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2008 (A) Österliche Bußzeit

Homilie zu den Lesungen des 4.Fastensonntags (A) in der Filialkirche zu Rödlas

===>> Zu den biblischen und liturgischen Texten des 4. Fastensonntags
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Gottes Auge sieht anders - mit den Augen Gottes sehen lernen.[1]

1.1 Der kleine Prinz lernt sehen
In einem Märchen für Erwachsene erzählt der französische Schriftsteller St. Exupery vom »Kleinen Prinzen«, der von einem fremden Stern kommt.
  • Dort wächst eine einzige Rose, seine Rose. Als er zu den Menschen geht, kommt er an einem blühenden Rosengarten vorbei. Er kann es nicht fassen. Bisher hatte er geglaubt, seine Rose sei einzigartig. Jetzt waren da 5000, die aussahen wie seine Rose. Seine Enttäuschung ist groß. Er wirft sich ins Gras und weint. Er besitzt nur eine ganz gewöhnliche Rose.
Im Gespräch mit dem Fuchs, den er gezähmt und zu seinem Freund gemacht hat, geht ihm auf, daß es nicht auf das äußere Aussehen ankommt.
  • Der Fuchs sagt: „Dies ist mein Geheimnis; es ist ganz einfach: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar. Die Zeit, die du für deine Rose verloren hast, macht deine Rose so wichtig."
Ja, das unterscheidet seine Rose von allen anderen, daß er das Kostbarste, was er hat, seine Zeit ihr gegeben hat und sie in ihrem Innersten, in ihrem Wesen kennt und liebt. Er sieht sie mit dem Herzen.

1.2 Sehen wir mit dem Herzen wirklich gut?
  • Nur bedingt. Der Prophet Jeremia spricht in einer Zeit, wo Lügenpropheten den Mächtigen nach dem Munde reden, sehr negativ vom Herzen des Menschen: »Arglistig ohnegleichen ist das Herz und unverbesserlich. Wer kann es ergründen«?[2]
  • Die Bibel redet von der Verführbarkeit und Verhärtung des Herzens. Es gibt nur einen, der mit dem Herzen richtig und gut sieht: Jahwe, unser Gott: Er kennt die Herzen durch und durch. In Jesus Christus aber hat er uns sein Herz aufgetan.
  • Wie der Blinde im Evangelium müssen wir uns die Augen von ihm öffnen lassen. Gott muss uns durch Jesus Christus "die Augen des Herzens erleuchten,"[3] damit wir hellsichtig geworden einsichtig werden in das, was Gott mit uns und mit der Geschichte vorhat.
2.1 Gott sieht anders als der Mensch.
Wir haben es in der 1.Lesung gehört: "Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor Augen ist, der Herr aber sieht das Herz."[4]
2.11 Ich sehe ein Lächeln auf dem Gesicht eines Menschen,
aber ich kenne nicht den Grund seines Glücks. Der Herr sagt: »Ich kenne den Grund seines Glücks. Ich weiß, ob und wie lange es Bestand hat«. Ich sehe ein trauriges Gesicht. Aber ich kenne nicht den Grund der Traurigkeit. Gott aber kennt ihn.
2.12 Wir sehen graue Wolken am Himmel
die Landschaft wirkt düster und verhangen. Melancholie will sich auf die Seele legen. Der Herr sagt: »Ich schicke Regen über das Land. Und dieser ist genauso wichtig wie der Sonnenschein. Ich tränke das Land und die Menschen mit meiner Güte«.
2.13 Wir sehen eine afrikanische Frau
auf dem Misereorplakat. Sie trägt auf ihrem Kopf ein mit Wasser gefülltes Gefäß aus Kunststoff. Wir kennen weder ihre Namen noch ihre Zukunft. Der Herr sagt: »Ich kenne sie. Ihr Leben liegt in meiner Hand. Bei mir ist sie geborgen. Von mir wird sie gehalten in ihrer Not und Armut».
2.14 Wir fahren mit dem Auto übers Land
vorbei an Dörfern und Häusern. Wir kennen die Menschen nicht, wissen nichts von ihren Sorgen und Freuden, Der Herr sagt: »Ich sehe und kenne all diese Menschen. Ich weiß um ihr Lachen und Weinen, um ihre Freude und ihr Leid. Durch mich sind sie - unsichtbar - auch dir nahe«.
2.15 Unbeachtet steht eine Blume am Feldrain.
Sie leuchtet taufeucht in ihrer stillen Schönheit und weiß es nicht. Der Herr sagt: »Ich sehe sie und vernehme ihre stille Anbetung. Sie hat nicht umsonst geblüht«.

2.2 Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz.
  • Samuel sieht den Eliab. Kräftig und gut aussehend steht er vor ihm. Und Samuel denkt: "Gewiss steht vor dem Herrn sein Gesalbter."[5] Aber Gott lehrt den Samuel, nicht auf dessen Aussehen und Gestalt zu schauen; "denn ich habe ihn verworfen."
  • Gott will den Jüngsten, den David, der draußen die Schafe hütet. Ihn hat er für die große Aufgabe erwählt, das Volk Gottes auf Erden zu führen und zu leiten. Gott sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht.
3 Die Weisung des Herrn an uns lautet:

»Lerne dich, deine Mitmenschen, die ganze Wirklichkeit mit meinen Augen, den Augen Gottes, zu sehen«. In welche Bereiche der Wirklichkeit spricht Gott dieses Wort hinein? Zuerst ist jeder von uns selber gemeint.

