Im heutigen Evangelium geht es um das Herzensanliegen Jesu: Die Einheit der an ihn Glaubenden. Wer sich dem Text stellt, spürt die Stille, aus der er kommt und in die er hineingesprochen ist. Der eng mit Jesus befreundete Johannes lässt uns zuhören, wie sein Freund und Meister mit seinem himmlischen Vater spricht.
Es ist ein Gebetstext, zuerst zum Beten, dann erst zum Grübeln geschaffen. Es sind Worte, die einen großen inneren Frieden, eine starke Gewissheit voraussetzen. Vielleicht tun sie gerade jenen gut, die im Lärm und in Unsicherheit leben. Es geht um
Betendes Hören.
Ich kann über diesen Text keine fulminante Predigt halten. Dadurch würde ich dem Evangeliumstext nicht gerecht. Die Predigt muss eher zurückhaltend, einfach im Stil sein. Ein ruhiges, meditatives Sprechen. Es soll zu betendem Hören führen. Wir werden uns also vom Beten Jesu tragen und führen lassen.
Damit das gelingt, müssen wir erst innerlich frei und ruhig werden. Der ganze Mensch muss wach und beteiligt sein, aber ganz ohne Verkrampfung.
Setzen wir uns ganz locker hin. Die Füße stehen fest auf dem Boden. Die Hände legen wir ineinander in den Schoß. Wir sagen uns: Ich bin jetzt ganz ruhig und still. Alles um mich herum ist jetzt unwichtig. Ich bin ganz Ohr. Ich lasse den Text auf mich wirken.
Vers 20: Jesus erhebt seine Augen zum Himmel und spricht:
„Heiliger Vater! Ich bitte nicht nur für sie, die du mir auf der Welt gegeben hast, sondern für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.“
Jesus betet. Er schaut empor. Sein ganzes Wesen ist auf den Vater ausgerichtet. Er bittet für seine Jünger. Die Stunde ist ernst. Das Leiden und der Tod stehen kurz bevor. Da denkt er liebend an uns. Er betet für uns, „für alle die durch das Wort der Apostel an mich glauben.“ Damals schon, bevor er stirbt, hat er an uns gedacht.
Der Vater hat Jesus auferweckt von den Toten. Er lebt. Er betet auch jetzt. Er tritt beim Vater für uns ein. Der geliebte Sohn, der am Herzen des Vaters ruht, betet für uns. Das ist gut, zu wissen.
Darum richten wir unsere Gebete durch ihn an Gott. „Durch Christus unseren Herrn“. Durch ihn haben wir Zutritt zum Vater.
V 21: Jesus betet weiter:
„Alle sollen eins sein, wie du Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“
Jesu erstes Anliegen ist: „wir sollen eins sein.“
Alle, die Christen sind, sich nach ihm nennen, sollen eins sein. Wie aber sieht die Wirklichkeit aus? Die Christenheit ist zerrissen, durch große und kleine Spaltungen uneins.
Und unsere Gemeinden? Auch da gibt es Parteiungen, Hinterhältigkeit, Ehrsucht, Gelten Wollen, Neid und Feindschaften.
Auch in unseren Familien ist die Einheit vielfältig gefährdet; denn jeder trägt ein bestimmtes Erbe in sich, hat seinen eigenen Charakter; ist geprägt durch sein schulisches und berufliches Umfeld; ist beeinflusst von den Medien, dem Denken und Verhalten unseres gesellschaftlichen Umfeldes.
Eins werden verlangt, dass wir miteinander sprechen, die Erfahrungen und Sichtweisen der Geschwister kennenlernen. Es soll wie ein altes lateinisches Sprichwort sagt, »sine ira et studio« »ohne Zorn und Eifer« geschehen. Man muss die Gunst der Stunde abwarten; denn, so sagt es alttestamentliche Weisheit »alles hat seine Zeit«. Dieser Austausch darf nicht in Streit, in Rechthaberei, in Gegnerschaft ausarten. Christen setzen sich nicht auseinander, sondern zusammen. Sie versuchen miteinander ohne Zorn und Eifer zu reden, einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Wir sollen eins sein, d.h. zuerst, wir hören einander zu. Wir lassen einander gelten, auch wenn wir verschiedener Meinung sind. Wir bemühen uns um Verständigung und Ausgleich. Wir sind uns bewusst, Einheit bedeutet nicht Unformierung. Das wäre eine schreckliche Verarmung. Gott, der die Vielfalt geschaffen hat, will eine Einheit in der Vielfalt.
Es gilt, sich täglich um die eigene innere Einheit zu bemühen, uns dafür zu öffnen, dass wir eins sind in Christus. Einheit kann nicht von oben her befohlen werden. Sie muss von unten und von innen her wachsen.
„Alle sollen eins sein, wie du Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.“
Das Urbild der Einheit in der Kirche, in einer christlichen Familie, aber auch unter den Konfessionen ist die Einheit des Vaters mit Jesus, und die Einheit Jesu mit dem Vater.
