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2010 (C)

Homilie am

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Reicher Mann und Lazarus (Lk 16,19-31) Buchmalerei, Verona, 13. Jh
Reicher Mann und Lazarus (Lk 16,19-31) Buchmalerei, Verona, 13. Jh
Den Abgrund überwinden

Wehe den Sorglosen

„Sorgenfrei“ leben zu können, wer wünschte sich das nicht. „Selbstsicher“ auftreten zu können, meinen wir, öffnet uns alle Türen. Ein unsicherer Mensch wird sich schwer tun, einen Job zu finden.

Das „Wehe den Sorglosen, den Selbstsicheren“ des Propheten Amos wendet sich im 8. Jht. vor Christus an Menschen im Nordreich Israel, die im Wohlstand, in politischer Stabilität und wirtschaftlicher Blüte leben.

 Denen, die Geld und Macht haben, geht es gut. Ihnen muss Amos das Gericht Gottes ansagen; Denn sie leben auf Kosten der von ihnen abhängig Gemachten und Gewordnen. „Weh den Sorglosen, den Selbstsicheren!“

  • Es macht dem Propheten keine Freude, mit Vorwürfen und Drohungen zu kommen. Aber er sieht zu klar, wie die führende Schicht ihre Verantwortung für die Armen im Volk Gottes vergisst. Amos weiß, dieses Verhalten führt in den Untergang.
  • Gemeint ist jene Sorglosigkeit, die sich in Faulheit zeigt, sich im Fressen und Saufen ergeht und sich nicht um die Zukunft des Volkes schert.
  • Mit der Erwählung zum Volk Gottes verträgt es sich nicht nach der Devise zu leben »Hauptsache uns geht es gut«. Wer die armen Lazarusse vor der Haustür, die Einsamen und Kranken in der Nachbarschaft nicht wahrnimmt, die Augen vor ihrer Not verschließt, wird im Gericht Gottes nicht bestehen können. Auch heute fühlen sich weltweit Menschen mit ihrer Not alleingelassen.
Einsamkeit als Massenphänomen greift um sich
  • Man könnte denken, vor allem alte Menschen seien einsam. Tatsächlich ist Alt-Werden auch oft mit Vereinsamung verbunden. Das ist besonders dann so, wenn nach Jahren gemeinsamen Lebens die Partnerin, der Partner stirbt, die Familie in alle Winde verstreut ist, Beziehungen und Freundschaften früherer Jahre nur noch Erinnerung sind.
  • Einsamkeit trifft aber auch junge Erwachsene, die nach dem Zerbrechen von langjährigen Beziehungen und Freundschaften oder durch den Verlust des Arbeitsplatzes ihr Selbstwertgefühl verloren haben und sich schwer tun, offen und vorurteilsfrei neue Freundschaften zu wagen.
  • Und es kann Menschen sehr einsam machen, wenn sie plötzlich krank und pflegebedürftig werden und der Radius des Lebens eingeschränkt ist.
  • Erschwerend kommt hinzu, dass die Reklame den Eindruck erweckt, Jugendlichkeit sei das alles beherrschende Lebensgefühl. In einer mehr  und mehr vergreisenden Gesellschaft und den damit verbundenen Belastungen für die im Arbeitsprozess Stehenden können die älteren Menschen sehr schnell zu Last werden, vor allem wenn sie krank und pflegebedürftig werden.
  • Darüber dürfen auch nicht die mobilen, konsumfreudigen, von Werbung und Politik umworbenen Senioren hinwegtäuschen. Die Frage ist, ob auch gebrechlichen oder altersverwirrten Menschen noch das Recht auf ein Leben in Würde und größtmöglicher Selbstbestimmung zugestanden wird, ob sie noch einen Platz in Bewusstsein der Jüngeren haben ‑ oder ob sie einfach vergessen und abgeschrieben werden.
  • Jeder Fall, in dem alte, alleinstehende Menschen erst Tage oder Wochen nach ihrem Tod entdeckt oder überhaupt nur vermisst werden, ist eine Anklage an unsere Gesellschaft, wo die meisten nur sich selbst die Nächsten sind.
Oft ist »alt sein, gleich einsam sein« auch ein Klischee.
