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Haus Moriah Nachrichten Archiv 2008

Zum 70. Geburtstag
Prägende Impulse aus der Begegnung mit P. Kentenich
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch

Zum 70. Geburtstag unseres Mitbruders Erzbischof Dr. Robert Zollitsch erscheint im Verlag Herder eine Festschrift mit dem Titel "Glauben gestalten - Glaubensgestalten". Dafür hat Generalrektor Msgr. Dr. Peter Wolf folgenden Beitrag geschrieben:

Prägende Impulse aus der Begegnung mit dem Gründer der Schönstattbewegung

Nicht wenige schätzen an Erzbischof Robert Zollitsch seine Zielstrebigkeit und seinen Willen, Situationen zu gestalten und voranzubringen. Dabei wirkt er weder als Macher und Neuerer noch als rückwärtsgewandt und vergeistigt. Mit nüchterner Klarsicht hat er die Zeit des Umbruchs charakterisiert und um sich zunehmend eine Stimmung des Aufbruchs verbreitet. Er hat die Bereitschaft und den Willen signalisiert, inmitten vieler Veränderungen kirchliches Leben in unserer Erzdiözese zu gestalten und zu erneuern. Dabei lässt er sich nicht von rückwärtsgewandten Träumereien leiten und auch nicht von Illusionen, als bräuchte es nur diese oder jene Veränderung, und alles sei wieder in Ordnung. Dafür ist der Umbruch, der sich immer noch vollzieht, in der Sicht des Erzbischofs zu tiefgreifend und zu umfassend. Seine Sicht trägt Züge der Analyse der Zeitenwende, wie sie Josef Kentenich (Christian Feldmann, Gottes sanfter Rebell. Vallendar-Schönstatt 2005), der Gründer der Internationalen Schönstattbewegung, vorgetragen hat. Kentenich spricht von einer ganzheitlichen, wurzelhaften und grundstürzenden Wende. Er beschreibt sie als Wende von säkularem Ausmaß, die eine Erneuerung von Kirche und Gesellschaft herausfordert. In diesem Priester lernte Robert Zollitsch eine der weit über Deutschland hinaus wirksam gewordenen Glaubensgestalten der neueren Kirchengeschichte kennen.

Robert Zollitsch war Anfang der 50er Jahre als Gymnasiast im Studienheim St. Michael in Tauberbischofsheim unter jungen Leuten auf die Schönstattbewegung gestoßen. Die weitgesteckten Perspektiven des Gründers und seine neuartige Pädagogik fanden sein Interesse und so hat er sich als Gruppenleiter der Schönstattjugend engagiert. Als Theologiestudent begann er, alle damals erreichbaren Schriften des Gründers Josef Kentenich zu lesen und zu reflektieren. Nach Abschluss des Theologiestudiums besuchte er im Herbst 1964 Kentenich in seinem Exil in Milwaukee/USA. Aus dieser persönlichen Begegnung und den intensiven Tagen des Gespräches und des Gedankenaustausches ergab sich ein Vertrauensverhältnis, das nicht zuletzt in der Mitwirkung bei der bald danach stattfindenden Gründung des Schönstatt-Instituts Diözesanpriester zum Ausdruck kam, dem er bis heute angehört. Über viele Jahre bis 1986 war er Mitglied der Generalleitung dieser Priestergemeinschaft.

An Josef Kentenich schätzt Erzbischof Robert dessen entschiedene Orientierung am „Gott des Lebens“, wie sie in der Spiritualität der Schönstattbewegung als „aktiver Vorsehungsglaube“ gelebt wird und in den letzten Jahren als „Spurensuche“ auch über die Bewegung hinaus bekannt wurde (Dem Gott des Lebens auf der Spur, Lebendiges Zeugnis. Themenheft März 2006). Dem Gründer geht es dabei nicht um eine spezielle Lehre über die göttliche Vorsehung, sondern um die zutiefst biblische Sicht, dass Gott sich auf Menschen einlässt und im Leben erfahrbar handelt (P. Joseph Kentenich, Texte zum Vorsehungsglauben. Vallendar-Schönstatt 1970). Solche Führung Gottes und sein Handeln in der Geschichte bezeugen die Schriften des Alten und des Neuen Testamentes. Jesus hat darüber hinaus seine Jünger gelehrt, Gott Vater zu nennen und darauf zu vertrauen, dass der Vater weiß, was sie brauchen. Darauf dürfen wir in unserem Leben setzen und den Spuren seiner Vaterliebe nachgehen. Mitten im Leben und im Alltag gilt es, Gott zu suchen, ihn in allen Dingen, Personen und Ereignissen zu finden und so dem „Gott des Lebens“ zu begegnen. Kentenich hat seine geistliche Familie dazu angehalten, immer wieder das eigene Leben zu betrachten und Abend für Abend die Geschehnisse und Begegnungen eines Tages durchzugehen und an ihnen wie an einer Leiter emporzusteigen, um „auf der Spitze der Ereignisse den Gott des Lebens zu umarmen“. Es ging ihm um ein Ernstnehmen dieses biblischen Denkens mitten in der Welt, in einer alltagstauglichen und welthaften Spiritualität. Kentenich konnte gegen Ende seines Lebens sagen: „Das Buch, das ich gelesen, ist das Buch der Zeit, das Buch des Lebens, das Buch Ihrer Seelen“. In seiner geistlichen Gemeinschaft wird eine Bemerkung von ihm überliefert: „Wer mich bildlich darstellen will, muss mich so zeichnen: Das Ohr am Herzen Gottes, die Hand am Puls der Zeit“. In der Schule Josef Kentenichs hat Robert Zollitsch gelernt, Gottes Wünsche aus den Spuren seiner Schöpfung wahrzunehmen, auf „die Stimmen der Zeit“ zu achten und ernst zu nehmen, was in den Seelen der Menschen als Sehnsucht lebendig ist. Vorsehungsglaube in der Spur Kentenichs ist nicht ein passives Abwarten, sondern zielt auf eine aktive und schöpferische Umsetzung des Willens Gottes, wie er in den Herausforderungen des Lebens erkannt wurde.

