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2008 (B)  Weihnachten

Homilie an Weihnachten in der Christmette in Rödlas und in der Hirtenmesse in St. Michael Neunkirchen

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Sich durch heilsames Erinnern der Menschwerdung Gottes beschenken lassen
Sich durch heilsames Erinnern der Menschwerdung Gottes beschenken lassen
Sich durch heilsames Erinnern beschenken lassen

Der persönliche Supergau,

Der schlimmste Unfall wäre - viele fürchten sich davor – durch einen Schlaganfall oder durch die Alzheimer Krankheit den Verstand und das Erinnerungsvermögen zu verlieren. Abgeschnitten vom Strom des Lebens mit seinen guten und schlimmen Erfahrungen erleidet der Betroffene schwerste Einschränkungen in seinem Personsein. Wer sich an nichts mehr erinnert, weiß auch nichts mehr von der Zukunft. Zum Glück hält das Langzeitgedächtnis noch am längsten.
Auch der Glaube an das Heilswirken Gottes in der Geschichte des ersten Gottesvolkes, wie auch in der Geschichte der Jesusjüngerschaft der Kirche lebt von der Erinnerung. Das alte wie das neue Gottesvolk hat schon immer feiernd und erinnernd dieses Heilswirken Gottes in das Heute vergegenwärtigt.

An Weihnachten geht es um heilsames Erinnern.

  • Wie gut, dass sich Gott des Menschen erinnert, den er geschaffen hat und der zu ihm um Hilfe ruft. Im Buch Genesis heißt es. "Nun erinnerte sich Gott an Rahel. Gott erhörte sie und öffnete ihren Mutterschoß." [1]
  • Weil er sich seines Volkes, seiner Menschen erinnert, lässt er nach dem Ja Mariens durch seines Geistes Kraft in ihrem Schoß seinen Messias als wirklichen Menschen und wahren Gott heranwachsen. Diesen hat Gott dazu bestimmt, uns aus der Macht des Bösen und des Todes zu befreien. Die Liturgie erinnert uns daran, dass dieses Heilsereignis der Geburt Jesu vor 2000 Jahren in Bethlehem über alle Zeiten hindurch bis heute gilt und wirksam ist. Darum lässt sie uns singen: "Heute ist uns der Heiland geboren Christus, der Herr."

Drei Würdenamen nennt der Engel,

  • Der Bote Gottes, in seiner Botschaft an die Hirten: Retter (Σωτῆρ); Messias (Χριστὸς) und Herr (Κύριος) Der Engel, von der Herrlichkeit Gottes umleuchtet, zeigt an, dass seine Botschaft eine göttliche ist. Sie ergeht an Hirten, damals kleine, unbedeutende und wenig geachtete Leute, – so wie Jesus sich später in seiner Verkündigung an die kleinen, einfachen Leute wenden wird.

Diese Würdetitel des Kindes sind von überragender Bedeutung

  • Σοτῆρ – Retter, Heiland war ein Titel der römischen Kaiser, besonders des Augustus; man erwartete von ihm Heil, Frieden und Wohlergehen. Die junge Kirche knüpfte diese Hoffnung nicht an den Kaiser in Rom, sondern an Jesus Christus.
  • Xριστὸς – Messias – bedeutet die alttestamentliche Erfüllung messianischer Verheißung: ein Reich, dessen ewigen Bestand Gott selbst garantieren soll; daran knüpfen sich die Hoffnungen auf Gerechtigkeit und Frieden für alle Völker. So hat es der Engel Gabriel Maria verkündet: "Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben."[2]
  • Κύριὸς – Herr ist der nachösterliche Würdename für den auferstandenen, erhöhten, himmlischen Christus, der als Weltenherrscher in der Herrlichkeit Gottes zur Rechten des Vaters lebt.

Das Heil das Gott uns in Jesus schenkt, muss erinnert werden.

  • Johannes schreibt ziemlich am Anfang seines Evangeliums. "Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte."[3] Der christliche Glaube bleibt lebendig, solange die Gemeinde Jesu das Heilshandeln Gottes in und durch Jesus feiernd erinnert und ins Gedächtnis ruft und frei bekennt.
  • Zum feiernden Erinnern haben wir uns unter dem verheißungsvollen Beistand unseres Erlösers am Beginn der Heiligen Nacht versammelt. Im Johannesevangelium spricht er zu seinen Jüngern und Jüngerinnen damals wie heute. "Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“[4] Hören wir also hin, was mit dem Heil Gottes gemeint ist.

Das Wort Heil ist aus unserem Sprachgebrauch fast verschwunden.

