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2008 (A) Osterzeit

Homlie zu Apg 2, 14.22-33 am 3. Ostersonntag in der Filialkirche in Rödlas Pfarrei Neunkirchen/Br.

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Befreiendes und heilendes Erinnern

1 Lebensauffassungen und Erfahrungen

1.1 Mit mehr als zwei dem christlichen Gauben widersprechenden Lebensauffasssungen

  • sind wir heute als Christen konfrontiert. Zwei drängen sich momentan besonders auf: Einmal ein kämpferischer, besonders von Philosophen und Wissenschaftlern vertretener Atheismus zum anderen sagen uns zum Islam konvertierte Deutsche, am Islam fasziniere sie, dass der Mensch keiner Erlösung bedürfe.
  • Unter dem Titel »Was führen die Atheisten im Schilde«? [1] beschrieb der englische Philosoph John Gray vor wenigen Tagen in der FAZ, was auf uns Christen in Europa zukommt. Der abgelehnte Gott ist Mode. Philosophen behaupten: Der Glaube stehe dem Fortschritt im Wege. Für sie ist Religion ein Gift, das bis heute für Gewalt und Unfreiheit sorge.
  • Dass die menschenverachtenden Weltanschauungen des Nationalsozialismus und des Kommunismus stalinistischer und maoistischer Prägung atheistische Diktaturen waren, bagatellisieren sie. Sie behaupten dreist, Religion sei etwas Schlechtes, das stehe fest, und habe im Westen daher auch keine Zukunft.
  • Ein zum Islam konvertierter deutscher Journalist, begründet seine Konversion zum Islam so: "Als mir klar wurde: Im Islam »gebe es keine Erbsünde, daher keine Erlösung, daher ist Jesus nicht am Kreuz gestorben, sondern Prophet... das ist genau das, was meinem Denken und Fühlen entspricht«.[2]

1.2 Ursprungssünde - Erbsünde

  • Der Ursprung und der Anfang jeder Sünde beginnt mit der Absonderung des Menschen von Gott und seinem Willen. Nach der Sintflut spricht Gott bei sich: » ...das Trachten des Menschen ist böse von Jugend an«.[3] Diese Neigung zur Absonderung als Folge der Ursünde ist jedem mit in die Wiege gelegt. Wenn wir in die Geschichte der Völker und auch des Einzelnen hineinschauen, werden wir entdecken, wie wahr dies ist. Der Christ verdrängt die negativen Seiten des Menschen und seiner Geschichte nicht. Er stellt sich ihr.
  • Der Kern der Erbsündenlehre, welche Gestalt sie auch immer haben mag, lautet: Christus ist der Erlöser aller Menschen, denn alle Menschen ohne Ausnahme haben Gottes Erlösung nötig.
  • Natürlich, für den selbstgenügsamen Menschen ist es schon eine Zumutung, sich nicht sich selbst, sondern Gott zu verdanken. Erst recht aber ist es für ihn provozierend, wenn ihm gesagt wird, dass er versagt hat und nach wie vor versagt, ohne dem aus eigener Kraft entgehen zu können. Ja, dass er seine Kräfte und Möglichkeiten einfach überschätzt, wenn er meint, den sündhaften Strukturen und schicksalhaften Verstrickungen in das Böse, entgehen zu können. Man braucht nur das Buch von Jonathan Littell, Die Wohlgesinnten,[4] zu lesen, um solche Verstrickung während der Nazizeit in ihrer ganzen Ausweglosigkeit zu begreifen.
  • Aber ganz unabhängig davon, welcher Theorie von Erbsünde einer anhängt, christlicher Glaube ist nicht möglich ohne die Grundaussage der Erbsündenlehre, weil der Glaube nicht darauf verzichten kann, zu sagen, dass der Mensch Gott als Quelle seines Seins und der Erlösung braucht. Was meint

1.3 Erlösung durch Jesus Christus?

  • Der Christ kann niemals von Sünde und Schuld sprechen, ohne zugleich auch von der in Christus den Menschen verheißenen und zugesprochenen Vergebung zu sprechen. Gott erbarmt sich des Menschen, und eben deswegen können Rechtfertigung, Erlösung und Heil nicht aus eigener Kraft des Menschen oder durch Verdienst seiner guten Werke kommen. Eltern, die ihre Kinder taufen lassen, stellen sie auf diesen Weg der Vergebung und des Erbarmens, öffnen ihnen die Tür zur Erlösung, die Gott uns in Jesus Christus eröffnet hat.
  • Christus, der ganz dem Willen Gottes gehorsam war, befreit uns durch seine Selbsthingabe, die allen gilt, den ihn lästernden Feinden genauso wie dem mit ihm gekreuzigten um Erbarmen bittenden Raubmörder, seiner Mutter und seinem Freund Johannes. Der Petrusbrief drückt dies aus mit dem für jüdische Ohren bedeutsamen »ihr seid losgekauft durch das Blut des Lammes ohne Fehl und Makel«.[5]
  • Wirklichkeitsnah denkende und empfindende Menschen wissen, keiner kommt ohne Sünde durchs Leben. So offenbart die Sünde einerseits die Ohnmacht des Menschen, anderseits offenbart Gott an der Sünde die Größe seiner Gnade. Menschliche Schuld wird in Christus zur "glückseligen Schuld" ("felix culpa").

