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Lesejahr 2012 (B)

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Warum wir Allerseelen feiern
1. Was feiern wir an Al­ler­see­len?

  • Viel­leicht ist ih­nen auf­ge­fal­len, dass es bei den Le­sun­gen des Al­ler­see­len­ta­ges nicht so sehr um das Ster­ben geht, auch nicht um die Fra­ge, was nach dem Tod sei. Es klingt in den Le­sun­gen et­was an­de­res an:
  • Es ist die Sor­ge, dass der Mensch von Gott an­ge­nom­men und nicht von ihm ver­wor­fen wird.
  • Tat­säch­lich geht es in den Tex­ten der Schrift, die an Al­ler­see­len ver­kün­det wer­den, we­ni­ger um Tod und Ster­ben als viel­mehr da­rum, wie sich denn der Mensch vor Gott vor­fin­det, wie er sei­ner Ver­ant­wor­tung vor ihm ge­recht wird, und zwar jetzt schon in die­sem Le­ben, aber auch in sei­nem Tod.

Die The­ma­tik von Al­ler­see­len hat der Re­li­gions­phi­lo­soph Ro­ma­no Guar­di­ni so for­mu­liert:

  • "Die Ewig­keit und die mensch­li­che Schwä­che" oder an­ders:"Der le­ben­di­ge Gott und die Voll­en­dung un­se­rer Mensch­lich­keit."

2. Wir ge­den­ken un­se­rer Ver­stor­be­nen und be­ten für sie.

Wa­rum tun wir das? Weil ihr Le­ben und ihr Ster­ben et­was mit dem le­ben­di­gen Gott zu tun ha­ben. Das heißt einmal es gibt

2.1 Das Ge­richt

  • Wer mit dem le­ben­di­gen Gott rech­net, weiß  Gott der Gott der Liebe und des Erbarmens, aber auch des Rechts und der Gerechtigkeit ist.  es al­so ein Ge­richt ge­ben wird. Die Bi­bel kennt bei­des:
  • Wir ­ge­hen ein in die Freu­de un­se­res Herrn, oder wir bleiben drau­ßen. Sie kennt al­so die Er­fül­lung un­se­res Le­bens. Wir erhalten An­teil am herr­li­chen al­le un­se­re Vor­stel­lun­gen und Emp­fin­dun­gen über­schrei­ten­den Le­ben Got­tes.
  • Sie kennt aber auch die schreck­li­che Mög­lich­keit, der to­ta­len Ver­feh­lung des Le­bens. Wer Gott leugnet, sein Glück nur von vergänglichen Dingen erwartet, sich um die Gebote Gottes nicht schert, der Liebe und dem Erbarmen Gottes nicht traut, die Vergebung weder sucht noch anderen gibt, wer offensichtliche Werke Gottes als Werke des Bösen diffamiert, in Bosheit verhärtet stirbt, gerät ins „Draußen“, das im Ge­richt zu­ta­ge tritt. „Draußen bleiben die « Hunde » und die Zauberer, die Unzüchtigen und die Mörder, die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut.“[1]
Deshalb werden wir uns gerade am Allerseelentag fragen. Wie steht es in meinem Leben mit

2.2 Gut und bö­se

  • Es bleibt also die Fra­ge: Ist mein Le­ben, ist un­ser Le­ben, so ein­fach auf ei­nen Nen­ner zu brin­gen? Gibt es nur die Al­ter­na­ti­ve Gut oder Bö­se? Ist nicht bei­des, wie Je­sus im Gleich­nis vom Un­kraut und Wei­zen zeigt auf viel­fäl­ti­ge Wei­se mit­ein­an­der ver­wo­ben?
  • Na­tür­lich wis­sen wir, dass es Men­schen gibt, die das Bö­se tun. Wir brau­chen nur die Zei­tung auf­zu­schla­gen oder den Fern­se­her ein­zu­schal­ten. Täg­lich er­fah­ren wir sol­ches. Aber wer will fest­stel­len in­wie­weit das Ver­hal­ten die­ser Men­schen von Zwän­gen, Erb­an­la­gen, Mi­lieu­schä­den oder Er­zie­hung mit­be­stimmt ist? Weil das so schwer ist, ver­wehrt uns Je­sus das Rich­ten und Ver­ur­tei­len, mahnt uns Pau­lus: "Rich­tet nicht vor der Zeit."[2]
  • Wer will urteilen, je­mand sei ra­di­kal für sein Ver­hal­ten ver­ant­wort­lich, so dies ewi­ge Sank­tio­nen aus­löst und schließ­lich zu die­sem schreck­li­chen "Drau­ßen für im­mer" führt?

         Da­rum sagt Je­sus: "Ver­ur­teilt nicht und ihr wer­det nicht ver­ur­teilt wer­den."[3] Aber
2.3 Kön­nen wir das Bö­se aus der Welt schaf­fen?

