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2009 C Advent

Homilie am 4. Advent in St. Michael Neunkirchen in der Sonntagvorabendmesse und im Pfarrgottesdienst

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Geborgen in Gott[1]
Wir alle leben in vielfältigen Beziehungsgeflechten:

  • am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, in der Freundschaft, in der Partnerschaft, in der Familie, in der Pfarrgemeinde, im Verein. Die Möglichkeiten, miteinander zu kommunizieren, in Kontakt zu kommen, sind heute nicht mehr zu überbieten. Entfernungen sind dank Internet und Telefon leicht zu überwinden, und es fällt schwer, Orte zu finden, an denen man alleine ist. Die Welt ist zusammengerückt, die Menschen sind einander äußerlich nähergekommen - und doch:
  • Die Einsamkeit nimmt zu, weil viele alles vom Menschen erwarten. Im Schwinden von Distanzen wächst die Distanziertheit. In der Quantität - der Vielheit - unserer Beziehungen und Kommunikation geht die Qualität leicht verloren. Immer mehr Menschen müssen erfahren, wie zerbrechlich menschliche Beziehungen sind. Beziehungswaisen nennen wir Kinder aus gescheiterten Ehen. Dabei sehnen sich viele Menschen danach, Beziehungen zu finden, die tragfähig und tragbar sind.
In diese Situation trifft ein Wort von Doris Runge. Es weist gleichzeitig einen Weg aus diesem Dilemma:

"Das Gegenteil von Einsamkeit ist nicht Zweisamkeit oder Geselligkeit, sondern Geborgenheit."

  • Geborgenheit erfährt, wer das Ich in einem verlässlichen Du bergen kann. So kann der Mensch zu einem erfüllten Leben finden, werden Beziehungen fruchtbar.
  • Unsere Sprache macht uns darauf aufmerksam, wie dies zu verwirklichen ist. Geborgenheit hängt etymologisch mit "bergen", also "Berg" zusammen. Wer auf dem Berg, der Burg, Schutz findet, der ist geborgen. Beziehungen müssen also zu Räumen werden, in denen der andere mit seinem Ich Schutz und Sicherheit erfährt; in denen das Ich, wie es ist, geschützt ungeschützt sein darf.
  • Der an Jahwe, den Gott und Vater Jesu Christi Glaubende weiß, wohin er sich in seiner Einsamkeit in seinem Bedrücktsein wenden muss; für ihn „wird der Herr zur Burg in Zeiten der Not.“[2] Mit dem Psalm 118 betete ich heute für in der Laudes: „Besser sich zu bergen beim Herrn als auf Menschen zu bauen.“[3]
  • Unsere Alltagswelt sieht anders aus: Im persönlichen Bereich sind heute viele Menschen unbehaust. Sie schwanken ständig in ihren Gefühlen hin und her. Sie haben ihr Leben auf keinen festen verlässlichen Grund gestellt.
  1. Sie haben nicht gelernt ihr Aggressionspotential in vernünftige Bahnen zu lenken. Es wird einfach am allernächsten Menschen ausgelebt. Ihm gegenüber ist die Hemmschwelle am niedrigsten. Das sind nicht selten die Eltern, der Ehepartner, die eigenen Kinder. Ständiges Schwanken der Gefühle zerstört die Liebe. So reduzieren sich familiäre Beziehungen zu reinen Zweckgemeinschaften. Aus der bergenden Burg wird eine Folterkammer.

 

Von Gelungener Beziehung, glücklicher Begegnung

 Ist im heutigen Evangelium die Rede.

  • Maria besucht Elisabeth. Wir können uns vorstellen, wie es in der jungen Frau ausgesehen haben mag, als sie erfährt, dass sie schwanger ist. Was sie jetzt braucht, ist Geborgenheit, in der sie die nächsten Wochen und Monate auf sich zukommen lassen kann. Nur so kann sie sich liebend ganz auf das werdende Kind in ihrem Leib einstellen. Wird sie ihm jene Urgeborgenheit schenken, die für das spätere Leben so wichtig sein wird.
  • Aufschlussreich ist, dass Maria in das Bergland Judäa wandert, wo Elisabeth zuhause ist. Der Engel Gottes hatte Maria darauf aufmerksam gemacht, dass die unfruchtbar scheinende Verwandte im 6. Monat schwanger ist. „Denn bei Gott ist nichts unmöglich.“ Das wunderbare Handeln Gottes ist es also, was bei aller räumlichen Distanz die junge Maria und die weitaus ältere Elisabeth verbindet.

Was ist die Basis ihrer Kommunikation?

