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2009 (B)

Homilie am 4. Sonntag B in der Sonntagvorabendmesse in St. Michael und in der Sonntagsmesse in Großenbuch

===>> Biblische und liturgische Texte (Schott)
===>> Gottesdienstvorlage

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FREI WERDEN VON UNREINEN GEISTERN1

Exorzismus

Es gibt Menschen, die behaupten mit Geistern in Verbindung
treten zu können. Andere sagen die Nase rümpfend, wer glaubt denn
heute noch so was! Psychologie und Neurologie könnten uns erklären,
woher die Süchte und Abhängigkeiten, die Phobien und
Zwangsvorstellungen kommen. Wir haben schließlich wirksame
Medikamente dagegen. Zur Zeit Jesu hätte man es halt noch nicht
besser gewusst.
Schließlich wisse ja die Kirche, wohin der Geister- und
Teufelsglaube führe. Gerade in Deutschland wurden tausende von
Frauen und auch Männern im 17. Jht. über alle konfessionellen
Grenzen hinweg Opfer der Hexenverfolgung.

Der Begriff »Exorzismus« aber meint nichts anderes als die
Befreiung von bösen destruktiven Mächten. Er verlangt zunächst
die Absage, das Nein zu Mächten, die uns dran hindern, ganz frei
für Gott sein. Wir sollen befreit werden von allen versklavenden und
abhängig machenden Mächten.

Außerdem sollten wir uns von dem modernen Mythos
verabschieden, der den Menschen mit seiner Psyche als den
Mittelpunkt aller Dinge versteht. Jeder Mensch ist vielmehr
eingebettet in Beziehungen zu Personen und Mächten außerhalb
seiner selbst. Der Exeget Klaus Berger stellt fest, der Mensch sei
ständig vielen unsichtbaren Wirkfaktoren innerhalb wie außerhalb
seiner selbst ausgesetzt.

Der Vorteil der Betrachtungsweise der Bibel und des Verhaltens
Jesu ist: Der Mensch kann von diesen Mächten getrennt werden.
»Das Fremde sitzt in mir, aber es kann, weil es das Fremde ist,
endgültig hinausgeworfen werden.« (Berger)
Die Bibeltexte des heutigen Sonntags wollen uns helfen, dieses
Fremde und Unreine in uns zu überwinden. Sie zeigen uns den

Weg in die Freiheit

Die erste Lesung deutet die Urkirche auf Jesus:

Er ist der Mann, von dem Mose in prophetischer Vorausschau
sagt: "Auf ihn sollt ihr hören." Er ist die Erfüllung aller Zuwendung
Gottes zu den Menschen und zu seinem erwählten Volk, ja zu
allen Völkern und zur ganzen Schöpfung.
Jesus ist der neue Mose, dem Gott seine Worte in den Mund
legt und der dem Volk Gottes alles sagen wird, was Gott ihm
aufträgt.

Mose ist für die ersten Christen Vorausbild für das Heil
Gottes, das in und durch Jesus gekommen ist. Jesus befreit den
Menschen nicht nur aus irdischer Sklaverei so wie Mose Israel aus
Ägypten, sondern auch von der Unreinheit des Geistes, von allen
destruktiven den Menschen erniedrigenden Kräften, die aus seiner
Triebstruktur hervorbrechen oder durch äußere Einflüsse ihn
verderben.

Gott weist durch Mose im Bundesgesetz den Israeliten den
Weg aus dem Chaos der Gottlosigkeit, der Abhängigkeit von
selbstgemachten Götzen, aus zerstörender Unordnung im
Zusammenleben, aus dem Unheil gebärenden Begehren und
Habenwollen.

Durch Jesus, den neuen Mose, offenbart sich Gott als Mensch
gewordene Liebe, die bis in die äußerste Erniedrigung am Kreuz
bei uns ist und in der Auferweckung aus Tod und Grab in die
vollkommene Freiheit ganzheitlicher Erlösung führt.
Er ist der einzige wirkliche Prophet Gottes. Die sich nicht an
Gott und am Evangelium Jesu Orientierenden oder gar im Namen
anderer Götter Sprechenden sind für das Volk Gottes gestorben.

Die zweite Lesung spricht von der Herausforderung, innerlich
unabhängig zu werden,


Wir müssen uns befreien, von dem was man denkt und tut ...
das gilt für Verheiratete und Unverheiratete, wie auch für im Zölibat
lebende Menschen in gleicher Weise. Für jeden Christen muss die
Sache des Herrn, die Sache Gottes, erste Priorität haben. „Euch
aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen;
dann wird euch alles andere dazugegeben,“ verheißt Jesus.2

Wir kommen nur dann zu einem befreiten Leben, wenn wir
uns der Entwicklungsaufgabe stellen, die eigene Gefallsucht zu
erkennen und das unbändige Bedürfnis nach Anerkennung und
Liebe wahrzunehmen und zu überwinden.

