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Exerzitien
Günther M. Boll

Pater Kentenich steht in einer Tradition, die den geistlichen Übungen für das religiöse Wachstum des Einzelnen wie für die Formung von Gemeinschaften eine große Bedeutung beilegte. Selbst aufgewachsen in der traditionellen Form ignatianischer Exerzitien, lässt sich bei ihm schon früh das Suchen nach einem eigenen Stil erkennen. In drei Bereichen entfaltet sich seine Tätigkeit als Exerzitienleiter.

1. Am bekanntesten wurde er durch seine Priester-Exerzitien. Seit dem Ende der zwanziger Jahre hielt er thematisch geprägte Jahreskurse, an denen schon bald zwischen ein und zweitausend Priester jährlich teilnahmen. Viele von ihnen kamen Jahr für Jahr, so dass nicht nur ihr eigenes religiöses Leben, sondern auch ihre pastorale Tätigkeit nachhaltig von P. Kentenich geprägt wurden. Auf diese Weise war er in der Zwischenkriegszeit einer der großen Anreger in der deutschen Kirche.

2. Ein zweiter Bereich war seine Tätigkeit im Dienst verschiedener Ordensgemeinschaften (Trappisten, Bethlehem-Missionare, Prämonstratenserinnen, später in Südamerika Steyler Patres, Missionare der Heiligen Familie, Schulbrüder u. a.). Hier war es ein Anliegen, die Ansätze der jeweiligen Ordensspiritualität von Schönstatt her zu beleuchten und zu befruchten (gut zu erkennen in KvG 1937).

3. Der dritte, ureigene Bereich waren die von ihm gegründeten Gemeinschaften. Es kam ihm darauf an, dem langsamen Wachstum in die Tiefe und Weite im Aufgreifen der großen Themen der Zeit immer neu Nahrung zu geben. Sie knüpften an Lebensvorgänge innerhalb der Gemeinschaften an und stellten sie in große Zusammenhänge, so dass aktuelle Zeitfragen und -probleme jeweils eine Antwort bekamen, und die Schönstatt-Spiritualität ihre Leben prägende Kraft entfalten konnte.

Damit ist seine Methode charakterisiert: Es ging ihm darum, das überzeitliche Anliegen aller geistlichen Übungen - Hilfe zu je neuer Gottesbegegnung - zu verbinden mit einem ungewöhnlich starken Aufgreifen von Zeitanliegen. Im Stil der damaligen Zeit waren seine Exerzitienkurse stark thematisch ausgerichtet. Aber die zentralen Themen - Gotteskindschaft und Christusgliedschaft als Leben und Lebensvorgang, radikale Christusnachfolge, Friede als Ruhe der Seele in Gott, Kindlichkeit als geschöpfliche und gnadenhafte Grundhaltung u.ä. - verstand er so stark lebensmäßig darzustellen, dass sie den Charakter des Theoretisch-Abstrakten hinter sich ließen. Es ging ihm darum, "unsere ganze Lebensauffassung, unser ganzes Lebensgefühl langsam umformen zu lassen", "Fingerzeige (zu geben) für die Gestaltung einer neuen Grundhaltung unseres Lebens" (VLf 1934, 270 f.). In seinen eigenen Gemeinschaften wurde diese Lebensnähe und Ausrichtung auf Lebensgestaltung noch verstärkt. Aus den vielen Gesprächen geistlicher Begleitung vor und während der Exerzitientage mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern flossen ständig auch konkrete Fragestellungen des praktischen Lebens in die Vorträge mit ein und erhielten aus dem großen thematischen Zusammenhang heraus eine neue Beleuchtung und tiefere Antwort.

Auf diese Weise wurden gerade durch die "Jahresringe" der Exerzitien zentrale Wertkomplexe unseres Glaubens bei den Einzelnen (und einzelnen Gemeinschaften) langsam zu prägenden Grundhaltungen.

Literatur:

J. Kentenich, Der heilige Geist und das Reich des Friedens. Exerzitien für Bundes- und Marienschwestern vom 24.-30. August 1930, Schönstatt 1979, 377 S.

J. Kentenich, Vollkommene Lebensfreude. Priesterexerzitien (7.-13. Oktober 1934), Vallendar-Schönstatt 1984

J. Kentenich, Kindsein vor Gott. Priesterexerzitien 1937, Vallendar-Schönstatt 1979, bes. 1-14.

E. Monnerjahn, Häftling Nr. 29392, Vallendar-Schönstatt 1972, 33 ff. 61 ff.

ders., Ein Leben für die Kirche, Vallendar-Schönstatt 41990, 135 f. 180 ff.

Günther M. Boll

 

Schönstatt-Lexikon:
Herausgeber: Internationales Josef-Kentenich-Institut für Forschung und Lehre e.V. (IKF)
Verlag: Patris-Verlag, Vallendar-Schönstatt - All rights by Patris-Verlag -
www.patris-verlag.de
Online-Präsentation:  Josef-Kentenich-Institut e.V. (JKI)

Eingestellt von
O. B.
BM
Eingestellt am: 24.11.2010 10:13
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