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2008 (A)

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Homilie am 2.Advent in der Sonntag Vorabendmesse und in der Sonntag Abendmesse in St. Michael Neunkirchen

DBH-89/12 2. Adventssonntag (A) Aus Isai wächst ein Reis hervor (Jes 11,1) Buchmalerei, um 1345.jpg
DBH-89/12 2. Adventssonntag (A) Aus Isai wächst ein Reis hervor (Jes 11,1) Buchmalerei, um 1345.jpg
Ein Junger Trieb aus Isais Wurzel

»Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt«.

  • Eindringlich macht Johannes auf den Ernst der Lage aufmerksam und fordert seine Zuhörer und uns auf, umzukehren und gute Frucht zu bringen. Das Fällen eines Baumes ist ein Bild für unser Sterben, unseren Tod
  • Ungezählte Fichten und Tannen fallen in den Wochen des Advent der Axt oder der Säge zum Opfer, werden von ihrer Leben spendenden Wurzel getrennt. Von der Wurzel getrennt werden, bedeutet den Tod.
  • Jesaja sieht einen seltsamen »Christbaum«: die Wurzel Jesse, die radix, den bloßen Stumpf. Aus seiner Wurzel lässt Gott einen neuen Trieb wachsen.

Advent ist ein Gang zur Wurzel.

  • Barbarazweige und Weihnachtsbäume sind schön, doch haben sie einen Schönheitsfehler: Sie sind wurzellose Pflanzen. Sie haben den Bodenkontakt verloren, wurden gekappt. Was hilft ihnen ihr tolles Outfit? Es sind Lebewesen ohne Zukunft, dem Tod, dem Kompost oder Feuer geweiht.
  • Für kurze Zeit erfreuen diese grünen Bäume unsere Augen. Ein schnell nadelndes vergängliches Glück. Spätestens nach dem Dreikönigsfest fliegen die Weihnachtsbäume in hohem Bogen zum Tempel und aus unseren Wohnzimmern hinaus. In manchen Kirchen halten sie sich bis zum Fest der Darstellung des Herrn im Tempel.
  • Natürlich sind es praktische Gründe, die Bäume ohne ihre Wurzeln aufzustellen. Und doch: Das kurze Leben der von ihrer Wurzel getrennten Weihnachtsbäume – könnte es nicht Zeichen unserer wurzellos gewordenen Zivilisation sein?
  • Der Baum ist eine Sinn-Brücke zwischen oben und unten, Himmel und Erde. Faszinierend ist seine Gestalt. Was aber sollen wir mit einem Baum anfangen, der wurzellos, haltlos, künstlich gestützt in der Landschaft, in unseren Wohnzimmern und Kirchen herumsteht?
  • ”Man schneidet nicht die Wurzeln ab, aus denen man stammt,“ kritisierte Papst Johannes Paul II. im Sommer 2004 die buchstäblich ”Gott-lose” neue EU-Verfassung. Ohne es zu wollen, könnten also unsere wurzellosen Weihnachtsbäume sogar ein Gleichnis für die eigene Herkunftsvergessenheit sein.

Gibt es auch einen anderen Christbaum?

  • Einen, der diesen Namen verdient, den keine Macht der Welt entwurzeln und abschneiden kann? ”An jenem Tag wächst aus dem Baumstumpf Isais ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“ Unser Blick wird von Jesaja nicht auf einen stolz und hoch aufgeschossenen Weihnachtsbaum gelenkt, sondern auf einen Baumstumpf und auf das, was sonst verborgen im Erdreich bleibt: die Wurzeln. Der Prophet regt also zum Tiefgang an.

Advent – stille Zeit mit Tiefgang

  • Der Advent ist eine Zeit, in der wir unserer Existenz, unserem Leben und unserer Zukunft auf den Grund gehen sollen, buchstäblich sollen wir ”zu Grunde” gehen! Stille Zeit als Chance zum Tiefgang! So kann sich jeder von uns fragen:
Muss ich mir eingestehen, eher wie ein gefällter, abgesägter Baum zu leben, ohne Tiefgang, oberflächlich wie ein Flachwurzler?
Oder lebe ich so rasant und flüchtig, dass ich nie und nirgends Wurzeln greife?
Wer stand an der Wurzel meines Lebens, wer hat mich gepflanzt, begossen, gedüngt?
Was für Gedanken steigen aus den verborgenen Wurzeln meines Inneren hoch?
Was wird davon in Stamm und Wipfel, in meinem Alltag, sichtbar?
Wie viele Wurzeln der Hoffnung und Sehnsucht wurden in mir im Lauf der Zeit gekappt?
  • Das Wort »radikal zu sein« hat heute keinen guten Klang. Fanatiker, Terroristen nennen wir Radikale. Aber es gibt eine Radikalität, ohne die der Glaube vertrocknet. Radikal kommt vom lateinischen radix. Radix ist das lateinische Wort für Wurzel.
  • Eine Kirche, die zwar äußerlich prächtig dasteht - wie ein aufgeputzter Weihnachtsbaum - macht zwar etwas her, ist aber ohne Saft und Kraft. An sie könnte die Axt gelegt werden, sie wäre höchstens noch gut für Brennholz.