  • Das mag durch das folgende verbürgte Beispiel deutlich werden: In einem Pflegeheim lebte eine hoch betagte Dame, 90 Jahre alt. Ihr Leben ist teilweise schwer gewesen. Zwei Weltkriege hat sie erlebt, im zweiten hat sie ihre vier Kinder großgezogen. Der Mann war früh verstorben. 18 Jahre lang hat sie als Kranführerin in einer großen Maschinenfabrik in Magdeburg gearbeitet. Und doch konnte sie sagen: "Ach, es ist wunderschön, so alt zu sein. Jeder Tag bringt so viele Überraschungen." Und dann fügte sie hinzu: "Das Leben ist so schön ‑ ich möchte keinen einzigen Tag von meinem langen Leben missen."
Sicher ist dies eine ungewöhnliche, besonders glückliche Erfahrung. Aber sie macht deutlich:
  • Wie Menschen mit ihrem Altsein zurechtkommen, hängt auch davon ab, ob sie von Jugend an gelernt haben, mit sich selbst und ihrem Leben zurechtzukommen, ihre Persönlichkeit zu entfalten, auf Menschen zuzugehen.
  • Ob sie gelernt haben, offen zu sein und Neues, auch Schweres zu bejahen oder wenigstens als Chance zu begreifen. Ob sie den gewählten Beruf trotz aller Mühen und die ihnen zugedachten Aufgaben gerne tun.
  • Denn wir alle leben wesentlich auch von dem, was andere für uns tun. Nur wer die Solidarität lebt, darf auch darauf hoffen, selber Solidarität zu erfahren.
Diese Einstellung auf das eigene Altwerden hin zu leben, ist sicher ein Geschenk. Aber es ist auch
  • Eine Aufgabe, die sich jeden Tag neu stellt.
  • Wie wäre es, wenn wir bei unseren täglichen Aufgaben und Pflichten nicht immer nur danach schielen, ob uns denn genug Anerkennung und Lob zuteil wird. Wie wäre es, wenn wir es einmal mit dem Rat des Apostels Paulus im Kolosserbrief versuchen würden „Tut eure Arbeit gern als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen“[1]
  • Sicher gibt es viele alte Menschen, die abgeschrieben und vergessen sind. Und gerade die aktuelle Diskussion um die Sterbehilfe macht eine große Gefahr deutlich: Hinter der Fassade humanitärer Argumente kann sich eine Einstellung verbergen, die besagt, dass Menschen unserer Gesellschaft schnell keine Solidarität mehr wert sind, wenn sie nicht mehr gebraucht oder zur Last werden.
  • Aber gilt dies nicht auch für andere Altersgruppen? Ließe sich nicht auch sagen, Einsamkeit sei ebenso sehr alt wie sie jung sein kann? Überall und in allen Altersstufen gibt es Menschen, die nicht gebraucht werden. Kinder und Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung auf die niemand wartet. Arbeitnehmer und Chefs, die überfordert sind, Eltern, die mit ihren heranwachsenden Kindern nicht zurechtkommen. Die mit ihren Sorgen alleingelassenen Alleinstehenden, denen die Decke auf den Kopf fällt.
  • Es gibt kein Leben ohne Frustrationen und Sorgen. Aber es gibt auch die Einladung des Apostels Petrus, wir sollten unsere Sorgen bei Gott abladen, „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch.“[2] Vielleicht geht es heute deshalb so vielen psychisch schlecht, weil sie diesem Rat nicht mehr nachkommen. Es geht für jeden von uns darum
Den Abgrund zu überwinden
  • Im Evangelium ist am Schluss von dem Abgrund die Rede der den reichen Prasser von dem armen von Gott aufgenommenen Lazarus in der Ewigkeit trennt. Dieser Abgrund ist nach dem Tod unüberwindlich. Er muss in diesem irdischen Leben überwunden werden. Er wird von denen, denen es jetzt gut geht und die genug haben, durch ihre Zuwendung zu den Armen und Einsamen überwunden.
Der Kirchenvater Basilius von Cäsarea schreibt im 4. Jahrhundert,
„Dem Hungrigen gehört das Brot, das du zurückhältst,
dem Nackten das Kleidungsstück, das du im Schrank verwahrst,
dem Barfüßigen der Schuh, der bei dir verfault,
dem Bedürftigen das Silber, das du vergraben hast.
Aber du bist mürrisch und unzugänglich, du gehst jeder Begegnung mit einem Armen aus dem Weg, damit du nicht genötigt wirst, auch nur ein Weniges abzugeben.
 Du kennst nur die eine Rede: Ich habe nichts und kann nichts geben, denn ich bin arm. Ja, arm bist du wirklich: arm an Liebe, arm an Gottesglauben, arm an ewiger Hoffnung.“