2 Daran erinnert Petrus in der 1. Lesung

Schon in der Art wie Lukas den Auftritt des Petrus und der Elf schildert, wird die große Bedeutung seiner Rede deutlich: »Am Pfingsttag trat Petrus auf, zusammen mit den Elf; er erhob seine Stimme und begann zu reden«. Auch wie Petrus seine Zuhörer anredet, zeigt, dass er alle meint. "Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem! Dies sollt ihr wissen, achtet auf meine Worte!" Wovon spricht Petrus?

2.1 Er erinnert an das, was Jesus in ihrer Mitte getan hat.

  • Und wie Gott dieses Tun Jesu »beglaubigt hat, durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen." Er erinnert seine Zuhörer daran, dass dies in ihrer Mitte geschehen ist und sie nicht sagen können, sie hätten davon nichts mitbekommen.

2.2 Petrus tritt als mutiger Prediger auf.

  • Nicht irgendwo, sondern in Jerusalem. Das erfordert Mut. Denn Jerusalem ist der Hinrichtungsort Jesu. Alle wissen, was sich dort vor wenigen Wochen abgespielt hat. Und nun wirbt Petrus nicht für sich, sondern für diesen Hingerichteten. Petrus hat keinen Grund, sich selbst anzupreisen. Immerhin hat er Jesus dreimal verleugnet.
  • Doch jetzt stellt sich der ehemalige Versager freimütig in den Dienst seines auferstandenen Herrn. Jesus als »seinen Herrn« öffentlich zu proklamieren, war eine politische Provokation ersten Ranges. Diesen Titel beanspruchten die römischen Herrscher, die sich als Götter verehren ließen. Und nun kommt Petrus und verkündet einen Hingerichteten als Herrn über alle Herren.
  • Welche Wandlung muss seit der Kreuzigung Jesu in Petrus vorgegangen sein, dass er nun mit so großem Freimut die Schuld seiner Zuhörer am Tod Jesu beim Namen nennt! Diesen von Gott beglaubigten Jesus »habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht«.

2.3 Dabei bleibt Gott mitten im Geschehen

  • Der Vorwurf des Petrus ist nämlich eingebettet in die Worte »ihn der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde«. Es ist nicht ein blindes Schicksal, das Jesus getroffen hat. Gott hat es voraus gewusst und gesehen, dass die Menschen so an Jesus handeln würden. Es war sein Wille, dass Jesus, sein Messias, dies an sich geschehen lässt. Nicht damit Neid und Gesetzlosigkeit triumphieren, sondern Gottes Macht auch mitten in der Bosheit der Welt offenbar werde. Nun ist der Höhepunkt der Verkündigung erreicht: »Er (Gott) hat ihn (Jesus) von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde«.

2.4 Petrus erinnert prophetische Schau Davids,[6]

der über die Auferstehung des Christus sagt: »Er (Gott) gibt ihn nicht der Unterwelt preis, und sein Leib schaut die Verwesung nicht«.[7] Aber damit ist das Heilsdrama Gottes mit der Welt und den Menschen noch nicht zu Ende.
  • Jetzt erst, nachdem Petrus die an Jesus offenbar gewordene Macht Gottes verkündet hat, spricht er davon, was der Auferweckte an ihm und den anderen Aposteln gewirkt hat: Jesus wurde in seiner Auferstehung durch die rechte Hand Gottes erhöht und empfing vom Vater den Heiligen Geist. Er ist also ganz und gar in das innergöttliche Leben mit hinein genommen, hat ganz Anteil am Gottsein. Eins mit dem Vater im Heiligen Geist gießt er diesen über seine Jünger aus.
  • Die Folgen dieses Beschenktseins mit dem Heiligen Geist können die Zuhörer des Petrus hören und sehen. Petrus steckt mit seiner Freude und Be-Geisterung seine Zuhörer und Zuhörerinnen an. Er gewinnt sie für diesen Herrn. Die Petrusrede richtet an uns heute die Frage, ob wir als Christen österliche Freude ausstrahlen und begeistern können! Das zeichnet uns Christen aus:

