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2008 (A) Erntedank

Homilie zu Ez 18 am 20.Sonntag (A) und zum Erntedankfest

===>> Biblische und liturgische Texte vom 26.Sonntag (A)
===>> Text der Lesung aus dem Propheten Ezechiel Kapitel 18,1-4.20.25-32
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===>> Gottesdienstvorlage
===>> Fürbitten Vorlage

Umkehr als Weg in die Freiheit

In der Lesung hörten wir einen zentralen Text innerhalb des Ezechielbuches, ja der Bibel überhaupt.[1]

Durch den Propheten fragt Gott sein von ihm erwähltes Volk: "Wie kommt ihr dazu, im Land Israel das Sprichwort zu gebrauchen. Die Väter essen saure Trauben und den Söhnen werden die Zähne stumpf? So wahr ich lebe - Spruch Gottes, des Herrn -, keiner von euch in Israel soll mehr dieses Sprichwort gebrauchen."

Eine lange exegetische Tradition meint:

Das Sprichwort spiegele die alte Lehre einer die Generationen übergreifenden Schuldhaftung wider. Sie betone die persönliche Verantwortung des Einzelnen und trage somit entscheidend zur Überwindung von Kollektivhaftung bei.

Doch kommt darin durchaus etwas Neues zum Ausdruck.

Die Aussage nämlich, mit der die Glieder des Gottesvolkes ihre reale Situation, also die Erfahrung des Exils, interpretierten. Ezechiel würde in diesem Fall die im Zitat wiedergegebene Deutung des Exilgeschehens zurückweisen.
  • Die Jahre des babylonischen Exils (6. Jh. v. Chr.) waren auch Jahre einer tief gehenden Krise des Gottesglaubens. Durch eine zwischen den damaligen Großmächten Ägypten und Babylon hin und her lavierende Politik, durch Abkehr von Jahwe, dem Befreier Israels, und durch die Hinkehr zu den Götzen, also zur Verabsolutierung von geschaffenen Dingen und selbsterdachten Ideen, waren die innere Ausrichtung und das Hören auf Gott weitgehend verloren gegangen.
  • Dieser religiöse und moralische Niedergang Israels, die daraus erwachsenen Ungerechtigkeiten und politischen Machtspiele, führte schließlich zur Vernichtung des Königtums und zur Zerstörung des zentralen Jahweheiligtums. Die Stadt Jerusalem und weite Teile des Landes waren ausgeplündert und zerstört. Die Elite des Volkes, soweit sie den Angriff der Baylonier überlebte, wurde in die Verbannung geführt. Diese Situation dauerte mehrere Generationen lang an.

In der Krise sollen die Menschen sich nicht zu Tode trauern,

  • vielmehr dem gnädigen Gott und sich selbst einen neuen Anfang zutrauen. Durch diese Krisen hindurch will Jahwe sein Volk Israel wieder zu sich heimführen. Das aus dem Griechischen kommende Wort Krisis hat eine Doppelbedeutung: Gericht und Entscheidung. Jede Krise ist Gericht, das sagt, »so geht es nicht mehr weiter«. Sie fordert zur Entscheidung heraus. Kehr um! Ändere deine Lebenssicht, dein Verhalten. Es braucht Propheten, um uns dies einzuschärfen.
  • Prophet ist einer, der die Ohren seines Herzens ganz für Gott geöffnet hat. Einer, der in Lichte des Wortes Gottes Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deuten kann. Er zeigt den Israeliten, das Verhältnis Jahwes zu seinem Volk ist einzigartig.

Gott ist nicht nachtragend.