In Jesus begegnet den Menschen die Liebe des Vaters. Jesus war ganz offen für den Vater. Es hungerte ihn nach dem Willen des Vaters. Er nennt den Willen des Vaters die Speise, von der er lebt.[2] Dieser Wille des Vaters war ihm wichtiger als Brot, als Macht und Ehre, wie die Versuchungsgeschichte zeigt. Jesus kann von sich sagen: „Ich und der Vater sind eins.“ Und er bittet für uns: „So sollen auch sie in uns eins sein.“
Je mehr wir mit Jesus auf Gott hinhören und mit ihm leben, desto mehr wachsen wir untereinander zur Einheit zusammen; verstehen wir uns über alle Unterschiede hinweg. Wir können gut miteinander umgehen, weil wir uns in ihm geborgen und geliebt wissen. Wir müssen nicht »auf Teufel komm raus« Recht behalten oder den Sieg davon tragen.
vd 2009
Das Rad als Bild der Einheit in Verschiedenheit
Das Rad als Bild der Einheit in Verschiedenheit.
Ein Abt wurde von seinen Mönchen gefragt, wie es denn möglich sei trotz ihrer verschiedenen Herkunft, Veranlagung und Bildung eins zu sein.
Der Abt gab zur Antwort: „Stellt euch ein Rad vor. Da sind Felge, Speichen und Nabe. Zwei einander gegenüberliegende Punkte auf der Felge kommen dann einander näher und schließlich zusammen, wenn sie sich auf die Nabe zubewegen.
Wir stellen uns also ein Rad vor: Die Achse ist Gott. Um ihn dreht sich unser Leben. Die Nabe ist Christus. Er versammelt uns um Gott und bringt uns in die Nähe Gottes, sorgt dafür, dass sich unser Denken und Reden, unser Tun und Lassen um Gott dreht.
Die Speichen sind wir. Je näher wir Christus kommen, desto näher kommen wir Gott und auch einander. Die Felge ist der Heilige Geist. Er hält die Speichen zusammen und hilft, dass wir alle auf dem Weg des Lebens und des Glaubens vorankommen, dass das Rad unseres Lebens rollt.
Wenn wir Christen uns so von Jesus leiten lassen, wie Jesus sich vom Vater im Himmel leiten ließ, so werden wir untereinander eins wie Jesus mit dem Vater eins ist. Und was ist der Zweck solcher Einheit? „damit die Welt glaubt, dass Jesus vom Vater gesandt ist.“
Nur wenn wir, die Glaubenden, in Jesus eins sind und damit in Gott, ist die Botschaft, die wir zu verkünden haben, glaubwürdig. Durch unser Wort und Beispiel, die sich ganz an Jesu Wort und Beispiel orientieren, sollen die kommenden Generationen zum Glauben kommen.
Uneinigkeit d.h. jede Form von Rücksichtslosigkeit, Egoismus, Rechthaberei, Lieblosigkeit lähmt die Überzeugungskraft unseres Glaubenszeugnisses, sei es gegenüber der nichtgläubigen Welt, sei es gegenüber den Menschen, denen wir täglich begegnen. Im Psalm 133 steht das schöne Wort „Seht doch wie gut und schön ist es, wenn Brüder und Schwestern miteinander in Eintracht wohnen.“[3] In der Liebe zu einander leuchtet das wahre Wesen des unsichtbaren Gottes auf. So schreibt Johannes in seinem ersten Brief: „Niemand hat Gott je geschaut; wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet.“[4]
Jesus betet darum, dass wir eins sind. Unsere Einheit als Abbild der Einheit des Vaters mit dem Sohn, mit Jesus ist ein vom Geist gewirktes und immer neu zu wirkendes großes Wunder. Sie ist ein Geschenk, das denen zuteil wird die sich über Jesus dem Vater nähern.
Diese Einheit kann nicht organisiert, nicht befohlen und auch nicht vorgetäuscht werden. Sie wird im schlichten Tun der Liebe gelebt und erfahrbar.
Im Zusammenhang damit spricht Jesus von der Herrlichkeit, die er vom Vater empfangen hat und die er den Seinen weitergibt. „die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben.“
Herrlich nennen wir, was schön und gut, harmonisch und liebevoll ist. Herrlichkeit Gottes meint seine licht- und Leben spendende Erscheinungsweise, sein Heil, seine Liebe, die er schenkt. Das gegenseitige Ineinander von Vater uns Sohn ist herrlich. Jesus drückt dies mit den Worten aus: „Ich und der Vater sind eins.“ Die herrliche Einheit zwischen Vater und Sohn ist also lebendige und liebende Verbundenheit.
Sonntag für Sonntag kommen wir im Haus Gottes zusammen, um an dieser Verbundenheit zwischen Vater und Sohn teilzuhaben. Wir lassen das Wort Jesu und seine Hingabe in uns ein, damit auch wir den Willen des Vaters im Himmel tun und eins werden können unter einander.
Wir werden zu Menschen, die in der Vielfalt die Einheit leben und so etwas von der Herrlichkeit des Herrn in dieser Welt sichtbar und erfahrbar machen. Das Herzensanliegen Jesu, dass alle eins seien wie er mit dem Vater und der Vater mit ihm, soll auch unser Herzensanliegen sein. Erst dann verdienen wir den Namen »Katholische Christen». Christen, die das Ganze der Kirche und des Evangeliums im Blick haben.