3.1 Lerne dich mit den Augen Gottes, mit den Augen Jesu zu sehen.
  • Er sagt dir und mir: Du bist meine Tochter, mein Sohn, mein geliebtes Kind. ich habe dich geschaffen, weil ich dein Dasein will. Ich habe dich ins Dasein gerufen, weil ich dich brauche. Ich habe dich an einen Platz gestellt, an dem du dich bewähren sollst. Kein anderer kann diesen Platz so ausfüllen wie du.
  • Der Herr sagt dir und mir: Ich allein kenne deinen wahren Wert. Die Menschen beurteilen dich nach dem Äußeren, nach deinen Leistungen, deinen Umgangsformen, deiner Anpassungsfähigkeit.
  • Du beurteilst dich nach Wertmaßstäben, die du von anderen übernimmst. Du machst dir ein falsches Bild von dir. Du verkennst dich manchmal mehr als andere dich verkennen.
  • Der Herr sagt zu dir und mir: Ich allein weiß, wer du wirklich bist. Denn ich schaue dir ins Herz. Und mein Blick, der alle Masken durchdringt, ist der Blick der Liebe; der Blick, der das Gute in dir aufspürt; der Blick der Liebe, der dich bejaht, der dich wachsen lässt, der dich erwählt. Lebe unter dem Blick meiner Liebe. Lass dich von meiner heilenden Hand, von meiner Liebe berühren. Erkenne deine Würde, deinen Auftrag.
3.2 Lerne deine Mitmenschen mit meinen Augen, den Augen Jesu zu sehen.
  • Der Herr sagt dir und mir: Verlass dich nicht auf den Augenschein, auch nicht auf deine Menschenkenntnis und schon gar nicht auf das Leutsgerede. Denke bei jedem Menschen, der dir begegnet, den du kennen lernst, dass er ein Geheimnis ist, das nur ich kenne. Gott kennt ihn schon lange. Gott kennt ihn besser, als du ihn je kennen wirst. Gott kennt ihn besser, als er sich selber kennt. Er schaut ihn mit dem Blick seiner Liebe an.
3.2.1 Wenn ich einem Menschen begegne, werde ich mich also als Christ fragen: Wie würde Jesus mit ihm umgehen? Wähle ich Menschen nur aus nach Sympathie? Grenze ich sie aus, wenn sie mir unsympathisch sind? Geselle ich mich nur zu Menschen, die mir äußerlich gefallen, die auf meiner Wellenlänge liegen?
3.2.2 Ist meine Nächstenliebe eingeengt auf Wahlverwandtschaften?
Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Darum werde ich nicht Sympathie oder Antipathie zum Maßstab meiner Liebe machen. Ich werde vielmehr lernen, meine Mitmenschen mit seinen Augen zu sehen.

3.3 Lerne die ganze Schöpfung mit den Augen Gottes zu sehen
  • Der Herr sagt dir und mir: Vergiss nicht, dass die Erde und der ganze Kosmos meine Welt ist. Dir ist die Erde nur geliehen zum verantwortlichen Gebrauch. Du kannst und darfst mit ihr nicht machen, was du willst und kannst. Du bist mir verantwortlich. Vergiss mein Wort nicht, das ich in der Offenbarung des Johannes gesagt habe. Der Zorn und das Gericht Gottes kommen, um „alle zu verderben, welche die Erde verderben."[6] Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht.
  • Der Mensch schaut auf das Äußere, Vordergründige, Gott schaut ins Herz, auch ins Herz der Dinge. Er allein kennt ihr wahres Wesen ganz.
3.4 Lerne die ganze Wirklichkeit des gesellschaftlichen und politischen Lebens mit den Augen Gottes sehen.
  • In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben viele vor allem linke Politiker uns gepredigt, man müsse das kommunistische System in der DDR stabilisieren, damit in Mitteleuropa keine instabilen Verhältnisse eintreten, die den Frieden gefährden. Und dann brach 1989 plötzlich und unerwartet dieses System zusammen.
  • Der Herr sagt dir und mir: Lerne die Verhältnisse mit meinen Augen sehen. Denn das Unrecht und die Unterdrückung schreien zu mir. Ich kann die Herzen der Menschen bewegen und die Mächtigen vom Thron stürzen. Euer Gebet für eine menschliche, friedfertige Politik hat einen Sinn. Bedenken wir: Nur unsere Liebe kann den Hass besiegen, der oft von außen geschürt wird - denken wir nur an den Nationalsozialismus damals oder an die Rechts- und Linksextremisten heute. Ihnen dürfen wir unsere Stimme niemals geben.
  • Gott sieht unser politisches und gesellschaftliches Leben anders als diejenigen, die nur vom politischen Kampf reden, und denen jedes Mittel recht ist ihre Vorstellungen und Ideologien durchzusetzen.
  • Gott sieht nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Er sieht das Herz. Es wäre schlimm, wenn wir sehend blind wären, so wie die Gegner Jesu im Evangelium.
  • Also wird unser Vorsatz für letzten drei Wochen der österlichen Bußzeit heißen: Ich will mein Herz von Gott durch Buße und Beichte reinigen lasen und mit von ihm erhellten Augen der Wirklichkeit begegnen. Dann werden wir mit dem Herzen gut und richtig sehen.
Wir werden den Aufruf des Epheserbriefes beherzigen: »Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein.«[7]


[1] Lesungen: 1 Sam 16,1.6-7.10-13; Eph 5,8-14; Joh 9,1.6-9.13-17.34-38
[2] Jer 17,9
[3] Eph 1,18
[4] 1 Sam 16,7
[5] 1 Sam 16,6
[6] Offb 11,18
[7] Eph 5,14

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