  • Sicher ist daran der Missbrauch dieses Wortes im sog. 3. Reich durch die Nazis mitschuld. Stattdessen sind heute "Wellness" und "Heilen" in aller Munde. Dabei ist die Frage nach dem Heil des Menschen doch die zentrale Frage aller Religionen.
  • Der moderne Mensch erlebt sich wie der Mensch früherer Zeiten als begrenzt und bedroht. Er sucht nach Mitteln, um sein Unheil, seine Abhängigkeiten zu überwinden. Wege zum Heilen und Heilwerden gibt es offenbar viele. Die Suche nach Heilung hört niemals auf. Heilung wird von allen Menschen angestrebt, ist in einem gewissen Sinn ein universales Bedürfnis.
  • Inzwischen erkennt auch die Psychotherapie mehr und mehr, dass die spirituellen mystischen Erfahrungen, wie sie die Religionen kennen, zum innersten Kern des Menschen führen. Das sei Menschwerdung, ja Heilung, welche die Gottesfrage, den Stellenwert von Religion als Energiequelle berücksichtigt.

Weihnachten zeigt: Das Menschliche ist das Christliche

Am Grunde des Seins - so Viktor Frank - liege eine unstillbare Sehnsucht die "gar nichts anderes meinen kann als Gott." Ähnlich spricht die den Nazis entronnene Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs von der Sehnsucht:
" Alles beginnt mit der Sehnsucht.
Immer ist im Herzen Raum für Mehr,
für Schöneres, für Größeres.
Das ist des Menschen Größe und Not:
Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt,
dort bricht sie noch stärker auf.
Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott,
mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?
So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen,
Dich zu suchen,
und lass sie damit enden,
Dich gefunden zu haben.

Das Urbild allen Heils und Heilens

  • Ist im Neuen Testament der "Retter aller Welt" wie Christus in verschiedenen Advents- und Weihnachtsliedern genannt wird. Darum lautet die Frohe Botschaft der Heiligen Nacht: "Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine überaus große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; es ist der Heiland, der Herr."
  • Der Begriff Heiland war bis ins 19. Jahrhundert in der christlichen Volksfrömmigkeit weit verbreitet. Er bringt eine tiefe menschliche wie göttliche Sehnsucht nach Heil und Heilung zum Ausdruck.
  • Der Linzer Theologe Franz Gruber formuliert die therapeutische Seite der Christus-Botschaft so. "Im Gottessohn aus Nazareth bekennt der christliche Glaube eine Vision des Menschseins das nicht dessen Selbstvergöttlichung ist, sondern seine äußerste Möglichkeit der 'Pro-Existenz' darstellt." In dieses Für-andere-Dasein, das der Retter aller Welt in Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung stellvertretend für uns vollzogen hat, ist das Heilwerden mit einbezogen. Das Humane der Heilssehnsucht ist durch den "Heiland" geerdet - oder besser noch: himmlisch-göttlich erhoben. Das Evangelium zeigt uns den Weg.

Die Hirten eilen

  • Sie eilen zum Kind von Bethlehem. Sie fragen nicht, ist das denn auch wahr, stimmt das wirklich? Nein, sie machen sich auf den Weg zum göttlichen Kind zum Heiland. Die Botschaft des Engels ergeht an Hirten, damals kleine, unbedeutende und wenig geachtete Leute, – so wie Jesus sich später in seiner Verkündigung an die kleinen, einfachen Leute wenden wird.
  • Der Titusbrief verkündet in der Lesung:  „Die Gnade Gottes ist erschienen“. In dem Kind Jesus hat die Zuwendung Gottes zu uns Menschen ein Gesicht erhalten: Seine Liebe ist anschaubar geworden in Jesu Botschaft vom Reiche Gottes, in den Heilungen, die er gewirkt hat, und in seinem Kreuzestod (V. 14), durch den er uns von der Schuld befreit und zu einem reinen Volk und Gottes besonderem Eigentum gemacht hat.

Zum Heiland gehen macht frei

  • Gott ist im Kind von Bethlehem unser Retter unser Heiland. Weihnachten ist nicht nur das Fest des Schenkens, sondern vor allem und zuerst das Fest des Beschenkt Werdens und sich Beschenken Lassens. Gott ist an diesem Tag der große Schenkende. Ihm gilt daher unser Dank und Lobpreis zuerst.
  • Weihnachten stellt uns neben der Gottesfrage auch die nach der aktuellen Bedeutung des Christseins überhaupt. Christen, die Gott im armen Kind als den Herrn der Welt betrachten und verehren, sind heute mehr denn je herausgefordert, ihren Glauben zu bezeugen und zu verteidigen.
  • Christen können nicht widerspruchslos angesichts des Kindes in der Krippe den modernen Göttern mit ihren politischen Kaisern und ökonomischen Zaren huldigen und dienen. Diese alten Götter oder Götzen sind längst nicht abgeschafft oder zerstört, sondern in neuen Gewändern höchstaktuell, meist in der Gestalt wirtschaftlicher Sachzwänge.
Es ist für die Zukunft der Menschheit ungeheuer wichtig, dass sich die Christen an Gott als armes Kind in der Krippe binden, dann ginge es auch den armen Kindern in unserer Gesellschaft und auf der Welt wesentlich besser. Alles kommt darauf an, dass das arme Kind das schlechterdings Bestimmende unserer Wirklichkeit ist.


[1] Gen 30,22
[2] Lk 1,33
[3] Joh 2,22
[4] Joh 14,26

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