Erntedank und Schenken

Am nächsten Sonntag ist Erntedankfest. Wir sollten nicht nur für die Ernte dieses Jahres und die Früchte unserer Arbeit danken. Vielleicht kannst du persönlich auch dafür danken,
  • dass du Menschen hast, die dich lieben und dir beistehen, dass andere Menschen für Dich arbeiten, wie du für andere arbeitest, so dass wir Essen und Kleidung haben, Lesen und Schreiben lernten, fahren können von einem Ort zum anderen. Wir könnten dafür danken, dass wir uns oft gegenseitig stützten, für einander da sind, oft ohne es registrieren.
  • Genauso wichtig ist, dass wir Gottes Gaben mit denen teilen, die sie entbehren: Mit den Hungernden die Nahrung, mit den Einsamen unsere Zeit, mit Ungebildeten die Bildung. Wenn wir jetzt die Kluft überwinden, die uns von den armen, einsamen Menschen trennt, dann werden wir jetzt schon und in der Ewigkeit mit Gott und mit ihnen vereint erfüllt leben dürfen.
  • Sorglos und selbstsicher nur an sich denkend leben hat keine gute Zukunft. Nach den Versen des Antwortpsalms 146 heißt im Sinne Gottes zu leben, sich sorgen um die Armen und Kranken, den Unterdrückten zu ihrem Recht zu verhelfen, den Blinden die Augen für Gott und die Liebe zu öffnen, die Gebeugten aufzurichten, die Fremden zu beschützen, den Waisen und Witwen zu ihrem Recht zu verhelfen.[3]
  • Das ist ein ganzes Paket von Sorgen, das uns zu überfordern scheint. Aber wir sind damit nicht allein gelassen. Wir haben Gott und seinen Messias an unserer Seite. Gott macht all diese Sorgen zu den seinen. Im dürfen wir sie anvertrauen. IHN als unsere Stärke und Freude zu erkennen und lobpreisen[4] lässt dieses Leben aushalten, die Freude bewahren und schenkt uns ewige Zukunft in der Fülle des Lebens bei Gott.
  • Zum Volk Gottes gehörend dürfen wir mit Mose - der nach der wunderbaren Rettung aus der Hand der Ägypter Gott preist - bekennen „Meine Stärke und mein Lied ist der Herr. Er ist für mich zum Retter geworden. Er ist mein Gott, ihn will ich preisen“.[5] An der Sorge Gottes für die Armen und Hilfsbedürftigen teilnehmend werden wir den Abgrund überwinden, der den sorglosen und selbstsüchtigen Menschen vom Himmel trennt.


[1] Kol 3,23
[2] 1 Petr 5,7
[3] Ps 146,7-10
[4] Ex 15,2

[5] ebd.

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