Er nagelt den Menschen nicht fest auf seine Schuld. Gott bestraft jeden nur für seine Schuld. Bekehrt er sich, bestraft ihn Gott nicht für seine Schuld. Gott ist auf göttliche Weise gerecht: er ist barmherzig.
  • Ganz anders als die Menschen sieht und behandelt Gott den Menschen: "Alle Menschen sind mein Eigentum, das Leben des Vaters ebenso wie das Leben des Sohnes, sie gehören mir."
  • Niemand kann und darf einen anderen Menschen als sein Eigentum ansehen oder über ihn verfügen. Jeder gehört allein Gott, der ihn erschaffen, erlöst und geheiligt hat; der ihn zur Fülle des Lebens in seinem Reich ruft. Wir gehören also dem, der das Leben ist. Darum singen wir: „Herr, ich bin dein Eigentum, dein ist ja mein Leben. Mir zum Heil und Dir zum Ruhm hast du’s mir gegeben." [2]
  • Es ist gut zu wissen, dass unser Gott nicht ein Gott ist, der die Schuld der Väter an den Kindern rächt. Sondern der uns durch den Propheten sagt: "Ein Sohn soll nicht die Schuld seines Vaters tragen und ein Vater nicht die Schuld seines Sohnes. Die Gerechtigkeit kommt nur dem Gerechten zugute und die Schuld lastet nur auf dem Schuldigen."[3]
  • Natürlich waren in Israel viele Unschuldige betroffen, ebenso wie z.B. bei uns die Kinder und Enkel der Väter und Mütter, die das Unrechtssystem der Nationalsozialisten an die Macht brachten und unterstützten. Viele dieser Töchter und Söhne haben sich von den Verbrechen und dem Denken der Nazis abgewandt. Darum darf man ihnen die Schuld der Väter auch nicht anrechnen.
  • Leider sind wir Menschen oft sehr nachtragend. Manche Feindschaft und Ablehnung dauert oft Generationen übergreifend an. Wer unbarmherzig und nachtragend lebt, findet keinen Frieden. Denn für den Unbarmherzigen gibt es im Gericht Gottes kein Erbarmen.
  • Anders als die Menschen trägt Gott die Schuld nicht ewig nach. Wenn einer sich bekehrt, schenkt ihm Gott eine neue Chance für sein Leben. Gott rächt seine Schuld nicht an seinen Kindern. Wenden sich diese dem Herrn zu und hangen sie ihm an, dann sind sie für immer rehabilitiert. Kinder und Enkel dürfen also nicht also nicht wegen der Schuld ihrer Eltern abschätzig angesehen und behandelt werden.
  • Ebenso wenig können die Sünden und Vergehen von Söhnen oder Töchtern den Eltern angerechnet werden, wenn diese sie vor ihren falschen Wegen gewarnt haben. Freilich in Rechtsbereich des Staates haften Eltern immer noch für ihre noch nicht erwachsenen Kinder.
  • Natürlich leiden Kinder unter den Folgen der Schuld ihrer Eltern. Wenn Sohn oder Tochter von den Eltern ein verschuldetes Anwesen übernimmt, kann es sein, dass sie lebenslang damit belastet sind.
  • Zweimal ruft Gott im Kapitel 18 den Israeliten zu:"Ihr sagt: Das Verhalten des Herrn ist nicht richtig. Mein Verhalten soll nicht richtig sein, ihr vom Haus Israel? Nein, euer Verhalten ist nicht richtig."
  • Wenn wir heute die Erde ausbeuten und vergiften, machen wir uns schwer schuldig vor Gott. Der Befehl Gottes "macht euch die Erde untertan", ist kein Freibrief für ausbeuterisches Verhalten. Wir lesen im ersten Buch der Bibel „Gott der Herr nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden,damit er ihn bebaue und hüte." [4] Durch die Sünde, die Absonderung von Gott und seinem Schöpfungswillen, wurde der Mensch aus dem Garten Eden vertrieben. Unter großer Mühsal muss er für seinen Lebensunterhalt sorgen. Die Erde verhält sich ihm gegenüber oft lebensfeindlich. Dennoch will Gott dass wir

Erntegaben vor dem Altar
Erntegaben vor dem Altar
Im Einklang mit der Schöpfung leben.

Ist dies nicht der Fall, beutet der Mensch die Schöpfung für seine egoistischen Zwecke schonungslos aus, manipuliert er sie nach eigenem Gutdünken, dann verliert die Schöpfung ihr Gleichgewicht, jene feine Balance, die das Leben erst ermöglicht.


Die Menschen aber sehen die Wirklichkeit verschieden?

