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Lesejahr 2013 (C)

Homilie zu den Texten des 1.Advent im Lesjahr C

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Keine Angst - die Erlösung naht [1]
Das heutige Evangelium passt so gar nicht in die Idylle, mit der wir den Advent und Weihnachten umgeben. Wir erschrecken, wenn wir hören:
1. „Die Menschen werden vor Angst vergehen"
  • Vieles von dem, was sich in unserem Leben ereignet, löst in uns Angst aus.
- Angst vor politischen Systemen, welche die Menschenrechte und Religionsfreiheit missachten. Nach der neuen Verfassung in Ägypten soll der Islam Staatsreligion werden und die Rechtssprechung nach der Scharia erfolgen. Bei Millionen von Christen und Nichtmuslimen geht die Angst um.
- Angst bei uns vor der Zerstörung vor atomarer Zerstörung unserer Erde,  unserer Lebensgrundlagen durch Verseuchung des Wassers, des Bodens und der Luft, durch Natur und Klimakatastrophen.
- Angst der Menschen in den küstennahen Ländern der Erde. Durch die Erderwärmung werden sie immer mehr von verheerenden Wirbelstürmen heimgesucht. 
- Angst vor unheilbarer Krankheit, in der man wochenlang, monatlang, jahrelang dahinsiecht.
- Angst vor dem Tod geliebter Menschen macht oft einsam. Und im eigenen Tod verliert man alles was einem lieb und teuer ist.
- Angst vor Sinnlosigkeit ergreift heute gerade in den reichen Ländern immer mehr um sich. Depression ist bei uns zur Volkskrankheit Nr. 2 aufgestiegen.
Das Evangelium verkündet heute in unsere Angst hinein:
2. «Wenn das alles beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe«
  • Erlösung ist also für uns nahe mitten in unseren Ängsten, Nöten, Sorgen und Problemen. In unseren Unheilssituationen wird Gott sich uns als Gott erweisen, so wie er sich Jesus gegenüber als Gott erwiesen hat.
  • Jesus hat sich am Kreuz in seiner Gottverlassenheit an Gott gewandt und dieser hat ihn erlöst, auferweckt und erhöht. Erlösung heißt also nicht, vor Leid und Schicksal bewahrt zu werden, sondern mitten in der Not sich aufzurichten und das Haupt zu erheben in der Hoffnung, daß die Erlösung nahe ist.
- Erlösung heißt: Wir können tief fallen, aber wir fallen nicht tiefer als in die gütigen Hände Gottes.
- Erlösung heißt: Wir leiden an Gott, und dennoch bleiben wir bei ihm. Wir vertrauen ihm, wir glauben an ihn und hoffen auf ihn.
- Erlösung heißt: Wir beten: »Geheiligt werde dein Name« Gottes Name aber ist Jahwe. So hat er sich geoffenbart: «Ich bin der Ich-Bin-Da«. »Geheiligt werde dein Name«. Das heißt: Zeige dich in unserer Welt und in unserem Leben, daß du unser Gott bist und wir deine Schöpfung sind, die du liebst.
- Erlösung heißt: Wir beten: "Dein Reich komme ... Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!“
  • Wir leben in Ängsten, aber auch schon in der Erlösung, weil Gott bereits den Himmel über unserer Erde aufgerissen hat. Paulus hat es so ausgedrückt: „Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt, und doch nicht vernichtet.“[2]
3. Christentum ist die Religion gegen Resignation[3]
3.1 Es ist nicht einfach damit getan, Appelle loszulassen.
  • So wie es die Band "die toten Hosen" sarkastisch in einem ihrer Songs gesungen haben:
Hab’ keine Angst vor Dunkelheit, frag’ nicht, wohin wir gehn. Wir stolpern einfach vorwärts durch ein weiteres Jahrzehnt. Mit vollem Bauch und leerem Kopf, auf einem Auge blind. Auf der Suche nach Zufriedenheit und irgendeinem Sinn.
  • Wir sind auf dem Weg in ein neues Jahrtausend. Bald werden Wunder am Fließband hergestellt. Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend. Über Nacht wird alles anders - eine schöne neue Welt.
Der berühmte französische Dichter Paul Claudel, der sich vom Atheisten zum katholischen Christen bekehrte, schrieb.
3.2 Es gibt nur eine Alternative, Resignation oder Christentum.
  • Er, der lange in China als Diplomat wirkte, wusste, wovon er sprach:
  • Die christliche Botschaft ist das große Verbot der Resignation und die große Erlaubnis zur Hoffnung. Das Urchristentum war in der antiken Welt nichts Geringeres als eine Hoffnungsexplosion, deren Schallwellen bis zu uns heute gehen.
4. Die Hoffnung - sie ist das große Wunder
  • Der französische Mystiker Charles Peguy (1873 - 1914) charakterisiert die christliche Hoffnung in ungewöhnlicher Weise, ebenso kühn wie realistisch, indem er Gott verwundert über sie sagen lässt:
  • „Der Glaube, den ich am liebsten mag, sagt Gott, ist die Hoffnung Das ist wirklich erstaunlich. Daß diese armen Kinder sehen, wie das alles zugeht, und daß sie glauben, morgen gehe es besser. Daß sie sehen, wie das alles heute geschieht, und daß sie glauben, morgen früh gehe es besser. Das ist verwunderlich. Das ist entschieden das größte Wunder meiner Gnade.“
  • Weiter sagt der Peguy: „Nur durch die Hoffnung bleibt alles bereit, immer wieder neu zu beginnen.“ Weil die Hoffnung zu den Gnadengaben Gottes gehört, um die wir zu Beginn des Rosenkranz beten, kann der Dichter über sie sagen: „Die Hoffnung sieht, was noch nicht ist, aber doch werden wird.“
  • Dieses Wunder der Hoffnung will das heutige Evangelium in uns wirken.
4.1 Lukas spricht nicht von weihnachtlichen Festvorbereitungen, sondern von Untergang und Zerstörung
  • Der Himmel wird erschüttert, das Weltgebäude wankt und bricht zusammen, das Meer tobt, alles löst sich auf.
  • Die 14 Menschen, die zu Beginn der vergangenen Woche bei einem Brand in der Behinderten Werkstatt im Schwarzwald starben, die über 100 Toten beim Brand in einer Textilfabrik in Bangladesh haben dies ebenso existentiell erfahren, wie auch die immer wieder durch Geisterfahrer auf den Autobahnen plötzlich aus dem Leben gerissenen Verkehrsteilnehmer.
4.2 Trotz solcher düsteren Aussichten spricht Jesus seinen Gläubigen Mut zu.
  • Wenn die Gestalt dieser Welt vergeht, bedeutet das nicht, dass auch der Jünger Jesu einfach weggerafft und ausgelöscht wird. Denn er ist von anderer Qualität, von höherer Würde als die Dinge und Prozesse des Kosmos. -
  • Advent ist im Verständnis der Liturgie nicht nur eine uns auf Weihnachten einstimmende Zeit. Advent heißt „Ankunft”, und damit ist mehr gemeint als die weihnachtliche Ankunft des Kindes von Bethlehem vor 2000 Jahren.
  • Mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus bekam die Geschichte der Menschheit eine neue Richtung. Jeden Tag entfernen wir uns einen Schritt mehr von der Geburt Christi, aber auch vom Tag unserer Zeugung und eigenen Geburt. Dafür aber kommen wir jeden Tag einen Schritt dem auferstandenen und dem beim Vater im Himmel erhöhten Christus näher.
Als Christ frage ich mich
5 Was bedeutet das für meine Lebensführung?
  • 5.1 Ich werde die Liebe und Freundschaft, die Gaben der Schöpfung, die mir geschenkt sind, Gott dankend annehmen und genießen. Ich werde nicht aufhören, die Welt nach dem Willen des Schöpfers zu gestalten, sie zu behüten und vor Zerstörung bewahren. Aber ich weiß: dies alles ist vorläufig und vergänglich.
  • 5.2 Als bewusst unter dem liebenden und erbarmenden Blick Gottes lebender Christ werde ich mich im Advent immer wieder mit der Frage befassen: Was kommt denn auf mich zu, wenn einmal alles wegfällt, was mich jetzt umgibt, mir Freude und Leben schenkt und mir Sicherheit verspricht?
  • 5.3 Jesus antwortet: Deine Erlösung kommt auf dich zu! Ängstige dich nicht! Je mehr dir die Welt genommen wird, desto mehr werde ich dir geschenkt. Je mehr du dich von irdischen Anhänglichkeiten befreist und deine Augen und dein Herz zum Himmel erhebst, desto empfänglicher wirst du für deinen Vater und Schöpfer, und für mich, deinen Bruder, Heiland und Erlöser. Deshalb "Kopf hoch", es naht deine Erlösung.
 

[1] Quellen: GW 1998/1 S.161 Wilhelm Schmidt, Angst und Erlösung
[2] 2 Kor 4,8
[3] Quellen: DBH 1997/9 November 1997 S. 378-380