2.3.1 Auch wenn sich ein Mensch be­kehrt, kann noch nicht ein­fach al­les ins Rei­ne ge­bracht wer­den.
  • Wir ste­hen nicht al­lein in die­ser Welt. Wo im­mer wir schul­dig wer­den, wer­den wir es nicht für uns al­lein, im­mer zei­gen sich Aus­wir­kun­gen auf an­de­re hin.
  • Wenn ich da Gu­te un­ter­las­se oder da Bö­se tue, so hat das sei­ne Aus­wir­kun­gen. Und ich kann die Wirk­ge­schich­te mei­ner Un­ter­las­sun­gen oder mei­ner schlech­ten Ta­ten kaum be­ein­flus­sen und nur sel­ten rück­gän­gig ma­chen.

 

2.3.2 Wenn ich je­manden be­lü­ge, be­wusst falsch in­for­mie­re
  • Es mir der an­de­re im Ver­trau­en auf mei­ne Red­lich­keit ab­nimmt, dann wei­ter er­zählt, und wenn dann ei­ne sol­che Lü­ge, Ver­däch­ti­gung oder was im­mer Krei­se zieht,
  • und wenn ich ei­nes Ta­ges ein­se­he, was ich an­ge­stellt ha­be, und an­fan­ge, mich zu bes­sern, ja viel­leicht so­gar mei­ne Lü­ge öf­fent­lich zuge­be und de­men­tie­re, ist dann schon all das, was Lü­ge, Ver­leum­dung und Hin­ter­ge­hen an Bö­sem in die Welt hin­ein­ge­bracht ha­ben, schon aus der Welt? Ganz ab­ge­se­hen von dem  Är­ger und dem Schmerz, den der oder die Be­trof­fe­ne aus­zu­hal­ten hat­te.
  • Of­fen­bar ist auch dort, wo ei­ner sich vom Bö­sen be­kehrt hat noch nicht al­les gut. Darum mahnt Paulus: „Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“[4]
2.3.3 Na­tür­lich ver­mag Gott in sei­ner Barm­her­zig­keit das Un­mög­li­che
  • Auf den un­ge­ra­den Zei­len un­se­res Le­bens kann und wird er ge­ra­de schreiben. Aber er braucht dazu auch mich, nicht weil er­ mich bräuch­te, son­dern weil er mich ernst nimmt und mich brau­chen will, wenn es da­rum geht, mei­ne Schuld und ih­re Fol­gen ab­zu­ar­bei­ten.

         Die­sen Prozess nen­nen wir im Deut­schen
3. Feg­feu­er - Prozess der Läu­te­rung.

  •          Die­ser Prozess der Läu­te­rung muss in die­sem Le­ben schon an­fan­gen. Wenn ich zu mei­ner Schuld ste­he, be­reit bin, ih­re Fol­gen auf mich zu neh­men, wenn ich an­fan­ge mich zu be­mü­hen, die Fol­gen mei­ner Schuld auf­zu­ar­beiten, dann muss ich gleich­sam wie durch Feu­er hin­durch.[5] Es be­ginnt der Prozess der Läu­te­rung.
  • Die Psy­cho­lo­gie nennt dies "Ka­thar­sis" Rei­ni­gung. Das Wort Ka­tarrh kommt da­her. Der Kör­per muss sich mit den Vi­ren aus­ein­an­der­set­zen, die ihm zu schaf­fen ma­chen. Und das ist ein schmerz­li­cher, un­an­ge­neh­mer aber not­wen­di­ger Prozess.
  •          Frei­lich die­se auf der Er­de be­gon­ne­ne Läu­te­rung kommt nur sel­ten in die­sem Le­ben ganz zum Abschluss. Vie­les bleibt noch of­fen für die Zeit nach dem Tod. Denn so sagt die Bi­bel: Nichts Un­rei­fes, Un­fer­ti­ges, kann Gott schau­en.[6]
  •          Es ist Aus­sa­ge der Hei­li­gen Schrift und der Leh­re der Kir­che, dass es für uns nach un­se­rem Ster­ben ei­ne Pha­se der Re­ha­bi­li­ta­tion, ein "Aus­lei­den" des­sen gibt, was in uns un­fer­tig, misslungen, ver­säumt und ver­schul­det zu­rück­ge­blie­ben ist.
  •          Dass es dies gibt, ver­dan­ken wir der Gü­te des­sen, der nicht un­se­ren Un­ter­gang, son­dern un­se­re Auf­er­ste­hung, uns nicht als Tor­so, son­dern ge­reif­te und voll­end­e­te Per­son, nicht mei­ne hal­be, son­dern mei­ne gan­ze Se­lig­keit will.
  • Feg­feu­er oder Pro­zess der Läu­te­rung und Re­ha­bi­li­tation ist nicht et­was Är­ger­li­ches, son­dern ein Ge­schenk an uns im Au­gen­blick un­se­res To­des oft noch un­fer­ti­ge Men­schen.

4. Kei­ner steht in die­sem Pro­zess der Läu­te­rung al­lein.
4.1 Wir glau­ben an die Ge­mein­schaft der Hei­li­gen, der von Gott Ge­hei­lig­ten.

