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2008 (A)

Homilie am 19.Sonntag A in der Filialkirche St. Johannes d.T. in Großenbuch

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Herr, rette mich'  Alfred Heller 1959 Mein Primizbild
Herr, rette mich" Alfred Heller 1959 Mein Primizbild
Habt Vertrauen, ich bin es, fürchtet euch nicht![1]

 

 
1 Jesus schickt seine Jünger in Seenot

Der Text des heutigen Evangeliums hat mich schon immer stark berührt. In einer Art Vorahnung ließ ich mir die Szene, da der auf dem Wasser wandelnde Jesus den versinkenden Petrus vor dem Untergang rettet, als Primizbild malen. Es hängt bis heute in meinem Arbeitszimmer. Wer zur Jüngerschaft gehört, wer im Boot der Kirche ist, wird wie die Jünger im Evangelium folgende Erfahrung machen:
Jesus selbst schickt seine Jünger los, ans andere Ufer zu fahren. Dabei geraten sie in Sturm und Seenot. Jesus selber zieht sich auf einen Berg zurück, um in der Einsamkeit zu beten. Jesus betet zum Vater, während die Jünger sich abstrampeln.
  • "Das Boot war schon viele Stadien vom Land entfernt und wurde von den Wellen hin- und her geworfen; denn sie hatten Gegenwind." [2]
  • Auf der Fahrt zum anderen Ufer, durch die Menschheitsgeschichte, vom Diesseits zum Jenseits, bläst uns als Kirche immer ein widriger Wind ins Gesicht. Wir mühen uns ab, und kommen doch nicht voran. Noch nie sind so viele Gottesdienste angeboten worden. Aber die Besucherzahlen sinken stetig.
  • Eltern, die versuchen, den Glauben an ihre Kinder weiterzugeben, müssen erleben, dass ihre Kinder andere Wege gehen. Nicht wenige Jugendliche und junge Erwachsene stehen der Kirche mit Unverständnis, ja Ablehnung gegenüber.
  • Viele gläubige Christen quält die Frage: Wie wird es weitergehen? Wird man morgen noch glauben? Warum lässt der Herr seine Kirche hängen? Denken wir daran, während wir uns abmühen, betet Jesus zum Vater für uns.

2 Jesus kommt zu seinen Jüngern

Genau in dieser Situation des Gegenwindes und vergeblichen Sich-Abmühens kommt Jesus zu seinen Jüngern, zu uns. Sie aber reagieren mit Angst und Entsetzen, weil er auf ungewöhnliche, unerwartete, fast gespenstische Art und Weise zu ihnen kommt.
  • Und wie reagieren wir in der gegenwärtigen Situation der Kirche bei uns in Deutschland? Begegnen wir den Umbrüchen unserer Zeit nur mit Angst und Pessimismus? Ist unser Antwort auf die Angriffe von Kritikern aber auch von Feinden der Kirche nur Bitterkeit und Resignation? Das Evangelium will uns deutlich machen, dass Kirchesein auch bedeuten kann, von den Stürmen der Zeit, dem Aufruhr des Denkens, hin- und her geworfen zu werden.
  • Glauben wir daran, dass gerade in dieser Situation der Herr zu uns kommen kann, ja kommen wird? Dass Jesus uns zuruft:"Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht."

3 Mit Petrus das Vertrauen lernen

  • Petrus kann nicht warten, bis Jesus im Boot angekommen ist. Er ist von Jesus so fasziniert, dass er alle Gefahr vergisst und das gemeinsame Boot der Jünger verlässt. Das gibt es ja auch heute: Menschen, die von Jesus fasziniert sind, aber mit der Kirche nichts am Hut haben, aus ihr innerlich auswandern oder auch austreten. Jesus ja, aber Kirche nein!
  • Als Petrus außerhalb des Bootes die Heftigkeit des Windes und die Gefährlichkeit des Wassers spürt, verlassen ihn Glaube und Mut. Er geht unter. Wer glaubt ohne die Kirche leben zu können, wird bald merken, wie sein Glaube immer mehr verdunstet. Wo das geschieht, wird auch der christliche Glaube, die befreiende Botschaft des Evangeliums nicht mehr bezeugt.
  • Gerade, wenn wir Jesus so wie Petrus lieben, werden wir erleben, dass wir untergehen, sobald wir aus dem Boot der Kirche aussteigen. Denn außerhalb des Bootes wird die uns bedrohende Wirklichkeit noch intensiver. Schnell geraten wir in Gefahr, von den wogenden Wellen des Lebens so in Anspruch genommen zu werden, dass wir Jesus aus dem Blick verlieren.
In aller unserem Glauben drohenden Gefahr dürfen und sollen aber auch wie Petrus schreien:
"Herr, rette mich!"
  • Dann ergreift uns seine Hand. Und er sagt uns: "Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?" Und Jesus bringt den Petrus und auch uns ins Boot zurück. „Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind.“
  • Mit Petrus lernen wir, dass unser Glaube nicht stark genug ist, um allein, ohne Kirche, auf Jesus zuzugehen. Wie er brauchen auch wir die Sicherheit des Bootes, der Jüngergemeinschaft, der Kirche.
  • Wenn Christen das Boot der Kirche verlassen, so tun, als bräuchten sie die Kirche nicht, als gäbe es Jesus ohne Kirche, ohne die Verbindung mit der Jüngergemeinschaft, werden sie untergehen.
  • Genauso wenig hilft es uns, wenn wir über die schlechten Zeiten und die böse Welt klagen. Dies hat nur zur Folge, dass die Angst uns zerfrisst und Christus immer mehr zur Unwirklichkeit verblasst, zum Gespenst wird, wie der auf dem See kommende Jesus.
  • Wir lebten Jahrzehnte in einer Weltgegend und geschichtlichen Stunde, da wir meinten, alles sei machbar. Ich denke, der Herr will uns durch den widrigen Wind der unserer Gesellschaft und vor allem uns als Christen ins Gesicht bläst, darauf aufmerksam machen, dass all unser Bemühen, das Sich-Abstrampeln, unser hektisches Arbeiten und Planen, unsere vielen Sitzungen, unsere Betriebsamkeit nichts helfen, wenn wir nicht nach ihm Ausschau halten und auf ihn unser ganzes Vertrauen setzen. Denn ER ist das Leitbild der Kirche.
  • Vielleicht müssen wir noch viel härter und bitterer die Vergeblichkeit unserer Bemühungen spüren, damit wir nicht am Ende das Leben der Kirche unserem Fleiß und unserem Geschick, anstatt seinem Kommen und seiner Gegenwart zuschreiben.
Es lässt uns aufhorchen, wenn es im Evangelium heißt:
"Und als sie ins Boot gestiegen waren, legte sich der Wind."
  • Die Gemeinschaft der Jünger mit Jesus in einem Boot, lässt den widrigen Wind aushalten und überwinden. Das ist Kirche. Die Antwort darauf, unsere Antwort ist die des Evangeliums:
  • "Die Jünger im Boot fielen vor ihm nieder und sagten: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn." [3] Allein in dir und durch dich ist Gottes Kraft, Gottes Reich in unserer Mitte. Was wir also brauchen ist