Ein weiterer Aspekt der Spiritualität der Schönstattbewegung, der Erzbischof Zollitsch wichtig wurde, ist die Überzeugung von der Berufung und Sendung jedes Christen und jedes Menschen. Gott denkt groß von jedem von uns. Gott hat in seiner Liebe jeden bei seinem Namen gerufen und ihm eine Aufgabe zugedacht, wie sein Leben zum Segen für viele andere werden kann und soll. Wir dürfen uns als seine „Lieblingsbeschäftigung“ verstehen. Josef Kentenich hat junge und nicht nur junge Menschen immer wieder angeleitet, nach diesem konkreten Auftrag Gottes für ihr Leben zu fragen und zu suchen. Er hat sie angeregt, aus ihren Anlagen und Fähigkeiten, aus ihren Lebensumständen heraus diesen persönlichen Auftrag in ein Bild oder Wort zu fassen. Für ihn war Berufung nicht eingeschränkt auf die Frage nach dem Priester- und Ordensberuf. Er weckte in vielen Laien ein großes Verantwortungs- und Sendungsbewusstsein für Kirche und Welt. Er wusste alle zur Liebe berufen und zeigte in der Jugendarbeit Ehe und Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen als zwei Wege der Liebe auf. Um ihn wuchsen viele Berufungen, welche auch die evangelischen Räte Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam in sich schlossen. Gleichzeitig war es ihm wichtig, Eheleuten eine Ehe-Spiritualität zu erschließen und darin einen Weg zur Heiligkeit vorzustellen, der keineswegs als zweitrangig zu werten ist. Diese Weite des Berufungsgedankens stand hinter der Initiative des Berufungsjahres, das Erzbischof Zollitsch nach dem Weltjugendtag in Köln für die Erzdiözese Freiburg ausgerufen hat.

In Pater Josef Kentenich ist Erzbischof Zollitsch einem Mann des Glaubens begegnet, der mitten im Umbruch für einen „neuen Frühling“ der Kirche gelebt und auf „ein neues Pfingsten“ in der Kirche gesetzt hat. Aus der Begegnung mit dem Gründer und seiner weltweiten Bewegung hat Robert Zollitsch entscheidende Impulse und Inspirationen aufgenommen, wie er dankbar bekennt. Lange vor dem Zweiten Vatikanum hat Josef Kentenich sich für die Erneuerung der Kirche engagiert. Er tat es nicht in reformerischem Eifer gegen die Kirche, sondern in tiefer Identifikation und Solidarität mit ihr und hat diese auch nicht aufgekündigt, als sie ihn ins Exil schickte. Nur im Sarg würde er nach Europa zurückkehren, hatte man ihn wissen lassen, und es wurden 14 Jahre im fernen Amerika. Kardinal Bea aus unserer Erzdiözese Freiburg sagte zu ihm nach seiner Rückkehr aus den USA 1965 in Rom: „Ohne das Konzil wären Sie nie verstanden worden.“ Am Schlusstag des Konzils skizzierte Kentenich die Züge der erneuerten Kirche in einem Vortrag, der Robert Zollitsch sehr kostbar ist. Er beschreibt darin die Züge der künftigen Kirche zunächst in Spannungseinheiten: „beseelt traditionsgebunden“ und „gelöst von erstarrten Formen“, „brüderlich geeint“ und „hierarchisch gelenkt“. Er zielt eine Kirche an, die sich nicht in die Sakristei zurückzieht, sondern sich traut, „Seele heutiger und kommender Kultur und Welt“ zu werden. Ganz im Sinne der Konzilskonstitution Lumen Gentium sieht er in Maria das Wesen der Kirche in seiner Fülle verwirklicht und engagiert sich für eine „marianische Kirche“, die sich an Maria orientiert und welche die Beziehung zu ihr lebt (Peter Wolf Hrsg., Erneuerte Kirche in der Sicht Josef Kentenichs. Vallendar-Schönstatt 2004). Maria ist in seinen Augen nicht nur Vorbild und Typus der Kirche, sondern gleichzeitig diejenige, welche mitgeht und hilft, diese Zielgestalt zu verwirklichen. Deshalb nennt er sie gern „Muster und Mutter der Kirche“. Letztlich ist sie die Glaubensgestalt, die uns helfen kann, mitten im Umbruch Glauben wagemutig und getreu zu gestalten.

Dr. Peter Wolf, Generalrektor des Schönstatt-Instituts Diözesanpriester

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Mutiger Reformer aus Freiburg - ZDF-Video

 

Datum: 07.08.2008
Autor: O. B.
 
 

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