  • Das Denken beider Frauen ist auf Gott und sein Heilshandeln ausgerichtet. Darum klappt zwischen ihnen die "Kommunikation“. Das zeigt die Reaktion der Älteren, deren Kind im Leib hüpft als Maria bei ihr ankommt. Zwischen den beiden, das spürt man, stimmt es, weil beide in Gott gegründet sind. Darum können zwei werdende Mütter einander die Geborgenheit geben, die sie angesichts ihrer jeweils denkwürdigen Umstände brauchen. Drei Monate etwa bleibt Maria bei Elisabeth, heißt es im weiteren Text des Lukasevangeliums
  • Freilich geht es bei der Aussage des Evangeliums um mehr als um die Erfahrung von Geborgenheit. Wir stehen an der Schwelle des Weihnachtsfestes. Es lädt uns ein, weg von den Oberflächlichkeiten unserer Beziehungen zu tieferer Ernsthaftigkeit zu finden.
  • Wir müssen uns wieder neu bewusst werden, jeder und jede einzelne von uns ist bereits im Du Gottes geborgen. Je mehr jeder von uns diese Wahrheit verinnerlicht desto mehr kann er Geborgenheit schenken.
  • Viele haben diese Geborgenheit in Gott nie gefunden, oder aufgegeben sie zu suchen, oder sie durch ihren Lebenswandel außer Kraft gesetzt. Dies wird ein Grund sein, dass heute so viele Beziehungen scheitern.

 

Die frohe Botschaft von Weihnachten lautet:

Gott wird Mensch, um uns bei unserer Menschwerdung und in unserem Menschsein befreiend und aufbauend nahe zu sein.

  • Gegen die Unzuverlässigkeiten und Unsicherheiten der Welt schenkt er grundlegende Geborgenheit. Er gibt Sicherheit und Schutz, damit wir sie anderen weiterschenken können. Das gelingt, wo einer die Würde des anderen achtet. »Als ein von Gott Angesehener und Geliebter will ich dir begegnen.«
Die beiden Frauen, Maria und Elisabeth machen es uns vor, wie das geht.

  • Schon wie sich begrüßen, zeigt, wie jede die andere als von Gott angesehen und gesegnet erkennt. Ihre Begegnung mündet in den großen Lobpreis Gottes, der dem kleinen und demütigen Menschen sein Ansehen schenkt. Hier wird eine Geborgenheit geschenkt, die aus dem Geborgensein in Gott fließt.

Wir »in Gott geborgen«

  • Eine 90jährige Apothekerin ließ in Münchberg auf ihren Grabstein schreiben: »In Gott geborgen«. Dies war die Grundeinstellung ihres Lebens. Bis ins hohe Alter hat sie mit der Kirche gelebt und aus der Mitfeier der Eucharistie Kraft und Würde empfangen.
  • Ähnlich dem, was Maria von Gott her geschah, geschieht uns in der Feier der Eucharistie. Wie sie werden wir durch Gottes Wort angesprochen. Wo dieses Wort angenommen wird, geschieht Einwohnung Gottes im Menschen und wächst Christus in uns.
  • In seinem Opfer und Mahl schenkt sich uns Christus mit seiner bis zum Äußersten gehenden Liebe und mit der Kraft seiner Auferstehung. „Das Brot das ich euch geben werde ist mein Fleisch - Das bin ich! - für das Leben der Welt.[4]“ Bis in unser Fleisch hinein will er als Person, als Gott und Mensch, als Gekreuzigter und Auferstandener eins mit uns werden. Er in uns wir in ihm.
  •  Als fortwirkende Frucht dieses Einswerdens schenkt er uns den Heiligen Geist, durch den Gottes Liebe in unsere Herzen, also in den Kern unserer Person, ausgegossen ist. Durch Jesus sind wir im Heiligen Geist in der Liebe Gottes geborgen.
  • Dies im Glauben annehmend werden wir die Mitfeier der Eucharistie nicht abhängig machen von der Person des zelebrierenden Priesters, nicht von den anwesenden oder nicht anwesenden Menschen, nicht von der persönlichen Gestimmtheit; denn nicht wir machen die Eucharistie, sondern sie macht uns zur Wohnung Gottes, zu Brüdern und Schwestern Jesu, zum Tempel des Heiligen Geistes. Sie nimmt von uns die Einsamkeit. Sie befreit uns von den ichhaften Fixierungen, davon, alles vom Menschen zu erwarten.
  • Mit dem Gebet »wachse, Jesus, wachse in mir«[5] können wir uns im Geiste Mariens auf das Fest seiner Geburt und auf sein Kommen in Herrlichkeit vorbereiten. Wenn er in uns wächst, Gestalt gewinnt, wird er die Einsamkeit in Geborgenheit verwandeln.
  • Mit Jesus können wir den Psalm in den Mund nehmen und sprechen: „ Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht.“[6]
  • So haben in Stunden der Einsamkeit sicher auch Maria und Elisabeth zu Gott gebetet. In ihm geborgen konnten sie einander offen und verstehend begegnen.

 

[1] Homilie zu Lk 1,39-45
[2] Ps 9,10
[3] Ps 118,8
[4] Joh 6,51 b
[5] GL 6,6
[6] Ps 18,3