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2010 (C)

Homilie zur Goldenen Hochzeit von Inge und Erwin Sippel am Fest Verklärung Christi in der Augustinuskapelle Neunkirchen a. Br.

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 Ehe woher – wohin - wofür

Ehe - ein Drahtseilakt?

Auf dem Liedblatt eines Brautpaares war auf der Titelseite Folgendes abgebildet:  Ein Mann und eine Frau, jeder in den Händen eine Balancierstange gehen auf einem Drahtseil aufeinander zu. Ein nachdenklich machendes Bild.
  • Ehe ein Drahtseilakt? Auf welch ein Abenteuer haben Sie sich beide vor 50 Jahren eingelassen? Jeder musste die Balance finden und bewahren, damit Euere Begegnung ohne abzustürzen Bestand hatte. Zwei ganz verschiedene Menschen begegneten sich da, eine Frau und ein Mann. Jeder hat mit seiner eigenen Prägung und Geschichte, seine lichten und seine dunklen Seiten.
  • "Wir haben uns gefunden", so sagen fast alle sich liebenden jungen Paare. Vielleicht wäre es besser zu sagen: "Wir sind einander begegnet und haben uns miteinander auf den Weg gemacht."
  • Sie beide haben sich vor 50 Jahren miteinander auf den Weg des Lebens gemacht. Nicht ahnend, was ihnen alles blüht.
  • Auch die Jünger Jesu ahnten nicht, was ihnen alles im Guten wie im Schlimmen blühen sollte, als sie sich mit Jesus auf den Weg der Nachfolge machten.

Auf dem Weg nach Jerusalem

  • Jesus ist mit seinen Jüngern auf dem Weg zum irdischen Jerusalem wo Kreuz Leiden und Tod auf ihn warten. Und doch ist dies auch der Weg zum himmlischen Jerusalem zur Auferstehung und Verherrlichung. Um sie dafür zu stärken nimmt er seine engsten Vertrauten mit auf den Berg.
  • Sie erleben, wie sich Aussehen des Gesichtes und der Gestalt des betenden Jesus verändert und im Lichtglanz himmlischer Wesen leuchtet. Als solche erscheinen Mose und Elija und bezeugen Jesus als den, durch den sich Gesetz und Propheten erfüllen. Und in die Wolke göttlicher Gegenwart geratend hören sie die Stimme Gottes »Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören.«[1]
Auf Jesus hörend gehen wir Christen unseren Weg. Und wir dürfen und sollen fragen


Woher - Wohin - Wofür?

Um den Weg zu finden, bedarf es bis heute der Beantwortung folgender Fragen: Woher kommen wir und wohin gehen wir? Was hat unser gemeinsames Leben für einen Sinn, was ist unser Ziel? Was versprechen wir uns von unserer Ehe?
  • Damals hat einer dem anderen das Versprechen gegeben: "Vor Gottes Angesicht nehme ich dich an als meine Frau, als meinen Mann, und verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit bis der Tod uns scheidet. Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens."
  • Ja, das habt ihr versprochen vor jenem Geheimnis, dem sich die ganze Schöpfung verdankt, vor Gott. Dieser Gott hat sich dem Mose geoffenbart als JAHWE, ICH-BIN-DER-ICH-BIN-DA. Wird dieser Name Gottes in einer Ehe gelebt, dann wird sie gut gehen und glücklich sein.
  • Ihr habt versucht füreinander, für Euere vier Kinder, aber auch für die beruflichen Aufgaben da zu sein. Ob Ihr Euch nun dessen immer bewusst ward oder nicht, in diesem füreinander Dasein, habt ihr den Namen Gottes geheiligt, habt ihr das Wesentliche von unserem Gott füreinander und für euere Kinder erfahrbar gemacht.
  • Christen dürfen wir uns seid unserer Taufe nennen, weil wir zu Jesus Christus gehören. Jesus weiß, dass er aus der Liebe Gottes, des ICH-BIN-DA kommt, den er seinen Vater nennt. Und er selber ist Mensch gewordener Name Gottes. Auf ihn sollen schauen und hören. Jesus sagt uns: ”Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich auch euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!"[2]
Die erste Frage, die sich Liebende immer wieder stellen sollten, heißt:


Woher kommen wir? Was ist unser Ursprung?