Die jüdische, christliche und muslimische Religion erkennen die Wirklichkeit als aus dem Willen und Wort Gottes hervorgegangen, also als Gottes Schöpfung. Für den Atheisten ist alles Materie, für die östlichen Religionen ist alles eins, alles göttlich, Gutes und Böses.
  • Der Christ erkennt die ihn umgebende Lebenswelt als die von Gott zu geschwisterlichem Umgang geschenkte Lebensgrundlage. Gehe ich mit der Schöpfung gut um, tue ich mir selber und den nachfolgenden Generationen Gutes. Daher spricht der Seher Johannes vom Gericht Gottes, als "die Zeit deine Knechte zu belohnen, die Propheten und die Heiligen und alle, die deinen Namen fürchten, die Kleinen und die Großen, die Zeit alle zu verderben, die die Erde verderben."[5]
  • Häuft der Staat Schulden auf Schulden, werden die kommenden Generationen schwer daran zu tragen haben. Wir sollten der Bayerischen Regierung dankbar sein, dass sie nach großen Sparanstrengungen einen ausgeglichenen Haushalt aufweisend die kommende Generation nicht mit einem neuen Schuldenberg belastet und jetzt Geld frei wird für neue Investitionen. Das will Ezechiel Israel und uns sagen:

JHWH wendet sich an jede einzelne Generation.

Er fordert jede Generation auf, zu ihm, zu JHWH, und seiner Weisung zurückzukehren. Anliegen des Geschichtsrückblicks von Ez 20 ist es, die Glieder des Volkes zur Umkehr und Entscheidung für JHWH zu bewegen.
  • Auch heute genügt es nicht seine Kinder taufen lassen und damit einzugliedern in das Neue Volk Gottes, in die Kirche. Den Kindern muss von uns Erwachsenen auch der christliche Glaube vorgelebt und vermittelt werden. Ja, jede Generation muss neu für Jesus und sein Evangelium gewonnen werden.

Es ist wie in der Schöpfung Gottes.

  • Die Erde bringt nur dann ihre Frucht, wenn sie bearbeitet und für die Saat bereitet wird. Es muss gedüngt und gesät werden, damit später geerntet werden kann. Gott, der Schöpfer des Himmel und der Erde, gab der Schöpfung ihre Ordnung, schenkt ihr Wachstum und Reifung, damit wir ernten und uns von der Frucht der Erde ernähren können.
Enrtedankzug der Kirche zum Altenheim und zur Tagespflege der Sozialstation
Enrtedankzug der Kirche zum Altenheim und zur Tagespflege der Sozialstation
Ezechiel ist kein Untergansprophet. Nein, mit seiner Botschaft will er aufrichten, ermutigen, zur Umkehr herausfordern. Er will, dass wir unser Verhalten ändern, es vom Schöpfungswillen Gottes inspirieren und formen lassen, damit nicht das Gericht Gottes über uns kommt. "Kehrt um, wendet euch ab von all euren Vergehen!" [6] Unser falsches Verhalten darf uns nicht länger Anlass sein um "in Sünde zu fallen", also von Gott und seiner Schöpfungsordnung abgewandt zu leben.
Wir leben heute in einer Wegwerfgesellschaft, erzeugen damit Berge von Müll und verschwenden die kostbaren Ressourcen der Erde. Es wäre wichtiger, unser bisheriges unbedachtes Verhalten auf den Müllhaufen der Geschichte oder noch besser dem Feuer der reinigenden Liebe Gottes hinzuhalten, damit daraus neue, das Herz und den Geist reinigende Energie fließen kann. "Schafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist!"
  • Wir graben uns das eigene Grab, wenn wir nicht im Einklang mit dem Willen Gottes leben. Gott fragt uns gleichsam kopfschüttelnd: "Warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel.“ Solches Sterben gefällt Gott nicht. Als Christen sagen wir natürlich ja zum Schöpfungswillen Gottes. Aber oft handeln wir nicht darnach. Wir gleichen dem ersten Sohn im Evangelium. Der sagt zwar ja, geht aber nicht. Also werden wir uns mit dem 2. Sohn anfreunden.
  • Dieser sagt zwar zuerst nein zur Bitte des Vaters. Geht aber dann doch. Vielleicht müssen wir von uns bekennen: Ich habe bisher zu wenig für den Glauben an Gott und für die Bewahrung seiner Schöpfung getan. Also werde ich in der kommenden Woche neu damit anfangen. Umkehr ist Weg in die Freiheit. Wenn keiner damit anfängt, passiert, ändert sich nichts. Lassen wir es uns von Gott durch des Propheten Mund ins Ohr und Herz sagen. "Ich habe doch kein Gefallen am Tod dessen der sterben muss - Spruch Gottes, des Herrn - Kehrt um, damit ihr am Leben bleibt."


[1] Franz Sedlmeier, das Buch Ezechiel, Teil 1 Kap 1 - 24
[2] Gl 916
[3] Ez 18,20b
[4] Gen 2,15
[5] Offb 11,18
[6] Ex 18,30