Das kann erst gelingen, wenn wir die Liebe Gottes, die er uns
in Jesus schenkt annehmen und täglich daraus leben. Von ihm
angesehen und geliebt zu sein, hilft uns vom Ansehen und dem
geliebt Werden durch Menschen unabhängiger zu werden.

Nicht auf den Familienstand kommt es an, sondern auf die
Weise, in der wir uns in dieser Welt bewegen: besorgt um andere
oder unbesorgt; solidarisch oder unsolidarisch; am Haben oder
am Sein orientiert... Gott zu gefallen oder den Menschen.

Fragen wir uns einmal ehrlich: Wie geht es mir beim Hören auf
die heiligen Texte und die Predigt? Fallen mir dabei die anderen ein,
die das jetzt hören sollten, oder lassen ich mich davon betreffen,
auch wenn es weh tut, mir gegen den Strich geht, ich innerlich
rebelliere?

Im Evangelium spüren wir die ungeheuere Spannung und
Betroffenheit der Jesus zuhörenden Menschen.

Sie erfahren wie Gott sie durch Jesus mächtig anrührt. Aus
eigener Betroffenheit heraus fängt der
Mann an zu schreien, trifft
damit genau ins Schwarze und leitet eine Veränderung seines
Schicksals ein.
Der ihn beherrschende unreine Geist erkennt Jesu als den
Heiligen Gottes. Er merkt als erster, was los ist. Die teuflischen
unreinen Geister merken und reagieren fast immer zuerst, wenn
Gottes Reich, Gottes Herrschaft in die Welt einbricht.

Wie die Geschichte zeigt – denken wir nur an den
Nationalsozialismus und Kommunismus des vergangenen
Jahrhunderts – diese gottlosen Mächte gehen immer zuerst gegen
die an Gott Glaubenden, vor allem gegen die Christen vor. Kein
Jahrhundert weist so viele Märtyrer auf wie das 20. Die unreinen
Geister wollen Abhängige nicht Freie.

Das Evangelium zeigt uns, der unreine Geist spürt als erster,
jetzt ist meine Zeit vorbei. "du willst uns ins Verberben stürzen." Er
spricht in der Mehrzahl. Denn wie so oft, sind es viele Mächte, die
den Menschen beherrschen und ihm seine Freiheit rauben, ihn in
die Selbstentfremdung hineinreißen.

Wie ein roter Faden zieht sich die Erfahrung durch das ganze
Markusevangelium: Jesus ist der Stärkere. Er ist stärker als alle
Unheilsmächte. Wer sich Jesus naht, ihn mit seinem Wort, mit der
Kraft seiner Gegenwart an sich heran lässt oder zu ihm geht, der
spürt wie sich das Unreine, Widergöttliche sich in ihm wehrt.
Wer aber sein Elend, sein Besetztsein, seine schlechten
Gefühle und Gedanken vor ihm ausbreitet, vor ihm hinausschreit,
den wird der Herr kraft seiner göttlichen Macht befreien und
heilen: »Schweig und verlass ihn!«

Der Evangelist Markus nennt das, was sich gegen Jesus wehrt,
einen »unreinen Geist«. Im CiG fragt Josef Epping „Wer von uns hat
schon einen reinen Geist? In uns allen gären die noch unveredelten
seelischen Grundstoffe.“

Unsere Seele, unser Geist, unsere Gefühle, unsere Triebe,
alles was wir sind, bedarf immer wieder der Reinigung und
Befreiung. Glücklich wer Zugang hat zum Sakrament der
Versöhnung und Befreiung der sakramentalen Beichte und
Lossprechung. Die unreinen Geister werden ihn oder sie nicht
beherrschen.

Darum fragt uns das Lied bei jeder Strophe: "Wes Geistes Kind
seid ihr?" Um die Antwort kommt keiner herum, will er ein freier
ganz für Gott und sein Heil geöffneter Mensch werden und sein.

1 Dtn 18,15–20; L 1 Kor 7,32–35; Ev Mk 1,21–28

Quellen: Klaus Berger, Evangelium unseres Herrn Jesus Christus, Meditationen zu den
Sonntagsevangelien Lesejahr B, Verlag Herder S. 144 -148; Josef Epping, Unsere Dämonen, Christ
in der Gegenwart 2009 Nr. 5, S.45

2 Mt 6,33

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