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2008 (A) Maria

Ansprache zum Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel in der Vorabendmesse in St. Michael Neunkirchen: 1. Lesung vom Tage; 2. Lesung und Evangelium von der Messe am Vorabend

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Maria in den Himmel aufgenommen (1741)
Maria in den Himmel aufgenommen (1741)
Die Würde des ganzen Menschen mit Leib und Seele

Auf dem Höhepunkt des Sommers, am 15. August feiert die Kirche das Fest der Aufnahme Marias der Mutter Jesu in den Himmel. Papst Pius XII. hat am ersten November 1950 diese alte Glaubensüberzeugung als offizielles Glaubensbekenntnis verkündet. Damals sind viele vor allem evangelische Christen schockiert gewesen. Wie kann der Papst etwas verkünden, wovon uns die Bibel nichts sagt?
          • Der Schweizer Psychologe C. G. Jung, Sohn eines evangelischen Pfarrers, hat dagegen diese amtliche Verkündigung für "das wichtigste religiöse Ereignis seit der Reformation" gehalten. »Man sollte es nicht historisch, sondern psychologisch deuten«, schlug er vor. Denn in dieser Glaubensüberzeugung würden archetypische Bilder in der Tiefe unserer Seele angesprochen. Da werde die Frau in den Bereich des Göttlichen erhoben, und der Leib erhalte eine göttliche Würde.
  • Aber genügt es nicht, dass wir Christi Himmelfahrt feiern? "In Christus« wird ja der menschliche Leib in den Himmel erhoben. Maria jedoch steht für uns, für uns irdische Menschen. Sie ist "Typos" des durch Jesus Christus erlösten Menschen. In ihr feiern wir, was allen an Jesus Christus Glaubenden verheißen ist. Maria ist als Frau Bild für den ganzen Kosmos. Die ganze Schöpfung ist durch Christus geheiligt worden. Sie wird von Gottes Herrlichkeit durchstrahlt werden wie der Leib Marias.

Marienfeste sind optimistische Feste.

In ihnen spielen wir uns in das Geheimnis unserer Erlösung hinein.
  • Am 15. August drücken wir auf festliche Weise unseren Glauben aus. Wir fallen im Tod nicht ins Bodenlose. Wir sterben in die mütterlichen und väterlichen Arme Gottes hinein. Natürlich wird der hinfällige Leib verwesen. Aber unsere ganze Person, die sich in diesem Leib ausdrückt, wird aufgenommen in die Herrlichkeit Gottes. „Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib.“[1]
  • Alle unsere Gefühle drücken sich im Leib aus. Unsere Liebe geht über den Leib. Wir können mit anderen Menschen nur über den Leib in Beziehung treten. Die Worte, die wir denken, sprechen und hören, ertönen nur durch den Leib. Um einen Menschen zu erkennen, sehen wir ihm ins Gesicht. An seiner Miene können wir ablesen, wie es ihm geht. Wenn wir ihn lieben, berühren wir ihn zärtlich. In der Auferweckung von den Toten gelangen wir mit Leib und Seele zu Gott. Durch das Feuer seiner Liebe gereinigt und geheiligt wird ER uns mit allem, was wir sind, aufnehmen.
Wir feiern am Fest der ganzheitlichen Aufnahme Mariens in den Himmel

die Würde unseres Leibes und unserer Seele.

In unserem Leib, der durch den Tod hindurch in die Gestalt des verherrlichten Leibes Christi verwandelt wird,[2] will jetzt schon Gottes Herrlichkeit aufleuchten. Unser Leib ist Ort der Gotteserfahrung und Gottesbegegnung. Wir nehmen Gott mit unseren Sinnen wahr, schauend, hörend, schmeckend und tastend.
  • Wir können Gottes Liebe nur über unseren Leib erfahren, indem wir uns von ihm in seiner Schöpfung berühren und umarmen lassen, indem wir im Brot und Wein der Eucharistie seinen Leib und sein Blut in uns aufnehmen und uns davon durchlebt verwandeln lassen. Leib und Blut Christi sind die fleischgewordene Liebe Gottes, die unseren Leib durchdringen und unsere Seele beglücken möchte.
  • Das Fest Maria Himmelfahrt möchte uns befreien von aller Leibfeindlichkeit. Tilmann Riemenschneider hat das verstanden, wenn er in Creglingen anstelle der Monstranz mit dem Leib Christi die Aufnahme Mariens in den Himmel darstellt. Engel tragen den verwandelten Leib Mariens empor. Das ist eine mutige Theologie. Unser Leib ist die Monstranz, die Jesu Leib in sich trägt und Gottes Herrlichkeit widerspiegelt. Paulus fordert uns auf: „Verherrlicht Gott in euerem Leibe.“[3] Wir begreifen, warum so viele Christen fasziniert sind von Maria.

