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Osternacht 2011

Predigt zu Mt 28,1-10

Liebe Schwestern, liebe Brüder.
Ostern

Der Schock sitzt vermutlich tief in den zwei Frauen, die sich ganz früh am Morgen auf den Weg zum Grab machen.

  • Sie tragen die Enttäuschung ihrer Hoffnungen in sich angesichts des dramatischen Endes der Karriere Jesu.
  • Das mörderische Spektakel seiner Hinrichtung hat einen beklemmenden Eindruck in ihnen hinterlassen.
  • Trauer macht sich breit angesichts dieses Verlustes: Ihr Freund und ihr Meister, der Mensch, an dem sie sich orientiert hatten, ist nicht mehr.
  • Ihre Stimmungslage wird zusätzlich provoziert, da man um sie herum in Jerusalem feiert – während sie den toten Jesus beweinen.
  • In den beiden Frauen ist Leere; Fragen dürften sie umtreiben.

Sie tun nun, was man eben macht, wenn ein lieber Mensch bestattet wurde: Sie gehen an sein Grab,

  • trotz der Tatsache, dass dieses von Soldaten bewacht wird,
  • trotz der Tatsache, dass Jesus wie ein Verbrecher hingerichtet wurde,
  • trotz der Tatsache, dass man nach all den jüngsten Geschehnissen mit Jesus eher nicht in Verbindung gebracht werden sollte…

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
ns hat es an diesem frühen Morgen nach draußen geführt.
Wir sind hier zusammen, mit all dem, was uns gegenwärtig umtreibt:

  • Mit allen positiven Empfindungen,
  • mit unserem Glück und dem Gefühl, gut unterwegs zu sein;
  • ebenso auch mit unseren Enttäuschungen, mit unseren Fragen und Sorgen.

Es steht zu vermuten:

Wenn wir später aus der Kirche treten, hat sich objektiv an all dem nichts geändert. Hinter uns liegen vierzig Tage Fastenzeit, die geprägt wurde von unterschiedlichen Erfahrungen, die jede und jeder einzelne während dieser Wochen gemacht hat.

Hinter uns liegt vor allem die Erinnerung an das Geschehen, das Freitag nach Aschermittwoch über Japan hereinbrach, und das uns seitdem alle miteinander beschäftigt.

 Tief haben sich die Bilder in uns eingegraben von wackelnden Bürotürmen und von der gigantischen Flutwelle, die Schiffe, Autos, ja ganz Ortschaften mitriss und vernichtete.

Riesig die Zahl der nur noch tot Geborgenen und der Vermissten; für uns kaum nachvollziehbar die Not der Heimatlosgewordenen und Verwaisten. Erschütternd ist die Feststellung, dass wir Menschen gegenüber den Naturgewalten letztlich doch machtlos sind. Und dann Fukushima.

Den Namen dieses Ortes werden wir nie vergessen. Er steht für eine Gefahr, die sich nicht abschätzen und offensichtlich nicht kontrollieren lässt, und die über Jahrzehnte nachwirken wird. Mit diesem Geschehen verbinden sich für uns viele Fragen nach der Zukunft, nach den Quellen, aus denen unsere Energie kommen soll, und nach unserem Wohlstand, den wir gern sichern möchten.

Schließlich nahm der Krieg in Libyen seinen Anfang. Erschreckend die Bilder von all den Toten und Verletzten. Und nun hören und sehen wir, dass auch in Syrien Menschen mit Waffen aufeinander losgehen. Die Tatsache ist bitter, dass der Mensch offensichtlich nicht klug wird. Die Gewalt will einfach kein Ende nehmen!

All das bildet unsere Realität. Die können wir für eine Weile ausblenden; aber sie bleibt. Auch all das, was uns ganz persönlich betrifft, ist und bleibt da, bestimmt unsere Stimmung:

Die Krankheit in uns selber oder das Leiden eines lieben Menschen.
Der Streit in der eigenen Familie, der einfach nicht aufhören will.
Das Kind, das einen Weg einschlägt, den man alles andere als gut findet.
Die Sorgen ums Geld, die einen permanent umtreiben.
Die Pflege der Mutter oder des Vater, und die eigenen Kräfte, die allmählich nachlassen.
Manche erleben in diesen Tagen mit, wie ein lieber Mensch stirbt.
Oder sie sind voll der Trauer, weil der Tod ins eigene Haus längst eingezogen ist.