Advent Zeit, um radikal zu werden

  • Advent ist die von Gott uns eingeräumte Gelegenheit, radikal zu werden und zu entdecken: Ich habe mich nicht selbst gepflanzt! Ich weiß, wo ich als Mensch und als Christ herkomme. Ich habe einen festen Stand-Ort gefunden und kann darum - wie ein lebendiger Baum - dem Himmel entgegenwachsen.
  • Die Inder und die islamische Mystik kennen das Bild vom »umgekehrten Baum«: Seine Wurzel ist im Himmel. Dieser Weltenbaum wächst von oben nach unten und breitet seine Zweige wie Sonnenstrahlen auf der Erde aus. Ein schönes Hoffnungsbild, wie aus einem Adventskalender!
  • Der »Christbaum«, ist also ein Baum, der von oben nach unten und von unten nach oben wächst; denn Christus hat seine Wurzel nicht allein in der Mutter Erde, sondern im Herzen des Vaters; er wächst von oben nach unten - zugleich aber aus dem Schoß Marias von unten nach oben. Darum gibt es in den Evangelien sowohl den irdischen Stammbaum Jesu, wie sein gezeugt werden durch Gottes Heiligen Geist im Schoß Mariens.

Der Stammbaum Jesu steht tief verwurzelt in Gottes Willen.

  • Das Haus Davids ist nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels, nach der Wegführung der Elite in die Babylonische Gefangenschaft nur noch ein Stumpf. Kann Gott mit einem Stumpf etwas anfangen? Jesajas Vision ist eine kleine Paradiesgeschichte. Reicht unsere kleine Hoffnung, um an die schöpferische Macht Gottes zu glauben?
  • Ein Stumpf - mehr nicht! David ist lange tot. Abgestorben erscheint zur Zeit des Jesaja der Wurzelstock. Davids Vater Isai oder Jesse war ein unbedeutender Hirte in Betlehem. Die gute Nachricht des Propheten ist: Mit dieser Wurzel kann Gott Neues anfangen, hat er längst Neues begonnen!
  • ”Aus nichts wird nichts,“ sagen wir gern. Wo die Wurzel noch da ist, kann etwas werden, sagt der Gott Israels. Gott kann auch mit denen etwas anfangen, die sich aufgeben, die sagen, ich bin für Gott zu alt oder zu jung ... Mitten in der tiefsten Christnacht bricht etwas hervor, was wir an Weihnachten singend wahrnehmen "Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art, und hat ein Blümlein bracht mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht." (GL 132)

Unser »Christbaum«

  • ist der vom Propheten Jesaja verheißene Messias Gottes, in dem Gott in Menschengestalt und seit seiner Auferstehung als der beim Vater Erhöhte auf uns zukommt. Nehmen wir diese Hoffnungsworte des Propheten mit in die nächsten zwei Wochen des Advents.
  • Günther Eich hat gesagt ”Wer möchte leben ohne den Trost der Bäume?“ Wir dürfen dazu sagen „Ich kann nicht leben, ohne den Christbaum.“ Ein armseliges Trieb aus der Wurzel Jesse mit großer Zukunft: das kleine Kind von Betlehem und Nazaret. Jesus, der später durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung das Kreuz in den Baum des Lebens verwandelte.
  • Nazareth, der Name des Ortes, in dem Jesus aufwächst, Nazaret, heißt zu deutsch so viel wie Sprossdorf, Sprossingen. Das Wunder sprosst lautlos. Nur Maria und Josef wissen darum. Aus der Wurzel Jesse sprosst Großes hervor. So passt das, was Jesajas Hoffnungsaugen erblicken, zu dem, der in ”Sprossendorf” aufwächst; und es passt zu Maria, dieser tief in Gott und seinen Verheißungen verwurzelten Frau.
  • Jesajas Verheißungsworte kommen auch uns entgegen, die wir oft so ratlos und entmutigt sind. Denn wir sind und bleiben durch die Taufe mit diesem aus der Wurzel Jesse gewachsenen Baum, mit Christus, verbunden. Er verbindet Juden und Christen auf ganz innige Weise. Leider haben wir Christen dies erst nach dem Holocaust und durch das 2. Vatikanische Konzil erst wieder neu entdeckt.
  • Alle Menschen, Juden und Nichtjuden, sollen sich als von Gott in Jesus Christus Angenommene erkennen. So können sie fähig werden einander in ihrer Verschiedenheit als Söhne und Töchter des einen Gottes anzunehmen.
  • Der Wegbereiter des Messias, Johannes, ruft zur Umkehr. Zu ihm müssen wir umkehren. Wenn wir in dem von Gott verheißenen Messias wurzeln, wachsen wir in ihm zum Himmel, zur Fülle des Lebens empor. Christus ist der Baum des Lebens, unser Christbaum. Für ihn schmücken wir uns durch Umkehr und Erneuerung des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.

    Das wäre ein »Schmuck« der jeden anderen Christbaumschmuck weit übertrifft. Kein Lametta, keine bunten Glaskugeln, keine Strohsterne kämen an ihn heran.