4 Eine verinnerlichte Kirche, die ganz nah bei Jesus ist und durch ihn die Angst überwindet.

  • Als Kirche, als Jüngergemeinschaft dürfen wir unser Heil nicht in der Betriebsamkeit suchen. Wir müssen still werden vor unserem Gott und in großer Ehrfurcht auf ihn hinhorchen, dann wird er uns wie dem Elija in der Lesung begegnen.
  • Betend und meditierend müssen wir auf ihn warten. Ihn lobend und dankend anerkennen als unseren Herrn, von dem allein Heil und Rettung kommt in Jesus Christus.
  • Wenn wir so Kirche sind, werden wir nicht in der Hektik der Zeit, im Wirrwarr der Meinungen, in den Kämpfen der Interessen untergehen.
  • In dem Augenblick, wo wir uns dem auferstandenen Herrn anvertrauen, glätten sich die Wogen. Diese Erfahrung habe ich schon oft gemacht. Nicht dass sich nach außen hin viel ändert. Die Welt wird weiter toben. Aber wenn wir uns auf den verlassen, der Jesus von den Toten auferweckt und zum Herrn des Alls gemacht hat, werden wir im Boot der Kirche sicher ans Ziel kommen.
  • Wir kommen zur Ruhe, wenn wir auf Jesus Christus vertrauen, der mit Petrus ins Boot der Kirche steigt. Als der Nachfolger des heiligen Petrus, unser Papst Benedikt vor 3 Jahren zum Weltjugendtag nach Köln und vor wenigen Wochen nach Sydney reiste, immer hat er die jungen Menschen und uns alle daran erinnert, dass wir voll Zuversicht mit ihm um Jesus im Boot der Kirche versammelt furchtlos durch das Meer der Geschichte fahren können.
  • Wie Petrus werden wir erfahren, dass bei allem Hin- und Her, allem Wirrwarr und aller Vergeblichkeit, er uns an die Hand nehmend vor dem Untergang rettet und uns im Boot der Kirche bergend Sicherheit schenkt.
  • Wie über Elija braust auch über uns der Sturm und das Feuer der Weltgeschichte hinweg. Und doch stehen wir wie er vor dem großen Geheimnis der Gegenwart Gottes mit verhülltem Gesicht.
  • Unseren leiblichen Augen nicht sichtbar, unseren Ohren kaum hörbar, aber den Ohren des Herzens sich wie leises Säuseln oder wie Martin Buber übersetzt, offenbarend sich unser Gott in verschwebendem Schweigen. Oder wie der große vor 2300 Jahren lebende Weise Chinas Lotse es ausdrückt: „Die größte Offenbarung ist die Stille. Rückkehr zur Wurzel heißt Stille.“ In der Stille beim Herrn sein, Aug und Ohr verschließend vor dem Getue und dem Lärm Welt. Das stillt den Sturm, macht das Leben tragfähig.
  • Mit verhülltem Gesicht nehmen wir die Gegenwart des Herrn wahr, die uns anrührt wie sanftes, leises Säuseln. Wenn wir wie Petrus mit ihm wieder ganz im Boot der Kirche sind, legt sich der das Vorankommen hindernde Wind.
Und wir werden wie die Jünger im Boot vor ihm niederfallen und bekennen: "Wahrhaftig du bist Gottes Sohn."
  • Wie die Apostel im Boot werden wir jetzt in der Eucharistiefeier, wenn er in der heiligen Wandlung in den Gestalten von Brot und Wein unter uns gegenwärtig wird, vor ihm niederkniend bekennen: "Wahrhaftig du bist Gottes Sohn."


[1] Homilie zu Mt 14, 22-33
[2] Mt 14,24
[3] Mt 14,33

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