  • Die Bibel sagt uns: Wir kommen aus der schöpferischen Liebe Gottes, der jeden von uns als sein Abbild geschaffen hat. Ganz gleich, ob wir von unseren Eltern gewollt waren oder nicht. Darin bestehen unsere Würde und unser Wert, dass wir göttlichen Ursprungs sind. Paulus sagt es den Christen in Kolossä so: "Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen."[3]
  • Diese ursprüngliche, uns erwählenden Liebe Gottes, spornt uns an, auf diese bedingungslose Annahme durch Gott unsere Antwort zu geben, die auf unsere Mitmenschen ausgerichtet ist, vor allem auf die allernächsten Menschen, den Ehepartner und die Kinder.
  • Paulus formuliert seine Antwort so: „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit!“[4] Jeder soll Bild Gottes für den anderen sein, also etwas von der Liebe, der Freundlichkeit und dem Erbarmen Gottes ausstrahlen. Dann entsteht jene innere Balance auf dem Drahtseilakt des Lebens, die vor dem Absturz bewahrt. Dann begegnet Gott dem Partner in einem echten Mannsbild und Weibsbild.
Von Gott bedingungslos angenommen
  • Können wir den uns anvertrauten geliebten Menschen ganz annehmen, mit seinen Fehlern und Schwächen, nicht nur mit seinen Licht-, sondern auch mit seinen Schattenseiten, nicht nur in Gesundheit, sondern auch in Krankheit. Darum mahnt der Epheserbrief: „Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat.“[5]
  • Erst wenn wir diese von Gott her kommende Würde des Partners erkennen und anerkennen, werden wir ihn mit der Liebe lieben, mit der Gott uns und ihn durch Jesus Christus liebt. Erst dann wird ganz aufleuchten, was ihr damals euch vor Gott versprochen habt: "Ich will dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens."
  • Diese Liebe ist, wie Paulus sagt, "das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht." [6] Oder wie es die Lesung sagt: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer das Gott gefällt.“ [7]

 

Gott also gilt es in der Ehe nachzuahmen
So wie er sich in Jesus Christus geoffenbart hat.
  • Deshalb werden Eheleute in der heiligen Messe Jesu Hingabe und sein Opfer feiernd daraus lebend sich an einander und an ihre Kinder hingeben und füreinander da sein. So werden sie zu einer Gabe, die Gott gefällt und kommen sie durch Ihre Ehe zur Fülle des Lebens hier und in der Ewigkeit.
  • Ehe heißt daher, den Partner von Gott her zu meditieren, um seine wahre Würde zu erfassen und ihm mit Ehrfurcht zu begegnen. Ehrfurcht heißt ja: Ich fürchte mich, deine Ehre, deine Würde als von Gott geschaffener und geliebter Mensch zu verletzen.
  • Zu dieser Ehrfurcht sind alle verpflichtet: Der Mann seiner Frau und die Frau ihrem Mann gegenüber. Die Kinder gegenüber den Eltern und Großeltern und diese gegenüber ihren Kindern und Enkeln. Nur so kann Familie gedeihen und zur Keimzelle der Kirche und des Volkes werden.
Als Glaubende wissen wir, woher wir kommen und wer der Ursprung und die Quelle unserer Beziehung zueinander ist. Daraus ergibt sich die zweite Frage:


Wohin gehen wir?

Zunächst seid ihr damals vor 50 Jahren aufeinander zugegangen. Hat man sich gefunden, dann gilt es den Weg der Liebe weitergehen. Exupery sagt: "Einander lieben heißt, miteinander in die gleiche Richtung gehen."
  • Paulus meint, es sei wichtig, Christus als gemeinsamen Weggefährten zu haben, der in absichtsloser Zuwendung und Liebe mit uns geht. Paulus wünscht daher den Christen: "In euren Herzen herrsche der Friede Christi".
  • Der Herr hat uns erwählt und seine Freundschaft geschenkt. Wir brauchen uns nur auf sein Freundschaftsangebot einzulassen. Dann dürfen wir in dem Bewusstsein leben, dass wir im auferstandenen Herrn geborgen sind.
  • Das hebräische Wort Schalom = Friede meint alle guten Gaben, natürliche und übernatürliche, die Gott uns schenken kann und will. Die Mitfeier der Sonntagsmesse ist euch bis heute immer wichtig gewesen. Sie ist der Ort, wo wir durch Christus dem Vater im Himmel unseren Dank bringen. Als Christen dürfen wir die Erfahrung machen, alles ist Gnade, Geschenk der liebenden Nähe Gottes ist.
  • Die Grundmelodie des gemeinsamen Lebens wird die Dankbarkeit sein, wenn wir unser Leben als Geschenk wahrnehmen, auch wenn es manchmal eine Last und ein Kreuz ist. Im Danken blüht das Leben auf. Es wird schöpferisch, verklärtes Dasein.
  • Der Name Gottes, die Art Jesu heißen: Ich bin für euch da! Diese Art Gottes und Jesu lebend bringen wir bleibende Frucht. D.h. Alles, was an Liebe geschenkt wird, geht niemals verloren, ist bei Gott aufbewahrt für die Ewigkeit. Unser Leben verliert sich nicht im Nichts. Es erfüllt sich in Gott. Ist das nicht die Sehnsucht aller wirklich Liebenden, dass der geliebte Mensch bleibt, dass er/sie unsterblich ist? Aus dieser Sehnsucht steigt die dritte Frage auf, die sich Liebende stellen:

Wofür leben wir?

  • Fruchtbar soll die Ehe sein. Zwei Töchter und zwei Söhne und acht Enkel sind euch geschenkt worden. Es ist etwas Großes, wenn aus der Liebe zweier Menschen ein neuer Mensch, eine neue Person entsteht. Dies ist Teilhabe am schöpferischen und für Christen auch am erlösenden Tun Gottes.
  • Es gehört zu den wichtigsten und schönsten Aufgaben auf dieser Welt, einem Menschen zum Leben und zur Menschwerdung, und zum Christsein zu verhelfen. Jeder von uns verdankt seine irdische Existenz, die Hoffnung auf die Auferstehung mit Christus und die Fülle des Lebens bei Gott dem Ja seiner Eltern zu dieser Aufgabe. Euere vier Kinder und Euere acht Enkel werden Euch dafür immer dankbar sein.
  • Wichtig sind in der Ehe auch die Früchte, die der Geist Gottes in den Eheleuten wirken will. Paulus nennt im Galaterbrief als Früchte des Geistes "Liebe Freude Friede Langmut Freundlichkeit Güte Treue Sanftmut und Selbstbeherrschung".[8]
  • Ein sanfter Mut hält eine Ehe mehr in der Balance, als ein hitziges und unbeherrschtes Gemüt. Je mehr wir uns grundsätzlich von Gott angenommen und geliebt wissen, desto eher können wir Freundlichkeit und Güte ausstrahlen. Ruhige Gelassenheit und Verlässlichkeit wird zuteil, wer mit sich und mit Gott im Reinen ist. Dies bewahrt vor dem Absturz ins Aufgebracht- und Unbeherrschtsein.
  • So bewahrheitet sich ein Wort des heiligen Augustinus: „Lass die Liebe in deinem Herzen wurzeln, und es kann nur Gutes daraus hervorgehen.“ Oder was in dem Buch »Quellen am Weg« las „Das Herz muss Hände haben und die Hände ein Herz.“
Das Ziel des Redens und Tuns Jesu, unserer Gottesbeziehung und unseres Kirchesein ist,

Die Freude Jesus will in uns sein und unsere Freude soll vollkommen werden.[9]
  • Der christliche Glaube will uns nichts von der Lust und Schönheit der menschlichen Liebe wegnehmen. Er will sie vielmehr transparent machen für die Fülle des Lebens und der Liebe unseres Gottes, von dem Johannes sagt, dass er Liebe sei.
  • Darum legt euch und uns allen Jesus zum Schluss sein Gebot ans Herz „Liebt einander sowie ich euch geliebt habe.“ Diese seine bis zum äußersten gehende Liebe feiern wir jetzt. Sie will uns zu Liebenden verwandeln.
  • Ich wünsche Ihnen beiden, liebes Jubelpaar, dass Gott mit seiner Liebe Sie stärkt für die kommende Zeit ihres Lebens. Allein in seiner Liebe und Kraft können wir im Auf und Ab des Lebens, in Gesundheit und Krankheit, die uns vor dem Absturz bewahrende Balance halten, können wir weiter aufeinander und auf unser ewiges Ziel zugehen. Und Gott loben und preisen für seine schöpferische Liebe.


[1] Lk 9,35
[2] Joh 15,9
[3] Kol 3,12
[4] Eph 4,24
[5] Eph 4,32
[6] Kol 3,14
[7] Eph 5,2
[8] Gal 5,23
[9] Joh 15,11

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