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Lesejahr B 2015/12 bis 2016/11

Predigt am 27.08.2016 in St. Johannes der Täufer, GB, Hochzeit Merkel-Lang

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 Beziehung - das Gefährt der Liebe
1 Der Heilige Geist – Gottes in uns wirkende Liebe

  • Vor 29 Jahren haben Christinas Eltern am Pfingstsamstag hier in dieser Kirche vor Gott und vor mir als dem Pfarrer dieser Gemeinde Jesu das Ja-Wort gegeben und einander das Sakrament der Ehe gespendet. Es schenkt und bewirkt Gottes Heil.
  • Papst Franziskus hat in einer Katechese vor Pfingsten gesagt: „Ihr wisst, dass der Heilige Geist die Seele, die Lebensader der Kirche und jedes einzelnen Christen ist:  Er ist die Liebe Gottes, die in unserem Herz Wohnung nimmt und in Gemeinschaft mit uns eintritt. Der Heilige Geist ist immer bei uns, er ist immer in uns, in unserem Herzen.“
  •  In dem göttlichen Hauch des Geistes kann gemeinsames Leben in der Ehe gelingen, empfängt sie immer neue Impulse für die Erneuerung der Beziehung.
  • Der Heilige Geist ist der nie müde werdende göttliche Gefährte der Liebe, der euch in eine gute irdische und eine ewige himmlische Erfüllung führt. Im göttlichen Heilssakrament der Ehe verbunden dürft ihr ihn immer um die Kraft der Liebe für eine lebendige Beziehung bitten.

2 Wir leben in Beziehungen

  •        Beziehungen spielen im Leben der Menschen eine entscheidende Rolle. Die Spannbreite dieses Wortes ist groß. Ich kann eine Beziehung pflegen, weil ich mir davon einen Vorteil verspreche bis hin zur Komplizenschaft - eine andere wäscht Hand die. Es gibt lockere Beziehungen, die letztlich unverbindlich sind.
  •        Und es gibt die aus der Tiefe unseres physischen und psychischen Seins aufblühende Liebesbeziehung, die uns ganzheitlich erfasst und im wahrsten Sinn unter die Haut geht.
  •        Als Christen leben wir aus der Beziehung zu Jesus, dem Messias Gottes. Aus seinem Mund hören wir, dass er uns mit der bedingungslosen Liebe des Gottes Israel, den er seinen Vaters nennt, liebt. Und er verheißt uns, wenn wir so wie er aus der Liebe Gottes leben und sie an einander weiterschenken, dass dann seine Freude in uns ist. Ja, noch mehr dass dann unsere Freude vollkommen wird. Alles hängt davon ab, das wir

2.1  Die Beziehung richtig leben

  •        Keiner von uns kann ohne Beziehungen leben. Jeder von uns braucht das Angesprochensein durch ein Du. Denn keiner von uns ist das Ganze. Das Du befähigt uns zur vollen Menschwerdung. Ein Baby, das nicht angesprochen wird, verkümmert und lernt nicht sprechen, sich menschlich mitzuteilen.
  •        Ohne das göttliche Du wären wir wie Eintagsfliegen ohne Woher und Wohin, vergessen für immer. Der jüdisch-christliche Schöpfungsglaube sagt uns, dass Mann und Frau nach dem Bilde Gottes geschaffen sind. Beide zusammen ergeben erst das Bild Gottes und damit die wahre Gestalt des Menschen. Erst wenn wir die Größe und Heiligkeit des Schöpfers erkennen und anerkennen, erschließt sich uns die einmalige Würde eines jeden Menschen.

2.2 Beziehung verlangt Offenheit

  •        "Da ist zunächst das Hören", sagt Josef Ratzinger. "Es ist ein Vorgang des Öffnens, des Offenwerdens für das andere und den anderen. Vergegenwärtigen wir uns, welche Kunst es ist, wenn jemand zuhören kann. Das ist nicht eine Fertigkeit wie das Bedienen einer Maschine; es ist ein Sein-Können, in dem die Person als ganze angefordert ist.
  •        Hören bedeutet, den anderen erkennen und anerkennen, ihn in den Raum des eigenen Ich hereintreten lassen, bereit sein, sein Wort und darin sein Sein zu assimilieren ins Eigene und so, umgekehrt, sich ihm zu assimilieren: Nach dem Akt des Hörens bin ich ein anderer, ist mein eigenes Sein bereichert und vertieft, weil es zusammengeschlossen ist mit dem Sein des anderen und darin mit dem Sein der Welt."
  •        Die Kunst des Hörens haben heute viele verlernt.  Das Laute triumphiert. Es deckt uns zu. Das Herz aber braucht die leisen, zarten Töne, soll es im Takt bleiben. Ein Drittes ist zu bedenken:

2.3 Beziehung geschieht im Dialog.

  •        "Wenn wir vom Dialog im eigentlichen Sinn reden," sagt Joseph Ratzinger, "dann ist ein Wort gemeint, in dem etwas vom Sein selbst, die Person selber, zur Sprache kommt, so dass nicht nur die Menge des Gewussten und des Gekonnten vermehrt, sondern das Menschs-Sein selber berührt, das Sein-Können des Menschseins gereinigt und vertieft wird."
  •        Gott hat uns zwar mit einem Mund, aber mit zwei Ohren und zwei Augen geschaffen sind.  Das bedeutet, dass wir doppelt soviel hinsehen und hinhören sollen als Reden.
  •        Das gilt dem geliebten Menschen als auch Gott, unserem Ursprung und Ziel, gegenüber. Es gäbe viel weniger zerbrochene menschliche Beziehungen und gescheiterte Ehen, wenn sich Partner das im wahrsten Sinn des Wortes hinter die Ohren schreiben würden.
  •        Und in Euerem ehelichen Leben wird es darauf ankommen die Offenheit und den Dialog zu pflegen.
  •        Die von euch als Hochzeitstext ausgewählte Lesung aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther enthält als marginale Aussage: Gott hat uns viele Gaben geschenkt. Die wichtigste ist, lieben zu können und es immer mehr zu lernen.
  •        Es stimmt, was Theodor Körner einmal geschrieben hat: „Erst seit ich liebe, weiß ich, dass ich lebe.“
  •        In dem unseren Text vorausgehenden 12 Kapitel des 1. Korintherbriefes, ist von den Gaben des Geistes die Rede. Jeder soll seine Gabe so einsetzen, dass sie dem anderen nützt.
  •        Jeder von Euch hat seine speziellen Gaben und Fähigkeiten, damit Ihr einander ergänzen und einer dem anderen zum Leben helfen kann. Wer diese Gaben als Geschenk Gottes erfährt, wird sie nicht zur eigenen Machtmehrung oder Überlegenheit nutzen, sondern weiterschenken an seinen Partner.
  •        Als Viertes ist festzuhalten:

2.4 Beziehung braucht Askese

  •        Askese kommt vom Griechischen Askenein und heißt »üben, kunstvoll verfertigen«. Eine Liebesbeziehung ist also ein künstlerischer Akt und der muss geübt werden.
  •        Das ist etwas anderes als Selbstdarstellung, von der Paulus am Anfang seines Hohen Liedes der Liebe spricht. Diese zeigt sich in dem Hang, sich zu produzieren, sich darzustellen, sei es durch Reden, durch Wissen, oder durch schonungslosen Einsatz.
  •        Ohne die Liebe nützt das alles nichts, geht es ins Leere. Was die Liebe vor allem braucht, ist ein langer Mut, ist Respekt, Rücksicht, also dieses Sich zum Andern Umdrehen, ob er denn noch da ist und mitkommt.
  •        Die Liebe lebt von der Ehrfurcht: dass ich mich fürchte, die Ehre und Würde des Partners zu verletzen. Die Liebe lebt von der Zärtlichkeit der Worte, der Taten, der Gesten. Zärtlichkeit sagt: du bist wertvoll, du bist kostbar.
  •        Die Liebe, das sind die ausgebreiteten Arme: ich bin offen für Dich. Du bist mir willkommen. Ich erwarte dich. Ich freue mich auf dich.
  •        Aber die geöffneten Arme dürfen nicht zu einer nicht mehr loslassenden tödlichen Umklammerung werden. Ich muss den geliebten Menschen auch wieder loslassen, damit er nicht an meiner Liebe erstickt.
  •        Beziehung braucht Askese, das Einüben des rechten Maßes, dann taugt sie für ein glückliches Leben. Nach abendländischem Verständnis besagt Tugend ein Verhalten, das in der Mitte liegt zwischen zwei Extremen: zwischen dem Mangel und dem Übermaß.
  •        Liebe darf nicht erdrücken. Sie braucht auch ein gewisses Maß an Distanz. Damit ist keine Relativierung der Nähe gemeint. Distanz ist vielmehr das notwendige Gegenstück. Auf Dauer lässt sich nämlich Nähe nur leben, in ihrem Reichtum erschließen - und auch ertragen, wenn sie gepaart ist mit der je angemessenen Distanz. Diese Erfahrung bleibt keiner Ehe und keiner Freundschaft erspart.
  •        Das ist kein Zufall. Denn Beziehung hat etwas mit der Freiheit und Personalität des Menschen zu tun. Und deshalb darf keine Beziehung unter Menschen so total sein wollen, dass sie Freiheit aufhebt und erstickt. Auch in höchster Verbundenheit bleibt ein Raum von Einsamkeit, den nur Gott ausfüllen kann, ohne die Freiheit und Würde des Menschen zu zerstören.
  •        Darum muss in einer Beziehung jeder Partner dem anderen sein innerstes Geheimnis lassen. Deshalb muss jeder darauf verzichten, den anderen nach seinem eigenen Bild und Gleichnis ummodellieren zu wollen. Deshalb darf niemand versuchen, den anderen offen oder geheim an sich zu binden und ihn in Abhängigkeit zu halten. Und ein Fünftes ist zu bedenken:

