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CmL1996 IV A 2 In Christus den Vatergott erkennen und lieben
J. Kentenich, aus: Exerzitien für Priester, 7.-10.1.1946

Gott paßt sich an die Natur an. Weil der Mensch nicht nur ein geistiges, sondern ein geistig-leibliches Wesen ist, darum das Bestreben Gottes, darauf Rücksicht zu nehmen. Auch deswegen hat die zweite göttliche Person die menschliche Natur angenommen. Er hat uns konkret gezeigt, wie Gott aussieht. Er hat uns auch sein menschliches Antlitz gezeigt. Die zweite göttliche Person ist das sinnenhaft uns zugewandte Antlitz des geistigen Gottes. Das ist Anpassung an die Sinnenhaftigkeit der menschlichen Natur.

Die große Linie Verbum Divinum incarnatum (das menschgewordene Wort Gottes) reicht noch nicht, um uns genügend Anschauungsunterricht zu geben und der Sinnenhaftigkeit unserer Natur genügend Rechnung zu tragen. Darum mit und im Heiland der ganze Chor der Heiligen. Sie sollen mit und durch den Heiland das sinnenhaft uns zugewandte Antlitz des himmlischen Vaters sein. Sie sind lauter Spiegelbilder des Göttlichen. (...)

Das gilt auch von den lebenden Menschen. Die große Aufgabe, die wir selber haben, ist: die Züge Gottes in unserem ganzen Wesen zeigen, damit es andern leichter fällt, durch uns zu Gott emporzusteigen. Die Menschen sind so sinnenhaft, sie haben kein Organ für Abstraktes. Wenn wir nun eine Inkarnation Gottes darstellen, wenn wir lebendige Gottesbilder darstellen, dann fällt es in der heutigen Zeit wieder leichter, durch uns zum lebendigen Gott emporzusteigen.

Skizzenhaft ist das eine kurze Erinnerung an die großen Gesetzmäßigkeiten, die der Praxis Gottes zugrunde liegen, wo der große Gott durch Zweitursachen in das Leben der Welt und der Menschen eingreift, auch in mein eigenes Leben. Es ist naheliegend, einmal nachzudenken: Wo sind die Menschen in meinem Leben, die mir am stärksten Gott repräsentieren? Bin auch ich ein Repräsentant Gottes, ein mehr oder weniger vollkommenes Abbild Gottes? Ich möchte die geistigen Züge Gottes in den Exerzitien mehr und mehr mir einprägen. Das sind allgemeine Prinzipien.

Jetzt wollen Sie verstehen, woher es kommt, daß nach Ausweis der Apokalypse Gott-Vater dem Heiland, dem Lamm, die Zügel der Weltgeschichte in die Hand gegeben hat (vgl. Offb 5). (...) Der Heiland steht im Vordergrund des Weltgeschehens. Der Vater hat dem Sohn, dem Gottmenschen, die Zügel in die Hand gegeben. Unser heißes Sehnen müßte darin bestehen, an Christus uns anzuschließen, von ihm zu erwarten, daß er die Welt führt, hinführt zum Vater. Das ist der johanneische und paulinische Gedanke. Nicht der Vater, der Sohn steht im Vordergrund. Ist die Zahl der Auserwählten erfüllt, dann steigt der Heiland, das Haupt, mit seinem durchgöttlichten Leib empor zum Vater und stellt sich mit diesen Auserwählten dem Vater vor. Dann erst ist der Vater alles in allem (vgl. 1 Kor 15,23-28). Wir spüren die Stellung des Heilandes in der Weltregierung. Die Schrift sagt: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6).

Teresa von Avila ist vorübergehend dem Irrtum verfallen, wenn eine gewisse Höhe des geistlichen Lebens erreicht ist, käme man ohne den Gottmenschen aus. Dann wäre der Gottmensch wie ein Wegweiser, der zurückbleibt, während wir weitergehen. Das ist aber falsch. In allen Stadien müssen wir an der lebendigen Fühlung mit dem Heiland festhalten. Er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Wir werden immer diesen Weg beschreiten müssen. Die heilige Teresa wurde sehr bald inne, wie verfehlt ihr Weg war. So wurde sie davor bewahrt, andere diese Irrpfade zu führen. In allen Stadien muß unser Leben an den Gottmenschen gebunden sein. Das ist das Große: Was das Verbum Divinum nicht berührt, kann nicht geheiligt werden. Alles ist geheiligt im Gottmenschen, auch das Geschlechtsleben. Daraus die Folgerung, die ganz dem Jahresprogramm entspricht: Es soll im wesentlichen ein Jahr der Christusinnigkeit und Christusergriffenheit werden. Wenn Gott durch Zweitursachen regiert, durch Christus, den großen Welterlöser und Mittler zwischen dem Vater und uns, dann ist es selbstverständlich, daß wir in allem den Weg zu ihm finden müssen.

Was muß ich tun, um Christus innig kennen und lieben zu lernen? Bibellesung, Betrachtung aus der Heiligen Schrift. Wollen wir das wieder in unser Lebensprogramm stellen! Wenn schon das Gesetz der organischen Übertragung in diesem Fall von Gott aus gilt, dann ist klar: Wir wollen auch übertragen die Liebe, die dem Vater gebührt, auf den Gottmenschen Jesus Christus. Wie lange brauchen wir, bis wir sagen können: Nichts, aber auch gar nichts trennt uns von der Liebe zu Christus! (vgl. Röm 8). Wie schnell sind wir gelöst von der Liebe zu Christus! Angeklebte Maske ist diese Liebe zu Christus, eine kleine Trübsal schon wischt sie weg. Wie wenig bodenständig und innig ist unsere Christusliebe! Wenn schon Gott nach dem Gesetz der organischen Übertragung den Heiland uns geschenkt hat, müssen wir nach demselben Gesetz im Heiland zum Vater gehen. Wie muß es uns drängen zur heiligen Messe, zu allen liturgischen Übungen, zum geheimnisvollen heiligen Tun Jesu Christi! Durch die Liturgie steigen wir nicht unmittelbar, sondern durch Christus zum Vater. Das ist das Originelle der katholischen Liturgie. Es ist unser geheimnisvolles Mitwirken, aber mit und in Christus. Die Bitte wollen wir erneuern: während des Jahres unsere Christusliebe zu vertiefen und zu verinnerlichen. Man spricht so viel vom Christ-Königtum. Das ist die praktische Anwendung dessen, was ich berührt und angedeutet habe.

Erschienen in:
Joseph Kentenich
Christus mein Leben
Ausgewählte Texte zum Christus-Jahr 1997
Herausgegeben von Günther M Boll, M. Pia Buesge, Peter Wolf
Patris-Verlag Vallendar-Schönstatt
www.patris-verlag.de

 

Eingestellt von
O B
KM
Eingestellt am: 24.11.2009 17:32
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