3. Wir können und sollen uns erinnern.

3.1 Angesichts der Geschichtsvergessenheit

moderner Atheisten und des Verdrängens der Schuld durch viele Zeitgenossen, sowie der Geschichtsschönung durch den Islam, fragt uns Johann Baptist Metz in seinem Buch »Memoria passionis«:
  • »Wo gibt es in Europa eine Gegenkultur zu der um sich greifenden Zivilisation des Vergessens, wo eine Kultur des Eingedenkens, eine Gedächtniskultur, die den richtungslosen Turbulenzen unserer Beschleunigungsgesellschaft humane Identität abringt? Eine Identität, die sich nicht gegen fremdes Unglück und nicht gegen das Leid, nicht gegen das vergangene Leid abdichtet?«[8]

3.2 In der Religion Israels wie des Christentums war die Erinnerung immer ein zentraler Bestandteil des Lebens und Kultes.

  • Jährlich erinnert Israels durch die Pessachfeier an die Befreiung aus der Sklaverei Ägyptens und an den Bund Gottes mit seinem Volk.
  • Interessanter Weise sind die Passionsberichte der Evangelien der älteste Teil des Neuen Testaments. Die Wirklichkeit des Lebens, auch Kreuz und Tod werden im Christentum nicht verdrängt, sondern bewusst wahrgenommen und kultisch erinnert und feiernd vor Gott gebracht.
  • So gilt gerade für das Christentum, wie Metz sagt, "dass es nicht nur ein Gedächtnis »hat«, sondern dass es in seinem Kern ein Gedächtnis »ist: «: die Erinnerung des Leidens, des Todes und der Auferweckung des Christus." Wir dürfen uns des Schweren, auch des Scheiterns erinnern, weil es nicht das Endgültige ist, weil Gott daraus den Ausweg weiß und schenkt, wie uns die Auferweckung Jesu von den Toten zeigt.
Aber nicht nur des Schweren und Harten sollen wir uns erinnern, sondern auch dessen, was Mut und Hoffnung macht. Das heutige Evangelium überliefert uns ein solch

3.3 Wirklichkeitsbezogenes Erinnern der Jünger.

  • Diese dritte Begegnung mit dem Auferstandenen fängt sehr alltäglich und frustrierend an: Die Jünger gehen fischen - und fangen keinen einzigen Fisch. Leerlauf, wie schon so oft. Eine Erfahrung, die wir beruflich und persönlich auch machen. Sie kann einen in die Resignation und Freudlosigkeit hineintreiben, die Antriebskraft lähmen.
  • Und doch plötzlich ändert sich alles, plötzlich wird Ostern, wo vorher Resignation, Trauer, Rückkehr in den Alltag war. Ausgerechnet in einem Moment, da niemand es erwartet hätte, ist das Netz voll mit 153 Fischen, so vielen Fischen, wie es nach damaliger Kenntnis Fischarten gab.
  • Der wunderbare Fang hält fest, wie unerwartet das Leben gelingen kann, wenn wir wie Petrus und seine Gefährten auf die Stimme des Auferstandenen hören.  Solche österliche  Augenblicke gilt es im Alltag wahrzunehmen, festzuhalten, zu erinnern. Es ist die staunende Erkenntnis, dass auf den Karfreitag Ostern folgt. Zum österlichen Durchbruch gehören wie bei einer Geburt die Schmerzen und Wehen. Erst die Schmerzen - der Karfreitag, dann das neue Leben, das der Auferstandene schenkt.
  • In den Ostermotiven von Fisch und Brot zeigt sich, dass die Begegnung mit Jesus eine existenziell nährende und sehr konkrete Angelegenheit ist. Der Auferstandene erscheint nicht abgehoben, sein Bezug zu den elementaren irdischen Bedürfnissen ist nicht gebrochen.
  • »Kommt her und esst«! Jetzt, da wir Eucharistie, seinen Tod und seine Auferstehung und sein Wiederkommen in Herrlichkeit feiern, sagt er uns dies. »Kommt her und esst«! Kommen wir, essen wir, lassen wir uns von ihm beschenken, damit unsere Netze sich füllen und unser Hunger gestillt wird. Der Glaube an den Auferstandenen wirkt Wunder. [9]


[1] Frankfurter Allgemeine 29. März 2008 Nr. 74, Z1
[2] Katholische Welt, BR II; 30.3.2008, 8.00 Uhr
[3] Gen 8,21
[4] Jonathan Littell, Die Wohlgesinnten, Berlin Verlag
[5] 1 Petr 1,18f.
[6] Apg 2, 24 ff. Ps 16,8-10
[7] Apg 2,31
[8] Johann Baptist Metz, Memoria Passionis, Herder 2006, S. 238
[9] (Laacher Messbuch 2008 S.375)

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