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Predigten

Predigt in der Christmette in St. Johannes der Täufer Großenbuch

 

Den Mensch gewordenen Gott einlassen

1 Weihnachten »neutralisieren«

Eine ehemalige Mitschülerin aus der Gymnasialzeit schickte mir zu Weihnachten aus den USA folgende Mail:

„Hier im Land ist die große Debatte dieses Jahr, ob man Weihnachten "neutralisieren" muss wegen des Kirche & Staat - Getrenntseins, d.h. der Christbaum soll Feiertagsbaum heißen, Weihnachten ist bloß noch "Feiertage" und man darf sich "politisch korrekt" nur noch frohe Feiertage wünschen und kein frohes Weihnachten. Auch das White House wurde angegriffen, weil sie die jährliche Weihnachtskarte "verwässert" hätten und Krippen dürfen auf öffentlichen Plätzen schon seit etlichen Jahren nicht mehr aufgestellt werden, damit die anderen Religionen sich nicht benachteiligt fühlen.“

So etwas Ähnliches hatten wir schon einmal im ersten Deutschen Arbeiter- und Bauernstaat der DDR. Freilich da ging es nicht um übertriebene Rücksicht gegenüber nichtchristlichen Religionen, sondern darum Weihnachten aus dem Gedächtnis der Menschen zu tilgen.

2 Gott auf Herbergssuche bei den Menschen

Freilich solche Vorkommnisse sind nichts Neues. Heißt es doch schon im Weihnachtsevangelium, dass Maria ihr neugeborenes Kind in Windeln wickelte und in eine Krippe legte, "weil in der Herberge kein Platz für sie war." Von Anfang an ist es so, dass die Menschen keinen Platz für den Mensch gewordenen Gott haben.

Der die Menschwerdung Gottes besingende Prolog des Johannesevangeliums stellt fest: "Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf." Weihnachten heißt daher auch: Gott, der »Ich-bin-da« ist auf Herbergssuche bei den Menschen.

Der beim Vater verherrlichte Christus wird, wie es in der Offenbarung im letzten Buch des NT heißt, bis zum Ende Zeiten bei den Menschen anklopfen und um Einlass bitten: "Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir."[1]

Voraus geht die in Liebe geschehende Zurechtweisung durch den Herrn und die Mahnung zur Umkehr. Noch im Mittelalter ging dem Weihnachtsfest eine sechswöchige Bußzeit voraus. Auch heute erinnert die violette Farbe der Messgewänder in der Adventszeit daran, dass diese ein Zeit ist, wo wir uns vom Herrn zurechtweisen, den rechten Weg weisen lassen sollen. Von den Wegen der Gottvergessenheit, des Unrechts, der Lieblosigkeit sollen wir umkehren, um so dem Herrn bei uns und in uns eine Herberge, eine Wohnung zu bereiten.

2.1 Einlassverweigerung

Wir haben es heute bei uns mit einer weit verbreiteten »Einlassverweigerung« zu tun. Was sind die Gründe für solches Verhalten. Sie liegen in uns selber.

Der Einlass wird Gott überall verweigert, wo der Blick des Menschen wie bei Kain durch Neid und Hass verfinstert, im Anderen nicht mehr den Bruder oder die Schwester, sondern nur noch den Bevorzugten, den Rivalen, den meine Bequemlichkeit Störenden, mein frei über mich Verfügen Mindernden, mein Haben Wollen in Frage Stellenden sieht.

Darum mahnt Paulus im Titusbrief (2.Lesung) "uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben."[2]

In der 1. Lesung der Heiligen Nacht aus dem Propheten Jesaja wird den im Dunkel Lebenden, dem in der Finsternis des Krieges zertretenem Land die befreiende Nachricht zugerufen: "Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt".[3] Fürst des Friedens wird dieses Kind genannt. Von ihm kommt eine befreite und befriedete Zukunft.

2.2 Gefährdung durch das Kind?

Heute aber wird in unseren Breiten ein kommendes Kind oftmals als etwas Gefährliches angesehen. Es gefährdet die geplante Karriere, es mindert den Wohlstand, macht Urlaubspläne zunichte, bringt zusätzlichen Stress u.s.w. Das klingt dann so: „Aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, dass nicht etwa von den Eltern, sondern von dem Kind die größte Gefahr ausgeht. Wenn es einmal in Ihr Lebenshaus eingedrungen ist, dann könnte es dort wachsen und sich ausbreiten in Ihren Gedankengängen und in Ihren Herzkammern. Sie werden dieses Kind nicht wieder erkennen, wenn es bei Ihnen groß geworden ist. Es wird vermutlich entrümpeln und ausmisten und damit beginnen, Ihre Lebensräume gründlich zu renovieren.“[4]

Aber gerade das ist es ja gerade, was wir bräuchten. Das würde unsere verhärteten Strukturen aufsprengen, unsere Phantasie beflügeln, unser Lahmheit und Ängstlichkeit hinwegfegen.