2.5 Beziehung braucht Vergebung

  •        Nun ist keine menschliche Beziehung, auch nicht eine Ehe gegen Beziehungsstörungen gefeit. Die Bibel versteht Sünde als Beziehungsstörung, wie ja schon das deutsche Wort Sünde auf »sondern« mit seinen Varianten »aussondern oder absondern« zurückweist.
  •        Beziehung besteht nicht ohne Verzeihung. Ich kann nicht mit Menschen zusammen leben ohne Verzicht auf den Gegenschlag, auf Rache, auf eine zu fordernde Sühneleistung und Demütigung des Schuldigen, der mich verletzt hat oder mir etwas schuldig geblieben ist.  Aber verzeihen - wie geht das?
  •        Für den Glaubenden besteht die Zusage, dass wir einander vergeben können, weil Gott uns durch Christus vergeben hat und vergibt. Weil ich selber vom Erbarmen Gottes lebe, kann ich selber ein Erbarmender und Vergebender sein.
  •        Viele Ehen zerbrechen an der Unvereinbarkeit zweier Lebensarten, halten die Enttäuschung nicht aus und den Verzicht auf liebe Vorstellungen. Die Verletzung des Lebensgefühls nimmt man leicht dem Partner übel, als von ihm verschuldet, der doch auf sein eigenes Leben schauen muss und sich nicht einfach aufgeben kann.
  •        Und da sind da noch die Kränkungen. Sie können nur in einem längeren Prozess verarbeitet werden, so dass am Schluss die ehrliche Verzeihung steht. Es ist dem Trauern vergleichbar: etwas muss losgelassen, eine Illusion aufgegeben und eine neue Beziehung zum Partner aufgebaut und angenommen werden. Zum Schluss noch das Wichtigste:

3 Gott, der Ich-Bin-Da, ist das Fundament der Beziehung

  •        So wie er für uns ,seine Geschöpfe, seine Töchter und Söhne, die wir in der Taufe geworden sind, im Leben und im Sterben da ist, so werdet ihr in Verantwortung vor ihm für einander da sein.
  •        Ehe wird gelingen, wenn ihr auf dem festen Fundament der Liebe Gottes steht, aus seiner Liebe lebt, die uns in Jesus von Nazareth ihr menschliches Antlitz gezeigt hat.
  •        Deshalb ist die beiderseitige Gottesbeziehung so wichtig. Als Mann und Frau von Gott geschaffen fehlt der Beziehung etwas Wesentliches, wenn das Fundament des gemeinsamen Lebens nicht das Miteinander vor Gott-Sein ist. Denn dann wäre das Gemeinsame nur im Ich gegründet, das nur zu oft ein Abgrund ist.
  •        Ist unsere menschliche Liebe in Gott, in der ewigen Liebe gegründet, dann kann sie auch Unvollkommenheit, Begrenztheit, Unvermögen aushalten. Denn dann erwarte ich von meinem Partner nicht alles – das kann nur Gott geben und sein. "Niemand kann mein Alles sein," sagt im seidenen Schuh von Paul Claudel die Proesa zu ihrem geliebten Rodrigues.
  •          Menschen, die sich lieben, gehören einander an, aber sie gehören sich nicht, schon gar nicht als Besitz, sondern als Gefährten. D.h. sie sind miteinander auf Fahrt zu einem großen Ziel, der Fülle des Lebens im dreieinigen und dreifaltigen Gott.  
  •        Die in diesem vergänglichen Leben in der sakramentalen vor Gott geschlossene Ehe und gelebte Liebe bleibt ewig, weil sie göttlich und damit ewig ist.
  •        Die Pflege Euerer Beziehung wird das Gefährt der Liebe sein, in dem ihr Euch in der Kraft des Heiligen Geistes auf das Bleibende und Unvergängliche zubewegt.