ihn, Gott möge ihm seine Liebe reichlich lohnen.
  • Die Liebe Gottes erreichte so auch die Verliererin. Der Verlust wurde zum Geschenk. Dafür konnte sie Gott nur danken. Auf Trauer und Angst folgte erlöste Freude. Sie wurde möglich, weil der Finder nichts für sich behielt, sondern das Gefundene zurückschenkte.
2.3.2 Ohne Karfreitag gibt es kein Ostern. Und ohne Ostern wäre der Karfreitag nicht auszuhalten.
Gott behält sein Liebstes, seinen Sohn nicht für sich.
  • In ihm geht er mit uns in die Erfolglosigkeit hinein, in die Niederlage, in ungerechtes Urteil, in das grausame Handeln der Menschen, bis in den schmählichen Tod. Darum sang die Kirche des Anfangs dieses Christuslied: „Christus war für uns gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm einen Namen gegeben der über allen Namen ist.“
  • Die Liebe behält nichts für sich. Sie verschenkt sich radikal. Wird solidarisch bis zum äußersten. Sie ist das Licht in der Finsternis des Karfreitags. Ostern ist die Vollendung dieser Liebe Gottes. Sie geht mit uns bis hinein in den Tod, bis hinein in das Grab. Und aus dem Grab heraus zur Auferstehung, zur Fülle des Lebens bei Gott, zum ewigen Leben.
  • Wer nichts für sich behält, wer alles verschenkt aus Liebe, gewinnt alles. Das letzte Wort Jesu am Karfreitag heißt: „Es ist vollbracht.“ Durch den Sieg der Liebe gelingt der Plan des Herrn. Der Hebräer Brief bekennt von Christus: „obwohl er der Sohn, hat er durch Leiden Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt ist er für alle die ihm gehorchen, Urheber des ewigen Heils geworden." Die gekreuzigte Liebe hat gesiegt.
  • Dieser Liebe dürfen wir trauen. Jesus Christus hat sie bis in den Karfreitag hinein gelebt. Wie er Gott gehorsam werden bis zum letzten Atemzug, führt MIT IHM UND DURCH IHN UND IN IHM ZUR VOLLENDUNG IN DIE FÜLLE DES LEBENS BEI GOTT.


[1] Joh 3,16

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