  • Es ist die ein­zi­ge Ge­mein­schaft auf Er­den, die durch die Gren­ze des To­des nicht ge­trennt wird. Denn durch Je­sus Chri­stus ist es mög­lich, uns ge­gen­sei­tig über die­se Gren­ze hin­weg bei­zu­ste­hen und zu hel­fen.
  • Da­rum ver­kün­det schon, das kurz vor Chri­sti Ge­burt ent­stan­de­ne Buch der Mak­ka­bäer, es sei "ein heil­sa­mer Ge­dan­ke, für die Ver­stor­be­nen zu be­ten, da­mit sie von ih­ren Sün­den be­freit wer­den."[7]
  • Noch mehr: Je­sus Chri­stus hat sich im Le­ben auf die Sei­te der Sün­der ge­stellt und er hat sein Le­ben für sie hin­ge­ge­ben, ist stell­ver­tre­tend für uns ge­hor­sam ge­wor­den bis zum Tod.

4.2 Des­halb steht auch die Kir­che vor Gott für die Ver­stor­be­nen ein.

  • Sie tut das immer für alle Verstorbenen, wenn sie die hei­li­ge Mes­se, den Tod und die Auf­er­ste­hung Je­su feiert. Bei Laudes am Morgen und Vesper am Abend betet die Kirche immer für die Ver­stor­be­nen. Ebenso halten es jene, die den Engel des Herrn beten. Sie fügen am Abend das Vater unser und das Ave Maria für die Verstorbenen hinzu.
  • Im Al­ler­see­len­ab­lass stellt sich die Kirche mit der gan­zen Kraft ih­rer Für­bit­te und mit den ihr vom Herrn ver­lie­he­nen Ga­ben und Voll­macht hin­ter un­ser Be­ten. Die Be­din­gung ist, dass wir das Buß­sa­kra­ment und die Eu­cha­ri­stie emp­fan­gen, die Kir­che oder den Fried­hof be­su­chen und in der Mei­nung des Hei­li­gen Va­ters be­ten.
  • Die Kirche zeigt uns, un­se­re Für­bit­te für die Ver­stor­be­nen verlangt un­se­re Um­kehr und Hei­li­gung. Diese geschieht durch das Weg­ge­hen von un­se­ren ich­haf­ten Be­dürf­nis­sen hin zum Unterstützen der gro­ßen An­lie­gen der Kir­che; die Kraft der Für­bit­te der Kir­che hängt auch von der Hei­lig­keit ih­rer Glie­der ab.

4.3 So ist der Al­ler­see­len­tag ein Tag gro­ßer So­li­da­ri­tät der ir­di­schen und der himm­li­schen Kir­che mit ih­ren Glie­dern, die der Läu­te­rung noch be­dür­fen.

  • Der Allerseelentag be­zeugt, die Lie­be Got­tes will uns die Voll­en­dung un­se­res Mensch­seins auch dann schen­ken, wenn wir un­voll­en­det ster­ben.
  •          Wie das letzt­lich ge­schieht, ver­mag nie­mand zu sa­gen. Je­den­falls wird es nicht so sein, wie die An­hän­ger der Wie­der­ge­burt es sich vor­stel­len. Sie mei­nen der Mensch müs­se so­lan­ge in ei­ner an­de­ren kör­per­li­chen Ge­stalt auf die Welt kom­men, bis er al­les ab­ge­büßt hat. Aber ge­ra­de durch ei­ne neue Wie­der­ge­burt gerät er in die Ge­fahr er­neut schul­dig zu wer­den. Au­ßer­dem wird so die Ein­ma­lig­keit und In­te­gri­tät der mensch­li­chen Per­son in Fra­ge ge­stellt.
  •          Für mich ist es tröst­lich, dass es ei­ne Läu­te­rung, ei­ne Nach­rei­fung jenseits des Todes gibt, denn ich weiß, dass ich sie nö­tig ha­be. Es tröstet mich, dass mir an­de­re durch das Ge­bet, durch die Feier des Op­fers Chri­sti, durch ihre Lie­be, da­bei hel­fen kön­nen und helfen werden.
  • Muss aber einer feststellen, mei­ne An­ge­hö­ri­gen ha­ben den Glau­ben auf­ge­ge­ben, sie wer­den we­der für mich be­ten noch für mich die hei­li­ge Mes­se feiern, dann darfst er wis­sen: die Kir­che wird es für Dich tun, Deine Pfarr­ge­mein­de wird es vor al­lem am Sonn­tag im Pfarr­got­tes­dienst für Dich tun.
  •          Jeder von uns ist auf diese geistliche So­li­da­ri­tät seiner Mitchristen an­ge­wie­sen. Des­halb feie­re ich ger­ne Al­ler­see­len und ge­den­ke in jeder Heiligen Messe und beim Breviergebet und Abendgebet de­rer, die mir im Le­ben vor­aus­ge­gangen sind, die ich ge­liebt ha­be und lie­be, de­nen ich mein Le­ben und den Glau­ben ver­dan­ke. Ja, ich hal­te dies für ei­ne selbst­ver­ständ­li­che Pflicht der Lie­be.

 
[1] Offb 22,15
[2] 1 Kor 4,5
[3] Lk 6,37
[4] Röm 12,21
[5] 1 Kor 3,15
[6] vgl.Offb 21.27
[7] 2 Makk 24,45