Das alles bildet die Realität, die längst nicht jede und jeden, die aber vermutlich viele trifft. Das ist die Realität, mit der wir an diesem Ostermorgen hierher zur Kirche gekommen sind. Eine Realität, die zunächst an den Kreuzweg und das Kreuz Jesu erinnert.

Das Kreuz steht neben dem Altar,
das leere Kreuz.
Dicht daneben die Krippe,
die leere Krippe.

In den zurückliegenden Tagen sind wir Jesu Wege mitgegangen. Immer wieder haben wir die knappen Worte vernommen, die Pilatus spricht: „Seht, welch ein Mensch!“ Er ruft den Massen diese Aufforderung zu, als er vor sie den gegeißelten Jesus führen lässt. „Seht, welch ein Mensch!“ Mit dem Wunder von Weihnachten beginnt der geheimnisvolle, göttliche Weg. In der Krippe liegt der Gottessohn in unserem Fleisch, Jesus;

Gottes konkretes Angebot, damit wir besser verstehen und begreifen, dass und wie Gott uns Menschen liebt.
Das Kind aus der Krippe geht seinen Weg. Jesus lebt unter den Menschen, und er bezeugt auf vielfältige Weise, wie Gott zu uns Menschen steht. Das steile Ende dieses Weges führt ihn hinauf nach Golgatha.

Mit dem Kreuz und dann am Kreuz erleidet Jesus die bittersten Abgründe menschlicher Existenz, bis hinein in die Erfahrung der Gottverlassenheit. Dem Tod folgt das Grab und es bleibt die Trauer. „Seht, welch ein Mensch!“


Zurück zum heutigen Evangelium: Trotz allem, was geschehen ist, machen sich die beiden Frauen am frühen Morgen auf den Weg zum Grab. Sie wollen ihn, den sie geliebt haben, an dem Ort, wo sein Leichnam ruht, betrauern. Mit plastischen Bildern berichtet der Evangelist Matthäus nun von seltsamsten Geschehnissen:

Die Erde bebt. Ein Engel erscheint. Der Stein vom Grab wird weggewälzt. Von gleißend hellem und weißem Licht ist die Rede. Das alles ist so furchterregend, dass die Wächter vor lauter Angst zusammenbrechen. Die Frauen aber – durchaus nicht minder furchterfüllt – bleiben.

Offensichtlich fangen sie an zu ahnen, dass das Kreuz nicht das letzte Zeichen ist, das Jesus besetzt. Seine und damit Gottes Sache geht weiter! Und mehr noch: Er, Jesus, der mit uns Mensch ist, er nimmt uns mit, damit wir letztlich werden können wir er: Lebendig, ewig, göttlich.

Aus der glaubenden Entdeckung,

dass Gott in Jesus Mensch wurde,
dass Jesus die göttliche Gerechtigkeit, das Reich Gottes unter uns Menschen verständlich und erlebbar gemacht hat,
dass die letzte und bittere Konsequenz von all dem ist, dass er am Kreuz starb.

Aus dieser glaubenden Entdeckung entspringt die Hoffnung,

dass Krippe und Kreuz eine Fortsetzung finden,
dass Gott das Licht des Ostermorgens ganz persönlich auch für mich – mich Mensch – leuchten lässt,
dass Gott die Beziehung zu mir, zu uns allen niemals aufgibt,
dass es weiter geht,
ganz und gar lebendig, ewig, göttlich,
dass das Osterlicht über allem strahlt, dass es alles erleuchtet, alles durchdringt.

Diese Hoffnung und dieses Vertrauen möge dieses Ostern in ihnen, in uns allen wecken und bestärken.
Amen.

Matthias Bambynek
Pfarrer in Bubenreuth
Osternacht 2011