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Lesejahr A 2013/14 bis 2014/11

Predigt - Homilie

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Gott suchen und finden [1]

1 Geschichtlicher Hintergrund der 1. Lesung

Will man den Wortsinn eines biblischen Textes ganz verstehen, muß man fragen: in welcher Situation und wer waren die Menschen, an die sich der Prophet Jesaja in der 1. Lesung  wendet?

Der Prophet des 6. Jht. vor Christi Geburt redet zu dem Rest des Volkes Israel, das sich im babylonischen Exil befindet. Sie haben die schreckliche Katastrophe der Zerstörung des Tempels und Jerusalems, also ihres religiösen und politischen Mittelpunkts hinter sich.

Alles scheint verloren. Der Weg in die Zukunft abgeschnitten. Und dies war geschehen mit dem Volk, das von Gott erwählt - sein besonderes Eigentum[2] war.

2 Katastrophen als Grenzerfahrungen

Ich bin heute noch geschockt von den Bilder des Schreckens – der brutalen Gewalt der Islamisten gegen Christen in Syrien und im Irak. Gekreuzigte Christen auf öffentlichen Plätzen, Schächtung einer nackten Christin in Mosul vor laufender Kamera. Menschen wird die Kehle durchschnitten und der Kopf vom Leib getrennt. Köpfe von enthaupteten Christen werden zur Schau gestellt.  Menschen verlieren ihr Leben, andere Hab und Gut, sind ohne Zukunft.

Mit dem KZ-Häftling in Auschwitz, der mit den anderen nackt und geschoren auf dem Weg in die Gaskammer ist, möchten wir schreien: „Wo ist Gott?“ Ein Häftling vor ihm deutete auf den gerade in die Gaskammer Eintretenden und sagte „da ist Gott.“ Jesus Christus am Kreuz ist das Zeichen Gottes - ER ist in Jesus bei uns auch in der äußersten Finsternis menschlicher Bosheit.

3 Die Botschaft des Propheten damals und heute heißt

"Sucht den Herr, solange er sich finden läßt, ruft ihn an solange er nahe ist."[3]

3.1 Den Herrn suchen und finden

Was damit gemeint sein könnte, hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber in seiner Legendensammlung  aus dem osteuropäischen Judentum in einer Geschichte aufgezeichnet:

Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jechiel, spielte einst mit einem anderen Knaben Verstecken. Er verbarg sich gut und wartete, daß ihn sein  Gefährte suche. Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck; aber der andere war nirgends zu sehen. Nun merkte Jechiel, daß jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte. Darüber brach er in Tränen aus. Weinend kam er in die Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über seinen bösen Spielgefährten. Da flossen dem Rabbi Baruch die Augen über und er sagte: "So spricht Gott auch. Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen."

Am Anfang haben wir gesungen "Du bist nicht sichtbar für unsre Augen und niemand hat dich je gesehn." Gl 298/3 Und: "Du bist in allem ganz tief verborgen, was lebt und sich entfalten kann."

Gott will also gesucht werden, solange er sich finden läßt. Er will angerufen werden, solange er nahe ist. Die Bibel nennt dies den Kairos, die Stunde der Gnade.

3.2 Folgen der verpassten Stunde der Gnade

Nehme ich dieses Angebot Gottes nicht an, kann die Zeit kommen, wo ich ihn nicht mehr finde, mein Rufen ins Leere geht. Die Zeit der Gnade hatte Israel nicht genützt. Selbstbestimmt wollten sie leben. Gott rangierte nur noch unter "ferner liefen." Die Folge war die politische militärische Katastrophe. Da schrien sie zu Gott. Aber war es zu spät. Gott hörte sie nicht mehr.

3.3  Umkehr – die neue Chance

Dem übrig gebliebenen in der Verbannung fern vom Tempel lebenden Rest Israels gibt Gott eine neue Chance. Das Neue, da Unerwartete, kommt aus dem Innersten, aus dem Herzen Gottes, denn "er ist groß im Verzeihen". [4]

Gott ruft durch den Propheten zur Umkehr. "Der Ruchlose soll seinen Weg verlassen - der Frevler seine Pläne“.[5] Umkehr vollzieht sich in der Abkehr von allem Gottwidrigen.[6] Umkehr ist Hinkehr zu Gott, damit er sein Erbarmen neu schenken kann. „Denn er ist groß im Verzeihen.“[7]

Das ist auch die Botschaft Jesu: "Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet."[8] Der verborgene unsichtbare Gott will von uns gesucht und von uns angerufen werden, sonst entzieht er sich ganz und "überläßt uns unseren eigenen Plänen."[9] 

Darauf verkündet der Prophet einen Gottesspruch der uns  erschreckt: "Meine Gedanken sind nicht euere Gedanken, und euere Wege sind nicht meine Wege." Wir werden also unsere Gedanken und Wege immer wieder von Gott in Frage stellen lassen.