Kräuter und Blumenweihe am Fest Maria Aufnahme
Kräuter und Blumenweihe am Fest Maria Aufnahme
Maria ist Bild der erlösten Schöpfung.

Ihr Leib repräsentiert die Natur, die sich ausdrückt in Geborenwerden und Sterben und jetzt auf dem Höhepunkt des Sommers in voller Blüte und Frucht steht. Es ist ein alter Brauch, daß die Gläubigen am Fest Maria Himmelfahrt Heilkräuter sammeln und sie zu kunstvollen Kräuterbüscheln binden. Der Duft der Kräuter und die Schönheit der Blumen gelangt über unseren Leib und seine Sinne in unsere Seele, so dass wir Gott preisen.

Es liegt eine große Weisheit in diesem Brauch der Kräuterweihe. Bei einem Spaziergang könnten Väter ihren Kindern zeigen, dass Gott in seiner Schöpfung viele Heilkräuter für uns bereithält. Gott schenkt unserem Leib eine große Aufmerksamkeit. Er sorgt für uns, daß gegen jede Krankheit auch ein Kraut wächst, das zu heilen vermag. Darum singen wir mit Maria: „In meinem Gott jubelt mein Herz.“[4]
  • Wir Christen bringen die Kräuterbüschel in die Kirche und lassen sie in diesem festlichen Gottesdienstes weihen. Dann nehmen wir diese mit nach Hause und hängen sie in unseren Häusern unter das Kreuz oder legen sie auf die Gräber unserer Angehörigen. Damit bezeugen wir: Der Tod keine Macht mehr über uns. Gottes heilende und verwandelnde Kraft ist stärker als der Tod.
In der Mitte des Sommers verweist uns das Fest Maria Himmelfahrt auf die Schönheit der Schöpfung, in der Gottes Schönheit und Fülle seines Lebens gleichnishaft aufleuchtet.

Die Frau in der Lesung ist mit kosmischen Bildern geschmückt:

"Ein großes Zeichen erschien am Himmel, eine Frau, mit der Sonne umkleidet, zu ihren Füßen der Mond, auf ihrem Haupte ein Kranz von zwölf Sternen"[5] Die Bibelauslegung sieht in der Frau die Kirche und Maria.
  • Die Sonne ist ein Bild für den auferstandenen Christus. In der Auferstehung ist Christus für uns als Sonne aufgegangen, die alle Finsternis besiegt. Maria und die Kirche sind mit der Sonne umkleidet. Beide stehen im Lichte der Auferstehung Christi. Mit ihnen werden auch wir aus dem Dunkel des Todes auftauchen und eintauchen in das Licht des Auferstandenen.[6]
  • Der Mond gilt in vielen Mythen als die Geliebte der Sonne. Die Frau hat eine enge Verbindung mit dem Mond. Der Mond verweist auf Fruchtbarkeit, aber auch auf Werden und Vergehen. Maria, mit der Sonne umkleidet und auf dem Mond stehend, läßt an die Hochzeit zwischen Gott und Mensch, zwischen Christus und der Kirche, zwischen Mann und Frau denken.
  • Der Kranz der zwölf Sterne verweist auf die zwölf Sternbilder, die alle Eigenschaften der Menschen symbolisieren. Sterne sind zugleich Bilder der Sehnsucht nach dem Ewigen.
  • In der Herrlichkeit Gottes werden Sonne und Mond eins, dort werden auch wir mit unseren verschiedenen Charakteren und unseren kosmischen Abhängigkeiten und Prägungen eins mit Gott. Dort wird unser Leib Gottes Herrlichkeit widerspiegeln. Alles wird eins sein: Leib und Seele, Gott und Mensch, Mann und Frau, Himmel und Erde, Schöpfer und Schöpfung. So nehmen wir an diesem Fest voraus, worauf wir alle hoffen: auf die Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben.
Wir werden daher während unseres irdischen Lebens sowohl auf unseren Leib als auch in besonderer Weise auf unsere Seele achten. „Sie ist,“ wie die heilige Hildegard sagt, „die grünende Kraft im Leibe; sie wirkt mittels des Leibes und der Leib mittels der Seele. Und die Seele hat ihre Freude daran, im Leib schöpferisch tätig zusein.“[7] Der Mensch als ganzer, mit Seele und Leib, ist wie Maria durch Jesus Christus zur Herrlichkeit und zur Fülle des Lebens bei Gott berufen. Dafür danken wir Gott in dieser Eucharistiefeier.



[1] 1 Kor 15,44
[2] Phil 3,21
[3] 1 Kor 6,20
[4] GL 597/2
[5] Offb 12,1
[6] vgl. Röm 6,5
[7] LDO, vierte Schau (LDO=Liber Divinorum Operum – Buch der göttlichen Werke)

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