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Haus Moriah Josef-Kentenich-Institut Anmerkungen zur Relatio ante Discepationem

Anmerkungen zur Relatio ante Disceptationem
des Generalrelators, S. Em. Kard. Donald William Wuerl,
Erzbischof von Washington (USA)

(Diese Anmerkungen gehen dem Text entlang und sind deswegen nicht thematisch angeordnet.)

I.

„Im Mittelpunkt unserer Verkündigung steht Jesus, sein Evangelium und sein Weg.“ ( 1) Was / wen wir verkünden).

Diese Feststellung ist selbstverständlich richtig. Sie birgt aber auch Gefahren, wenn nicht beachtet wird, dass der Mittelpunkt normalerweise nicht schon am Anfang stehen darf. Zur Erkenntnis Jesu Christi führt ein Weg, der u.U. ein langer Weg sein kann. Im Allgemeinen dürfte der Weg eines noch nicht glaubenden Menschen über die Erkenntnis von Spuren Gottes in der Welt/Schöpfung gehen. Denn der Mensch hat die Welt um sich herum und fragt gegebenenfalls nach deren Geheimnissen. Deswegen dürfte im Normalfall am Anfang eines Glaubensweges der Glaube an einen Schöpfergott stehen. Ein weiterer Schritt wird dann die Botschaft sein, dass dieser Schöpfergott mit den Menschen eine Geschichte begonnen hat, die in der Menschwerdung des Sohnes Gottes kulminiert.

In der Relatio wird meines Erachtens zu schnell und unvermittelt auf Jesus Christus hingewiesen, z.B. im zweiten Absatz von „4) Elemente der Neuevangelisierung“:

„Im Kern besteht die Neuevangelisierung darin, erneut eine Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, mit seinem Evangelium und seiner Kirche denjenigen anzubieten, die die Botschaft der Kirche nicht mehr anziehend finden.“ Dass der Begegnung mit dem auferstandenen Herrn im Normalfall hinführende Stufen vorausgehen müssen, wird nicht gesagt, müsste aber nicht nur gesagt, sondern auch ausdrücklich behandelt werden: Der Weg des Glaubens in seiner organischen Entfaltung.

(Selbstverständlich kann es auch einen „kurzen Weg“ zur Erkenntnis Christi geben; dies dürfte aber nicht der Normalfall sein.)

Hier zeigt sich wieder die Frage nach der Bedeutung einer Schöpfungstheologie, welche die Spuren Gottes in dieser Welt herausarbeitet, für die Neuevangelisierung.

II.

„2) neue Ressourcen, die uns bei dieser Aufgabe helfen“

Auf der Suche nach solchen Ressourcen ist der Blick ziemlich eng. Es werden lediglich päpstliche Dokumente aus den letzten Jahrzehnten (einschl. KKK) angeführt, die zweifellos ihre Bedeutung haben.

Müsste man sich nicht gründlicher in der gesamten Weltkirche umschauen, um Ressourcen zu entdecken? Müsste hier nicht auch von den Charismen die Rede sein, die der Geist Gottes der Kirche geschenkt hat und schenkt? (Es ist zwar an anderer Stelle der Relatio von Geistlichen Gemeinschaften etc. die Rede, aber doch in einer etwas verhaltenen Weise.)

III.

„Die gegenwärtige Situation hat ihre Wurzeln in den Umbrüchen der 1970er und 1980er Jahre, Jahrzehnte, in denen es offenkundig eine mangelhafte oder fehlerhafte Katechese auf vielen Unterrichtsebenen gab.“ ( 3) Begleitumstände unserer Zeit)

Diese Feststellung ist doch wirklich sehr, sehr kurz gegriffen. Sie erweckt den Eindruck, als sei die Säkularisierung lediglich ein „Ausrutscher“ der nachkonziliaren Krise. Nirgendwo ist davon die Rede, dass wir in einer epochalen Umbruchsituation stehen, bei deren Beurteilung wir in Jahrhunderten denken müssen. (Ich denke an die vielen Aussagen unseres Gründers zum Thema „Zeitenwende“.) Diese kurzgriffige Denkweise scheint mir auch ein Grund dafür zu sein, dass eine Aufarbeitung dessen, was wir als Säkularisierung erleben, nicht angezielt ist. Nur wenn wir das Phänomen der Säkularisierung im Lichte einer Jahrhunderte dauernden Entwicklung sehen, können wir für eine Neuevangelisierung die richtigen Ansatzpunkte finden. Wenn es nicht gelingt, dieses Denken und Urteilen der Synode zu vermitteln, wird sie über pragmatische Ratschläge nicht hinauskommen und den Kern des Problems nicht lösen. Der in der Umbruch-Situation unserer Zeit gegebene Auftrag zu einem Neuanfang ist viel tiefgehender als es in dieser Relatio und in den ihr zugrundliegenden Dokumenten aufscheint.

IV.

5) Theologische Prinzipien für die Neuevangelisierung
Es werden unter diesem Thema ausgeführt:
Die anthropologischen, christologischen, ekklesiologischen und soteriologischen Grundlagen der Evangelisierung.

Umsonst sucht man in der Relatio und in den vorsynodalen Dokumenten nach psychologischen Grundlagen der Evangelisierung. Darauf hat Pater Kentenich in Lehre und Praxis besonderen Wert gelegt. Dies ist ein wesentliches Element seiner Sendung für die Pastoral der Zukunft. Von der psychologischen Betrachtungsweise her kommt man auch auf die wichtige Unterscheidung von rationaler vorwiegend kognitiver Erkenntnis und ganzheitlicher Erfahrung. Jede Evangelisierung muss die Tiefe des Herzens anzielen und nicht nur den Verstand, muss zur persönlichen Gotteserfahrung hinzielen, nicht nur zu theoretischer Erkenntnis. Dafür müssen die psychologischen Grundlagen erarbeitet werden, soll Neuevangelisierung den Menschen wirksam erreichen.

V.

7) Charismen der Kirche heute, die bei der Neuevangelisierung helfen
Neue Gemeinschaften/ Kirchliche Bewegungen

„Wir sind nicht die einzigen, die die Aufgabe der Neuevangelisierung in Angriff nehmen. Noch sind wir die ersten, die überlegen, wie diese Aufgabe bewältigt werden soll.“

Diese Aussage ist ein wirklicher Fortschritt; die neuen Gemeinschaften und Bewegungen werden als existierend zur Kenntnis genommen und aufgerufen, bei der Neuevangelisierung nach Kräften mitzuwirken. Doch dieser Fortschritt ist erst ein erster Schritt. Müsste hier nicht die Frage gestellt werden, welche pastorale Konzeption die Träger dieser Charismen in die Kirche einzubringen haben. Denn diese Gemeinschaften und Bewegungen sind um der Kirche willen da. (P. Kentenich hat in den Auseinandersetzungen um 1949 immer wieder betont, dass es ihm nicht nur um die Verteidigung und Begründung Schönstatts geht, sondern dass er die gesamte Pastoral der Kirche im Blick hat.)

Die Synode müsste darauf hin gewiesen werden, dass sie sich nicht damit begnügen darf, die geistlichen Gemeinschaften und Bewegungen zu Einsatz und Engagement aufzurufen, sondern dass sie auch danach fragt, welchen Weg der Geist Gottes die Kirche durch diese Charismen führen will. D.h. die Synode bzw. die Kirche insgesamt muss die Demut aufbringen, sich gegebenenfalls von einem Träger eines Charismas auch belehren zu lassen.

10. Oktober 2012
Oskar Bühler

 

 
 

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