4 Gottes Gedanken und Wege

Damals hatte Israel selbstbestimmt gelebt. Es fragte nicht mehr nach Gott und seinem Willen. So rannte es durch seine Politik, die ein Spiegel des gesellschaftlichen Denkens ist, in die Katastrophe. Es ist daher wichtig darüber nachzudenken

4.1 Wie hat Gott den Menschen gewollt?

Selbstbestimmung ist auch heute ein Modewort, das durch ein Fremdwort aus dem Griechischen verstärkt wird: Autonomie, was übersetzt heißt: Ich bin mir selbst Gesetz. Der autonome Mensch fragt nicht mehr nach Gott. Alles ist für ihn machbar, alles erlaubt.

Es gehört wesentlich zum Menschsein, sich seiner selbst bewusst zu werden und in Freiheit Gott zu dienen. So hat Gott den Menschen gewollt. Der Mensch soll so frei sein, dass er werden kann, was er nach dem Willen Gottes werden soll.

Als erstes fragt daher der Gott suchende Mensch: Wie hat mich Gott gedacht, wie kann ich sein Ebenbild sein? Diese Frage führt mich zu meinem wahren Wesen, zu einem Selbstsein, das im Ewigen gründet und ins Ewige mündet.

4.2 In von Gott geschenkter Freiheit leben

Aber sind wir wirklich frei? Können wir selbstbestimmt leben? Werden wir nicht ständig manipuliert und beeinflußt durch Medien und Reklame, durch das, was gerade "in", gerade Mode ist. Man nennt das heute mit dem Fremdwort Mainstream.

Dabei geht es doch in Regel darum, uns das Geld aus der Tasche zu ziehen. Uns abhängig zu machen, damit wir als Käufer bei der Stange bleiben. Wie viele Menschen leben heute unter einem eingeredeten Erfolgszwang, unter Prestigenormen. Sie meinen, selbstbestimmt zu leben, und merken nicht, wie sehr sie fremdbestimmt sind.

Selbstbestimmt leben heißt für mich nicht, daß ich auf dem letzten Pfiff, um jeden Preis modern sein und alles mitmachen muß, was so als "cool" oder "in " angepriesen wird.

Das Leben, aber auch der Herrgott kann da sehr schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Was dann, wenn wir plötzlich feststellen müssen, daß unser Leben ganz anders verläuft, als wir es uns vorgestellt und erträumt hatten? "Meine Wege sind nicht euere Wege", sagt der Herr.

Selbstbestimmt leben heißt für mich, daß ich mein Leben hellwach vor und mit meinem Schöpfer und Erlöser lebe. Das macht mich frei von aller Versklavung und Fremdbestimmung.

4.3 Umkehr und Vergebung – den Herrn finden

Selbstbestimmt leben heißt aber auch, dass ich die mir von Gott in seiner Kirche geschenkte Möglichkeit zur Umkehr und Vergebung mutig und freudig annehme.

Das heißt für mich, dass ich mir regelmäßig im Sakrament der Versöhnung - in der Heiligen Beichte - die Vergebung Gottes schenken lasse und die Umkehr zu den Gedanken und Wegen Gottes bewusst und sakramental vollziehe – also in dem von Gott durch den auferstandenen Christus geschenktem Heilszeichen der Sündenvergebung, in dem uns die Fülle der göttlichen Barmherzigkeit zuteil wird.

Es ist gut für uns, wenn wir die Mahnung des Propheten ernst nehmen: "Sucht den Herrn, solange er sich finden läßt. Ruft ihn an, solange er nahe ist." Ganz gleich, wie unser Leben läuft, welche Überraschungen es bringt, wenn wir es nur mit Gott leben. Er wird uns führen und halten. Denn "so hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind seine Wege über unseren Wegen und seine Gedanken über unseren Gedanken".[10]

Wenn ich mein Leben mit ihm lebe, darf ich wissen: es geht gut aus. Vertrauen wir auf das, was der Antwortpsalm singt: "Der Herr ist allen, die ihn anrufen nahe, allen, die zu ihm aufrichtig rufen."[11]

[1] Homilie zu Jes 55.6-9

[2] Ex 19,5; Mal 3,17; Tit 2,14; 1 Petr 2,9den

[3] Jes 55,6

[4] Jes 55,7c

[5] Jes 55,7

[6] ebd

[7] ebd

[8] Mt 7,8

[9] Ps 31,13

[10]  Jes 55,9

[11] Ps 145,18