2.3 Ja zum Kind - Ja zur Zukunft

Wenn ich niemanden mehr bei mir einlasse, wenn ich mich zumache, mich so eingerichtet habe, dass jede Veränderung unerwünscht ist, dann ja dann kann weder neues Leben aufbrechen und wachsen, noch die in Jesus angebrochene und geschenkte Zukunft Gottes bei mir ankommen.

Weihnachten heißt daher zuerst Ja zum Kind, damit ja zur Zukunft. Weihnachten bedeutet vor allem Ja zum dem Kind, in dem Gott Mensch geworden ist, in dem sich Himmel und Erde berühren und versöhnen. Das Kind von Bethlehem wird uns als der Heiland, der Retter, der Messias, der Herr verkündet, in dem Gott anwesend ist.

3 Der Erstgeborene

Dieses in Bethlehem von Maria geborene Kind, wird der Erstgeborene genannt. Damit ist nicht gesagt, dass Maria noch andere Kinder bekam, sondern der Erstgeborene ist erfüllte Verheißung, Erbe und Zukunftsträger. Paulus wird im Kolosserbrief von Jesus sagen: "Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung",[5] gleichsam der Ursprungsgedanke Gottes vom Menschen und zugleich wahres Ebenbild des unsichtbaren Gottes. Paulus sagt im Römerbrief von den Erlösten, also von uns: "Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei."[6]

Jesus Christus ist also die Urgestalt des wahren Menschen, wie ihn Gott gedacht hat. Und zugleich ist er die Zielgestalt des Menschen. An ihm, der als Mensch in Bethlehem geboren, auf Golgota umgebracht, von Gott auferweckt und zum Herrn über Lebende und Tote, zum Herrn des Alls erhoben ist, erkennen wir, was Gott denen schenken wird, die ihn lieben. Noch ist es für uns undenkbar und unvorstellbar, aber wir werden "an Wesen und Gestalt" des im Kind von Bethlehem Mensch gewordenen Sohnes Gottes teilhaben. Er ist, wie Paulus im Kolosserbrief sagt, "der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang."

3.1 Kein Platz für ihn und uns

Und ihn den Erstgeborenen wickelt Maria in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war. Also nicht nur für ihn, sondern auch für Maria und Josef, also für die Menschen, die zu ihm gehören. Auch sie erfahren Ablehnung, verschlossene Türen und Herzen. Gern tut man uns Christen als die »ewig Gestrigen« ab. Und doch gehören wir durch Glaube und Taufe zu Jesus Christus, dem Erstgeborenen der ganzen Schöpfung und dem Erstgeborene der Toten.[7]

Daher keine Angst, lieber Christ, vor der Welt, die um unser Verschwinden bemüht ist, die uns als die Ewig-Gestrigen schon auf der Müllhalde der Geschichte sieht. Damals waren es auch die am wenigsten geachteten Hirten in Israel, gleichsam die Randfiguren der Gesellschaft. Und doch ihnen wurde als Ersten verkündet: „Heute ist euch der Retter geboren; er ist der Messias der Herr." Sie werden damit beauftragt, dass diese überaus frohe Nachricht "dem ganzen Volk zuteil wird".[8]

Im Evangelium der Hirtenmesse heißt es dann: "Und alle, die es hörten, staunten über die Worte der Hirten."[9] In der Tat, die Botschaft von der Menschwerdung Gottes ist für jeden staunenswert, er sich auf die Tiefe dieses Geheimnisses einlässt.

3.2 Göttlich werden

Der Mensch nannte sich einst von der Bibel inspiriert »Krone der Schöpfung«, heute im Licht der Wissenschaft »die Spitze der Evolution«. Größeres hat uns Weihnachten zu bieten: Gott wird Mensch, damit wir göttlich werden. In Jesus dem Christus finden wir beides vollendet: Er ist Mensch in dem Gott ganz da und mit uns ist. Darum sagen wir ja zu jedem Kind, weil in ihm Gott Zukunft schenkt. Darum sagen wir ja zum Kind von Bethlehem, weil der in ihm gegenwärtige Gott unsere ewige Zukunft ist. Darum öffnen wir unsere Türen und Herzen, denen die in leiblicher und seelischer Not sind, weil Gott durch uns ihnen Zukunft schenken will, hier und jetzt und auch in der Ewigkeit.

[1] Apk 3,20

[2] Tit 2,12

[3] Jes 9,5

[4] s. Gottes Volk 2005/12

[5] Kol 1,15

[6] Röm 8,29

[7] vgl. Röm 14,9; 2 Kor 6,19

[8] Lk 2,10

[9] Lk 2,18